Bosch Hockenheim Historic 2013

Beifallsorkan von den Tribünen

Der Hockenheimring war von 1967 bis 1984 die deutsche Formel-2-Hochburg. Motor Klassik erinnert an die große Zeit der Nachwuchsformel im badischen Motodrom.

Bosch Hockenheim Historic Formel 2, mokla, 0313 Foto: Arturo Rivas 20 Bilder

Das Haus war ausverkauft, die Stimmung auf den Stadionrängen im Motodrom glich der in einem Fußballstadion: „Ein mächtiger Beifallsorkan von Tribünen“, so beschrieb Hartmut Lehbrink in auto, motor und sport die Reaktion der Zuschauer auf den ersten Gesamtsieg von Hans-Joachim Stuck 1974. Diese einmalige Atmosphäre machte vor allem das Jim-Clark-Gedächtnisrennen im April berühmt.

Die große Zeit in Hockenheim

Die Bosch Hockenheim Historic erinnert an dieses Rennen und die  große Zeit der Rennformel, die sich für Nachwuchsfahrer schnell zum Sprungbrett für die Formel 1 entwickelte. Das Jim-Clark-Gedächtnisrennen in Erinnerung an den 1968 in Hockenheim tödlich verunglückten zweifachen Weltmeister war stets einer der Saisonhöhepunkte mit bis zu 100.000 Zuschauern: Vom Premierenjahr der F2-Europa-Trophäe 1967 bis zur Finalsaison der Europameisterschaft gehörte das Rennen in Hockenheim zum Meisterschaftskalender. "Hier dabeizusein ist wichtig, das bringt Popularität, hier wird man so vielen Zuschauern beobachtet wie sonst in der halben Saison nicht", schrieb Norbert Haug 1976 in sport-auto.

Bosch Hockenheim Historic erinnert an Formel 2

Von 1967 bis 1984 wurden auf dem Hockenheimring insgesamt 31 Formel 2-Rennen ausgetragen, zu Hochzeiten waren es sogar insgesamt drei Europameisterschaftsläufe pro Jahr. Das erste Rennen mit dem Namen "1. Deutschland Trophäe" am 9.7.1967 gewann der Australier Frank Gardner mit einem Brabham BT23-Ford; das letzte F2-Rennen in Hockenheim am 24.6.1984 entschied der Franzose Pascal Fabre, der Teamkollege von Christian Danner, im March 842 mit einem von Heini Mader präparierten BMW-Motor für sich. 1977 waren die 26 Startplätze besonders begehrt: 46 Nennungen gingen ein, davon wurden 34 Fahrer zum Training zugelassen.

Ideale Strecke in Hockenheim

Rollen die historischen Formel-2-Autos am zweiten April-Wochenende bei Bosch Hockenheim Historic über die modernen Grand-Prix-Strecke, so fanden die F2-Duelle in der Geschichte auf der 6,8 Kilometer langen Strecke mit den langen Waldgeraden statt: "Für das Publikum ist der Hockenheimer Kurs ideal, da sich Wagen mit schlechterer Leistung und Straßenlage sowie weniger gute Fahrer im Windschatten des Spitzenpulks halten können", berichtete auto, motor und sport 1969 von der 3. Deutschland Trophäe: Ein Jahr nach dem tödlichen Unfall des Lotus-Werksfahrers bekam der Europameisterschaftslauf den Beinamen Jim-Clark-Gedächtnisrennen.

Aufstieg und Fall in Hockenheim

1974 sorgte BMW-Werksfahrer Hans-Joachim Stuck für den ersten Gesamtsieg eines deutschen Fahrers in der heimischen Formel-2-Festung, die in den Jahren zuvor von französischen Piloten dominiert wurde. "Das war das leichteste Rennen, das ich je gefahren habe", meinte Stuck, der im March schon den Auftakt in Barcelona gewonnen hatte. Sein Teamkollege Patrick Depailler wurde in Hockenheim nur Vierter, gewann dafür aber am Ende vor dem Grainauer die Europameisterschaft.

Im Jahr darauf ist Stuck im March-BMW der Favorit in Hockenheim: 20.000 Mark hatte der Veranstalter für den Start der deutschen Formel-1-Hoffnung gezahlt. Doch Stuck patzte, gleich zwei Dreher im ersten Lauf machten alle Chancen auf den Gesamtsieg zunichte: "Ich bin das größte Rindvieh, das herumläuft." (Stuck)

Stuck wie ein Volkstribun

"Stuck spielt mit den Emotionen des Rennvolks wie ein Volkstribun", schildert ams-Reporter Lehbrink Stucks Auftritt 1976. "Als er in der ersten Runde des zweiten Durchgangs als Erster ins Motodrom einbog, erhob sich ein Gebrüll wie bei einem Pokalendspiel." Doch "Bayern Stuck" konnte den Rückstand aus dem "Hinspiel" gegen Gérard Larrousse im Elf 2-Schnitzer BMW aber nur zur Hälfte wettmachen und unterlag dem Franzosen in der Addition beider Läufe mit 24 Sekunden Rückstand.

König von Hockenheim und starke deutsche Fahrer

Ein Jahr nach der empfindlichen Niederlage ist Stuck im badischen Motodrom wieder da, wo ihn die deutschen Fans am liebsten sehen: an der Spitze. Der orangefarbene March-BMW im Jägermeister-Dress und der mit goldenen Sternen besetzte, dunkelblaue Helm werden zum Erfolgssymbol von Hockenheim.

Wichtig für Motorenhersteller: BMW der klassische Vierzylinder behielt die Oberhand vor den ab der Saison 1976 wieder zugelassenen Sechszylindern, angeführt von den 305 PS starken Renault-Gordini in den französischen Martini-Chassis der jungen Gallier Didier Pironi und Patrick Tambay. Peinlich: Die neuen, 322 PS starken  Lancia-Seicilindri in den March von Ron Dennis waren so unzuverlässig, dass noch nicht noch nicht einmal die Qualifikation überstanden.

Wegen dieser Pleite im Team des eigentlich als Motorsport-Perfektionist bekannten Ron Dennis musste der Formel-1-Pilot Jochen Mass in Hockenheim zusehen, wie sich die anderen deutschen Piloten bei ihrem wichtigsten Formel-2-Heimspiel hinter Stuck beachtlich schlugen: Der Kölner Willi Deutsch wurde Gesamtvierter, Harald Ertl im geliehenen March Sechster, gefolgt vom Rennsport-Serien-Meister und Formel-2-Neuling Hans Heyer im goldfarbenen TOJ F201-BMW auf dem siebten Platz.

Heyers Teamkollege in Jörg Obermosers Warsteiner-Eurorace-Mannschaft, Helmut Bross, wurde trotz mehrerer Boxenstopps Elfter. Auch beim zweiten Formel-2-EM-Lauf (Rheinpokal) im Juni bescherte Strietzel Stuck seinem Münchener Arbeitgeber BMW vor den drehfreudigen V6 der Equipe Jaune von Renault einen Sieg. Dennoch: In der Europameisterschaft enterten die Renault-Piloten die ersten vier Plätze, angeführt von Jean-Pierre Jabouille.

Konter von Jochen Mass

Im Jahr darauf wendete sich das Blatt: Jochen Mass, immer noch Formel-1-Pilot im McLaren-Team, steuerte als Gaststarter einen speziellen, nur einmal gebauten Werks-March (Typ 772P), während Publikumsliebling Stuck von BMW-Rennleiter Jochen Neerpasch in einen Ralt des Project Four-Teams umdirigiert wurde.

Ron Dennis setzte im Gegensatz zum V6-Abenteuer im Vorjahr jetzt zwar wieder auf die sichere Vierer-Reihe von BMW. Dennoch fehlte dem orangefarbenen Jägermeister-Einbaum mit der Nummer 1 des Vorjahressiegers Stuck die erwartete Dynamik: "Im Moment geht es einfach nicht schneller", sagte Stuck, der in der Formel 1 erst kurz vor dem Jim-Clark-Rennen das Brabham-Alfa-Cockpit geerbt hatte, mit säuerlicher Miene. Die Bilanz: nur der 19. Gesamtplatz und Pfiffe vom Hockenheimer Publikum.

Neerpaschs Fehlgriff

Stuck motzte nach dem Pleiterennen: "Wenn die Mechaniker so viel an meinem Auto geschraubt hätten, wie sie ihn polierten, hätte ich sicher besser ausgesehen". Aber warum nur schickte der BMW-Sportchef seinen Formel-2-Superstar ins ungewohnte Ralt-Cockpit des Saubermann-Teams von Ron Dennis? "Wir wechselten zu Ralt, weil wir unsere bisherigen Verbindungen zu March nach der letzten Saison auflösen wollten", erklärte Jochen Neerpasch.

Nach vier Jahren gab es Verstimmungen zwischen Bayern und Bicester, dem Sitz von March. Nach zwei erfolgreichen Jahren war zunächst ein französisches Martini-Chassis mit Schnitzer-Motor und dann mit dem Elf2J-Renault gleich ein ganzes Chassis-Motor-Paket aus Frankreich in der Meisterschaft erfolgreicher als die München-March-Connection.

Nie mehr Ralt

Doch der Reinfall mit dem von Ex-Brabham-Konstrukteur Ron Tauranac gebauten Ralt-Chassis bewirkte das Gegenteil: BMW setzte weiter auf March, immerhin der größte Rennwagenhersteller der Welt. 1978 setzte BMW für das Formel-2-Junior-Team wieder auf ein von Robin Herd konstruiertes Auto. Mit Erfolg: Werksfahrer Bruno Giacomelli wurde 1978 unter anderem durch die Punkte für den Sieg beim Jim-Clark-Rennen Europameister wie im Jahr darauf auch Marc Surer.

War der Mass-March in Hockenheim zu leicht?

Doch zurück zum Jim-Clark-Rennen 1977: Jochen Mass entdeckte dort die neue Leichtigkeit. Der 30-jährige gewann so unangestrengt, dass im Fahrerlagergequatsche von einem zu leichten Auto die Rede war - als Mindestgewicht schrieb das Reglement 500 Kilogramm fest.March-Technikguru Robin Herd konterte die bösen Gerüchte mit Wettangeboten um fünfstellige Beträge, was aber niemanden motivierte, einen Protest gegen das auf einem schmalen Formula Atlantic basierende Formel-2-Einzelstück zu platzieren.

Zweiter Hockenheimsieg für Jochen Mass

Mass fuhr als aktueller Formel-1-Pilot wie auch seine Mitstreiter Stuck und Harald Ertl ohnehin nicht um Zähler in der Europameisterschaft - nicht so wie 1973, als der damalige Wahl-Kölner mit einem Surtees-Ford in Hockenheim das Rhein-Pokal-Rennen gewann: Dies war nicht nur der erste Gesamtsieg eines deutschen Fahrers bei einem Formel-2-Rennen im badischen Motodrom, sondern auch der zweite Saisonerfolg von Mass, der ihm letztlich hinter Jean-Pierre Jarier die Vizemeisterschaft bescherte.  Der Franzose war dank  der exklusiven Kombination aus Werks-March und BMW-Kraftwerk unschlagbar.

Stefan Belloff ist neuer Renngott in Hockenheim

1977 zog auch die Formel 1 dauerhaft in Hockenheim ein: Nur wenige Wochen nach der Formel-2-Schmach beim Jim Clark-Rennen jubelten die Zuschauer über den dritten Platz von Strietzel Stuck im Brabham-Alfa Romeo. Fünf lange Jahre dauerte es, sich wieder ein deutscher Pilot anschickte, die beim Jim-Clark-Rennen die heimischen Fans zu begeistern: "Die Formel-2-Welt steht Kopf", vermeldete Bernd Ostmann in der auto, motor und sport und schrieb weiter über einen "deutschen Grünschnabel": "Nie zuvor in der Renn-Geschichte hatte ein Formel 2-Neuling bei seinem ersten Start gleich gewonnen." Dieser Grünschnabel hieß Stefan Bellof.

Motodrom in Schwarz, Rot, Gold

Bellofs erster Sieg beim Saisonauftakt in Silverstone weckte große Hoffnungen für das Jim-Clark-Rennen. Noch dazu fuhr der 24-jährige Gießener mit dem Maurer MM82 ein deutsches Auto, das "von einem deutschsprachigen Konstrukteur gezeichnet und von einem deutschen Motor angetrieben" wurde, betonte Michael Bernard in sport-auto. Konstrukteur des schwarzen Flügelautos war Gustav Brunner, der Motor stammte von BMW, der von Max Heidegger in Liechtenstein präpariert wurde. Angeblich leistete der Vierzylinder mit dem internen BMW-Kürzel M12/7B im Trimm aus dem Fürstentum satte 325 PS.

Wie gewonnen so zerronnen

Der junge Karosseriebauer aus Hessen gewann auch das Jim-Clark-Rennen und schraubte damit die Rekordmarke weiter nach oben. Der Formel-3-Meister Frank Jelinski, noch ein Jahr jünger als die neue deutsche Hoffnung Bellof, wurde in einem von Bertram Schäfer eingesetzten Maurer-BMW von Startplatz 16 noch Achter, während Christian Danner im March-BMW seine dritte Startposition nicht nutzen konnte, weil er in der ersten Runde ausfiel. Trotz Bellofs verheißungsvollem Auftakt blieb dem Maurer-Piloten am Ende aber nur der vierten Rang in der Meisterschaft.

Stefan Bellof mit Pech

Das Jim-Clark-Rennen nur ein Jahr nach Stefan Bellofs Triumphfahrt in Hockenheim wurde zum Desaster. Teamchef Willy Maurer stritt sich mit Motorentuner Heidegger über eine ausstehende Motorenzahlung, beim zweiten Saisonlauf in Hockenheim entlud sich dieser Zwist in der Beschlagnahmung der aktuellen drei Aggregate.

Maurer ließ daraufhin per Eiltransport jenes Motorentrio nach Hockenheim bringen, das sein Schützling Bellof im Jahr zuvor als BMW-Mitgift bekommen hatte. Doch ein fehlendes Zeittraining, Motoraussetzer und ein Getriebeproblem direkt vor dem Start sorgten für eine Blamage vor heimischen Publikum, das sich stattdessen für den Zweitplatzierten Christian Danner im March-BMW begeisterte.

Von der Formel 2 zur Formel 3000

Während Bellof zunächst als Porsche-Werksfahrer in der Langstrecken-Weltmeisterschaft und dann als Formel-1-Pilot bei Tyrrell für Aufsehen sorgte, ruhten die Hoffnungen der deutschen Fans allein auf dem heutigen Formel-1-Kommentator. Die Finalsaison der Formel 2 lief durchwachsen: In Hockenheim schaffte dem Münchener zum Beispiel nach einem Schaden am BMW-Vierzylinder im Training noch den sechsten Platz im Rennen und damit einen EM-Punkt – am Saisonende wurde er als bester March-BMW-Pilot Gesamtfünfter vor Emanuele Pirro. Dafür feierte Christan Danner in der ersten Saison der Formel 3000, die die Formel 2 ablöste, mit dem Meistertitel den größten Erfolg seiner Rennkarriere.

Ausblick auf den Formel-2-Erben

Doch in Hockenheim waren die Formel-3000-Boliden zum ersten Mal 1990 zu erleben: Im Rahmen des Großen Preises von Deutschland wurde ein Meisterschaftslauf ausgetragen, den Eddie Irvine im Reynard-Mugen Honda aus dem Team von Eddie Jordan gewann; Irvine war übrigens Teamkollege von Heinz-Harald Frentzen, der in Hockenheim hinter Karl Wendlinger Sechster wurde. Aber die Formel 3000 im Rahmen der Königsklasse entwickelte nicht mehr die Begeisterung wie es die Formel 2 vor allem auf dem Hockenheimring geschafft hatte.

Stolze Hockenheim-Bilanz von BMW

In der glanzvollen Zweiliter-Ära der Formel 2 von 1972 bis 1984 waren die BMW-Vierzylinder die erfolgreichsten Antreiber: Bei neun von 13 Jim-Clark-Rennen in dieser Zeit stammte der Motor zumindest als  Basis aus München. Sieben Mal siegten Fahrer mit Werksmotoren und je einmal mit von Max Heidegger (1982) und Schnitzer (1975) präparierten Motoren.

Die 1,6-Liter-Ära dominierten dagegen die Ford-Motoren: Alle fünf Formel-2-Rennen um die Deutschland Trophäe waren eine sichere Beute der aus England stammenden Vierzylinder. Dabei sollte aber nicht der Erfolg von Hubert Hahne unterschlagen werden, der beim ersten Jim-Clark-Rennen 1969 mit dem BMW-Werksauto auf Lola-Chassis als Gesamtzweiter bester punktberechtigter Fahrer war.