Nissan Figaro

Nippons Pfefferminz-Drops

New Mini und Fiat 500 haben nicht nur den Retro-Stil in die Kleinwagenwelt gebracht, sondern auch Luxus und individuelles Design. All das bot der Nissan Figaro schon vor 20 Jahren - und war so begehrt, das er verlost werden musste. Emily Einert fährt eins der Kultmobile.

Nissan Figaro Foto: press-inform 21 Bilder

"Laaangweilig!" sagt Emily Einert bei jedem Auto, an dem sie vorbeifährt. All die Standardmodelle im Einheitsdesign können der jungen Dame gestohlen bleiben. Auch für den Mini, den viele für das Trendmobil schlechthin halten, hat die Kosmetikerin nichts übrig: "Das ist doch bloß ein langweiliges Kommerz-Auto. Ich wollte einen Wagen, den sonst keiner hat." Und den hat sie nun.

Der rare Japaner hört auf den Namen Figaro

Emily Einerts Nissan Figaro - 3,7 Meter kurz, 865 Kilogramm leicht und minzgrün lackiert - ist eins von ganz wenigen Exemplaren, die es 1991 nach Deutschland geschafft haben, wahrscheinlich über den Umweg aus England. Denn den Nippon-Exoten gab es nur als Rechtslenker. "Das Auto ist der totale Hingucker und passt gut zu mir. Ich bin doch so ein zartes, kleines Mädel" sagt Emily Einert und tätschelt dem Figaro mit ihren weißen Autofahrer-Handschuhen liebvoll über seine Kunststoff-Karosse.
 
Knapp 105.000 Kilometer hat das Wägelchen auf der Uhr, das Einert im Mai von ihrem Verlobten als Geschenk überreicht bekam. Der hatte es im Düsseldorfer Meilenwerk herrichten lassen. Demnächst soll der Figaro als mobiler Werbeträger für Einerts Kosmetikstudio "Einert Cosmetic" unterwegs sein. Denn wenn der Figaro durch München rollt, verdreht er die Köpfe: "Ich werde täglich auf das Auto angesprochen. Viele halten es für einen italienischen Kleinwagen", erzählt Einert. Das mag vielleicht am Faltdach liegen, das den Figaro in wenigen Sekunden wie einst den offenen Fiat 500 zum Freiluft-Flitzer macht. Oder einfach am ungewöhnlichen Design. Überall im Cockpit des Wagens entdeckt man schicke, teils skurrile Eigenheiten: Die Schalter für die Fensterheber sehen aus wie kleine Blütenknospen, die Instrumente mit ihren filigranen Zeigern könnten aus einem Vorkriegs-Auto stammen, die verchromte Klimaanlagen-Bedienung mit den elfenbeinfarbenen Schiebereglern erinnert an deutsche Oldtimer der 50er Jahre.
 
Ausstattung wie in der Oberklasse
 
Kein Wunder also, dass der Figaro lange vor New Mini und Co. zur Stilikone wurde. Zudem bot er mit Servolenkung, Automatikgetriebe, Klimaanlage, Lederpolstern, CD-Radio und elektrischen Fensterhebern einen Luxus, den man in der Kleinwagenwelt kaum für möglich hielt. Die Geschichte des ungewöhnlichen Japaners begann vor 20 Jahren. Bei der 28. Tokio Motor Show 1989 präsentierte Nissan den Prototypen, 1991 stand die Serienversion parat. Der Figaro sollte "stylische Eleganz ins Alltagsleben" bringen und seine Piloten mit einer reichhaltigen Ausstattung verwöhnen. Er war eines von mehreren Automodellen, die Nissan von 1987 bis 1991 im Retro-Stil baute. Die Japaner nahmen damit einen Trend vorweg, der heute allgegenwärtig ist: Mini, Smart oder Fiat 500 sind längst über den Status des Gebrauchtgegenstandes hinausgewachsen und haben sich zu Lifestyle-Produkten gemausert.

Ausweg Verlosung: 300.000 wollten den Nissan Figaro, nur 20.000 Stück gab es

Die Resonanz auf den Figaro auf der Automesse 1989 war enorm. Rund 300.000 Interessenten soll es gegeben haben, doch Nissan limitierte die Produktion auf 20.000 Stück. Um die Autos möglichst gerecht zu verteilen, entschieden sich die Japaner für eine Lotterie: Von Februar bis August 1991 konnte man an drei verschiedenen Losverfahren teilnehmen, bei denen einmal 8.000 und zweimal 6.000 Figaros unters Volk gebracht wurden. Der Preis pro Stück lag bei 1,8 Millionen Yen, in Europa musste man für den Wagen ungefähr 10.000 Britische Pfund auf den Tisch legen.

Der Wagen war in vier Farben erhältlich, welche die vier Jahreszeiten darstellen sollten: Ein Minzgrün namens "Emerald Green" stand für den Frühling, das pastellblaue "Pale Aqua" für den Sommer, "Topaz Mist" für den Herbst und "Lapis Grey" für den Winter. Figaro-Fans sehen darin eine Anspielung auf die "Vier Jahreszeiten"-Konzerte Vivaldis und damit auf die Musikwelt - ebenso wie beim Namen des Wagens und dem Emblem auf der Haube, das als Blütenknospe an die "Kameliendame" erinnern soll.
 
Nur wenige Auto schafften den Weg von Japan nach England, in die USA oder gar nach Deutschland. Emily Einert ist ihr minzgrüner Edelflitzer so ans Herz gewachsen, dass sie ihn wohl nie wieder hergeben würde. Auch dass der Exoten-Status ihres Autos einmal Probleme bei der Ersatzteilsuche bereiten könnte, schreckt sie nicht. "Selbst in einer Nissan-Werkstatt hat man noch nie etwas vom Figaro gehört", erzählt Einert. Sie suchte dort nach einer Ersatzbatterie für ihr Wägelchen, als dem Block mit ausschließlich japanischen Schriftzeichen darauf der Saft ausging. Ein Kleinwagen von der Stange musste schließlich als Organspender einspringen. Denn unter dem knuddeligen Kunststoffkleid des Figaro steckt Großserientechnik des alten Nissan Micra: Ein Vierzylindermotörchen mit 987 Kubikzentimetern Hubraum, 76 PS und Turboaufladung sorgt für ordentlichen Vortrieb.