AvD-Oldtimer-Grand-Prix 2012

Kronjuwel des Nürburgrings

Wer hätte das in den 70ern gedacht: Die 40. Auflage des AvD-Oldtimer-Grand-Prix (10. bis 12. August 2012) steht vor der Tür. Motor Klassik schlägt zur Einstimmung einige Kapitel aus der Historie von einem der größten Klassikerrennen weltweit auf.

Flammenden Leidenschaft Foto: MotorPresseStuttgart 20 Bilder

Die heißblütigen historischen Rennwagen von Hubertus Graf Dönhoff drohten in Salem am Bodensee zu verstauben. Da fasste der Oldtimer-begeisterte Adelige den Entschluss, eine Rennstrecke zu mieten und sich dort mit ein paar Gleichgesinnten zu treffen. 1973 feierte die Veranstaltung Premiere, die heute weltweit als AvD-Oldtimer Grand-Prix bekannt ist.

Mit 63 Autos und 40 Motorrädern ging es 1973 los

Am 11. und 12. August 1973 ist es so weit, der 40. AvD-Oldtimer-Grand-Prix lockt an den Nürburgring: 63 historische Autos und 40 Zweiradklassiker starten auf der sogenannten Betonschleife des Rings in der Eifel zum 1. Internationalen Rennen für historische Renn- und Sportwagen sowie Motorräder als Teil der Nürburgring-Show. Solche exotisch anmutenden Rennen mit historischen Autos sind hierzulande gänzlich unbekannt, selbst auf der Britischen Insel sind die Gelegenheiten selten. Daher folgen auch viele englische Oldtimer-Racer der Einladung und reisen stilgerecht per Achse zum Nürburgring.

Bevor aber mancher alte Rennwagen aus England in der Wellblechkulisse des altehrwürdigen Fahrerlagers geparkt werden konnte, standen erlebnisreiche Kilometer durch die Benelux-Länder bevor. Christopher Mann zum Beispiel hätte es mit seinem Alfa Romeo 8C Monza von 1932 beinahe nicht bis zum Ziel der Träume geschafft. In Holland wurde er auf seiner nächtlichen Fahrt von der Polizei gestoppt – am Vorkriegsklassiker fehlten die Scheinwerfer.

Abenteuerlich wie die Anreise des Engländers erscheint auch die unorthodoxe Zusammenstellung der Starterfelder: Auf einen Mercedes SSK, einen Invicta S-Type sowie Manns Alfa aus den 1930er Jahren folgten Austin-Healey und Ferrari 250 GT "Tour de France" aus den Fünfzigern. Aber die Rennen sind nicht unbedingt eine ernste Angelegenheit, sondern für die Fahrerinnen und Fahrer vielmehr Mittel zum Zweck: ein Wochenende lang Spaß mit alten Autos haben. Danach stand dem jungen Juristen Hubertus Dönhoff und seinen Freunden der Sinn.

Schon in den 70ern waren viele genervt vom sterilen Rennsport

Diesem Geist folgten auch die Gründungsmitglieder des Club Historischer Renn- und Sportfahrzeuge Nürburgring e. V. (CHRSN), der 1973 entstand. Zu den Gründungsmitgliedern zählte Hans-Peter Nyffeler: Der Schweizer fungierte bis 1985 auch als Rennleiter der schnell wachsenden Klassiker-Veranstaltung, die ab 1980 ihren Namen Oldtimer-Grand-Prix erhielt. Diese Bezeichnung erweist sich gerade heute bei dem Überangebot von historischen Rennveranstaltungen als Volltreffer, weil sie das Geschehen in einen allgemein verständlichen Begriff fasst.

Doch schon in den Jahren zuvor verbreitet sich wie ein Lauffeuer, dass am zweiten August-Wochenende in der Eifel wundersame Dinge vor sich gehen. Vierzehn Tage nach dem Formel-1-Grand-Prix 1976 treffen sich 170 Teilnehmer zur Alteisen- Party. 15.000 Zuschauer erleben dabei, wie Fahrer in zeitgenössischer Kleidung ihre Renn- und Sportwagen aus den 1930er Jahren über die Strecke wuchten. "Der sitzt ja hinter dem Steuer wie ein Klammeraffe", zitiert auto, motor und sport eine Zuschauerin, die dem Geschehen staunend folgt.

Das Erfolgsgeheimnis für die Veteranen-Rennen hat der ams-Reporter in der Eifel auch gefunden: Die Zuschauer sind fasziniert, "weil sie von der vergleichsweise sterilen Welt des heutigen Rennsports gelangweilt sind." Damals hätte wohl niemand gedacht, dass die aktuellen Rennwagen der 1970er Jahre beim 40. AvD-Oldtimer-Grand- Prix einmal zu den Publikumslieblingen zählen würden.

In 30 Stunden von Zagreb zum Nürburgring

Zur Abkehr von der keimfreien Welt der Motorsport-Moderne gehörte auch die Anreise auf eigener Achse. Der 80 Jahre alte Jugoslawe Emil Zemljak zum Beispiel kam mit seinem BMW 327 (Baujahr 1939) auf direktem Weg von Zagreb zum Nürburgring: 30 Stunden nonstop. "Ich bin seit 63 Jahren aktiver Motorsportler und habe diese Strecke bereits sechs Mal zurückgelegt", diktierte er dem ams-Reporter in den Notizblock.

Zumindest für den BMW Sportwagen bedeutete die Anreise die weit größere Belastungsprobe. Als Zemljak den 327 zum ersten Training auf der Rennstrecke ausführte, versagte die Zylinderkopfdichtung des Sechszylinders: "Dies bedeutete den Verkauf seines geliebten schwarzgrünen Alten und eine Heimreise per Bahn", stellte der Berichterstatter lakonisch fest.

Erster OGP-Titelheld war ein Opel-Grand-Prix-Wagen von 1910

Bald schon kam der Oldtimer-Grand-Prix in Farbe - auf dem Titelbild des Programmhefts nämlich. 1975 war das Deckblatt zum ersten Mal mit einem eigens angefertigten Titelbild versehen, das einen Opel-Grand-Prix-Wagen aus den 1910er Jahren zeigte. Das war zugleich der Startschuss zu einer Spezialität des historischen Rennwochenendes in der Eifel - die Geschichtspräsentation der Automarken.

Bei der Vermittlung geballter Automobil- und Motorsportgeschichte sind natürlich besonders die Streckensprecher gefordert. Sie vermitteln die Geschichte der Autos, müssen gut acht Jahrzehnte Rennhistorie im Blick haben. Mann der ersten Stunde war ein mehrfacher Teilnehmer der Rallye Monte-Carlo: Ruprecht Hopfen. Ihm folgte die unvergessliche Stimme des Nürburgrings, der Sprecher Jochen Luck. Mit seiner unverwechselbaren Stimme zelebrierte der Motorradfan seine Ansagen und Kommentare wie kein Zweiter. 1986, der neue GP-Kurs war gerade zwei Jahre alt, meldete sich an der Seite von Luck erstmals der Sprecher, der dem AvD-Oldtimer-Grand-Prix bis heute erhalten ist: Johannes Hübner. 

Der OGP - Manchmal kopiert, doch nie erreicht

Seit der ersten Auflage 1973 sind es die Besonderheiten wie der BMW-Sonderlauf in diesem Jahr, die dem Oldtimer-Grand-Prix sein unverwechselbares Profil verleihen: manchmal kopiert, aber nie erreicht. In den ersten Jahren gab es zum krönenden Abschluss noch den Matadorenlauf, in dem die 20 zeitschnellsten Fahrer des Wochenendes aufeinandertrafen: ein kunterbuntes Starterfeld mit höchstem Unterhaltungswert. Doch mit der Reglementierung der Klassikerrennen durch die Sportdachverbände verschwand die Möglichkeit von wild gemischten Starterfeldern.

Doch immer wieder kreierten Graf Dönhoff und der CHRSN sowie ab 1975 auch der AvD und der dem ältesten deutschen Automobilclub angeschlossene Hesse Motor Sports Club (HMSC) neue Rennen, die es in dieser Form nur beim Oldtimer- Grand-Prix zu sehen gab und gibt. So hatte die Veranstaltergemeinschaft vor ein paar Jahren die Idee, ehemaligen Rennautos der Deutschen Rennsport- Meisterschaft ein Revivalrennen zu widmen – bis heute ein Zuschauermagnet.

Immer professioneller - und kommerzieller

Was Anfang der 1970er Jahre noch als wilde und skurrile Veranstaltung für Gleichgesinnte startete, ist in der 40. Runde eine professionelle Rennveranstaltung mit Millionen-Budget geworden. Denn insgesamt sind die zwanglosen Veteranentreffen einer kommerziell geprägten Rennszene gewichen, die immer noch weiteren Zulauf findet. Schon bevor sich auf der Strecke ein klassisches Rad dreht, stellt das die OGP-Veranstalter vor eine besondere Herausforderung.

Für viele Teilnehmer gehört es seit Jahren dazu, wie bei der modernen Fraktion zum Rennwochenende mit einem Truck anzurücken: für den Transport der Rennautos und im Fahrerlager als Arbeits- und Schlafstätte für die Mechaniker. Seit vielen Jahren schon wird versucht, trotzdem ein für die Besucher ansprechendes Fahrerlager aufzubauen. Im Mittelpunkt sollen die Rennfahrzeuge stehen. Denn ohne Zweifel ist diese Nähe zu den Zeugen aus vielen Jahrzehnten Renngeschichte der besondere Reiz einer Veranstaltung wie dem Oldtimer-Grand-Prix.

Wichtiger Treffpunkt der Club-Szene

Aber ein ebenso wichtiger Bestandteil sind die vielen Marken- und Typenclubs, die ihre Zelte auf den Parkplätzen rings um die Grand-Prix-Strecke aufschlagen. Eine paar Jahre war ein Teil von ihnen sogar auf einem Abschnitt der nicht befahrenen Rennstrecke in der Müllenbachschleife untergebracht. Doch als sich immer mehr Rennfahrer über die unattraktive Streckenführung durch die Kurzanbindung beschwerten, wurde dieser tiefste Punkt der Grand-Prix-Strecke wieder einbezogen: Für die Markenclubs blieb nur ein Platz außerhalb der Rennstrecke.

Doch auch dort wird der Raum knapp. Die vielen großen Bauten des Nürburgrings 2.0 samt Eifel-Dorf verringern auch vor den Toren der Rennstrecke das Platzangebot. Zudem stehen die protzigen Bauten, die zum Charakter der schönsten Rennstrecke der Welt so passen wie ein um mehrere Kleidergrößen zu weit geratener Anzug, für die ungeklärte Zukunft des Nürburgrings.

AvD-Oldtimer-Grand-Prix - das Kronjuwel des Nürburgrings

Doch auch eine solche Situation hat Tradition in der Eifel. Im Programmheft zur Klassikerveranstaltung von 1977 widmete sich der damalige Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, Bernhard Vogel, den "Problemen der schönsten Rennstrecke der Welt und ihrer Zukunft. Ich bin überzeugt, dass gerade diese Veranstaltung im Zeichen der 'Nostalgie' geeignet ist, das Bewusstsein für die Notwendigkeit einer zufriedenstellenden Lösung für die Zukunft zu schärfen."
 
Auch beim AvD-Oldtimer- Grand-Prix 2012 ist der faszinierende Blick zurück in die Geschichte der 1927 eröffneten Rennstrecke mit der Hoffnung auf ein geschärftes Bewusstsein für die Zukunft der Rennstrecke verbunden. Denn ohne den Nürburgring ist der Oldtimer-Grand-Prix nicht vollstellbar - und umgekehrt. Ohne den Oldtimer- Grand-Prix würde der ältesten Rennstrecke der Welt ein Kronjuwel fehlen.