Goodwood Revival Meeting

Silber-Politur

Insgesamt 10 Silberpfeile von Auto Union und Mercedes-Benz waren das Glanzlicht des Goodwood Revival Meetings 2012. Der gemeinsame Auftritt dieser GP-Wagen aus den 30ern bleibt ein einmaliges Ereignis.

Goodwood Revival Meeting, Start, Cobra-Rennen Foto: Arturo Rivas 25 Bilder

Ganz Großbritannien kennt in diesen Tagen eigentlich nur ein Thema: die von einem Paparazzi geschossenen Oben-ohne-Fotos der Herzogin von Cambridge - fast. In der Grafschaft Surrey nämlich, genauer: im County West Sussex, inszeniert der Earl of March and Kinrara vor 146.000 Zuschauern eine wahre Sensation - den großen Auftritt der deutschen Silberpfeile beim Goodwood Revival Meeting.

Vor 75 Jahren ein Kulturschock - heute ein Kulturereignis erster Klasse

Anlass für die größte Silberpfeil-Versammlung nach deren aktiver Zeit ist der erste Einsatz der deutschen Grand-Prix-Rennwagen in England vor genau 75 Jahren. Dass dieses Jubiläum nicht am authentischen Ort in Donington, sondern im rund 300 Kilometer südlich gelegenen Goodwood gefeiert wird, ist das Ergebnis eines geschickten Schachzugs des adeligen Hausherrn.

Bereits im Januar verschickte seine Organisation eine Ankündigung des einmaligen Zusammentreffens einer so großen Zahl von Silberpfeilen beim Goodwood Revival Meeting, dass die Traditionsabteilungen beider deutschen Hersteller gar nicht anders konnten, als ihre Rennwagen gemeinsam ins nostalgische Fahrerlager der 1948 eröffneten Rennstrecke zu schicken.

Lord March, Organisator des Goodwood Revival Meeting, sowie der englische Motorsporthistoriker und Journalist Doug Nye als dessen Berater dankten mit einer authentisch nachgebauten Kulisse: der Boxenanlage des Grand Prix der Schweiz im Jahr 1938. "Davon existiert ein Foto von George Monkhouse, welches sich bestens als Vorlage eignete", erläutert Nye. Im Nebeneffekt sponsert eine Schweizer Bank den effektvollen Auftritt der Silberpfeile in eidgenössischer Kulisse.

Die Inszenierung der neun Monoposti in den halbdunklen Garagen weckt Erinnerungen bei Zeitzeugen. So auch BBC-Kommentatoren-Legende Murray Walker, der die Silberpfeil-Premiere in seiner Heimat zusammen mit 60.000 Zuschauern als 14-jähriger Schüler in Donington erlebte. "Nie zuvor war bei uns eine so große Menschenmenge zu einem Rennen gekommen", erinnert sich der heute 89-Jährige während des Goodwood Revival Meetings. "Als wir die Autos zum ersten Mal fahren sahen, war das ein gigantischer Kulturschock."

Die Luft bebte vom brüllenden Motorenklang

Die deutschen Grand-Prix-Wagen waren schneller als alles, was jemals zuvor auf englischen Rennstrecken zu sehen war. Dazu kam das laute Motorgeräusch: "Die Luft bebte vom brüllenden Klang der acht deutschen Autos", schrieb der Berichterstatter des britischen Fachmagazins "The Motor" 1938.

Der Klang der Auto Union Typ A (1934), C (1937) und D (1938/39) sowie der Mercedes W 25 (1934), W 125 (1937), W 154 (1939) und W 165 (1939) begeistert die Zuschauer auch beim Goodwood Revival Meeting: Beim Warmlaufen der Motoren bilden sich Menschentrauben. Doch den Geschwindigkeitsüberschuss können die bis zu 600 PS starken Einsitzer bei den Demo-Runden nicht zeigen, zu wertvoll sind die Preziosen.

Wie es aussieht, wenn Grand-Prix-Wagen der dreißiger Jahre im vollen Renntempo unterwegs sind, führen die Piloten mit den ERA, Alfa Romeo, Maserati und Bugatti im Rennen um die Goodwood Trophy vor. Mit Durchschnittsgeschwindigkeiten jenseits von 150 km/h jagen sie um die Strecke, wobei die ERA von den Silberpfeilen den Staffelstab als deutlich überlegene Autos übernommen haben.

Der Journalist Mark Gillies gewinnt mit zwölf Sekunden Vorsprung in jenem ERA A-Type, mit dem Firmengründer Raymond Mays 1935 beim Eifelrennen und zwei Jahre später der englische Privatfahrer Charlie Martin beim AVUS-Rennen erfolgreich waren. Es folgen noch fünf weitere Kompressor-Rennwagen der ersten englischen Monoposto-Manufaktur.

"Diese Autos sind seit 70 Jahren immer weiter entwickelt worden", weiß Dr. Klaus Lehr, der mit seinem 260 PS starken Maserati 4CLT/48 angetreten ist. Der Weinheimer wird Zehnter, während sein Teamkollege Rainer Ott mit Getriebeschaden ausscheidet. Doch die beiden Deutschen möchten mit den Maserati auch im kommenden Jahr beim Goodwood Revival Meeting antreten. Lehr betont: "Unsere Autos waren damals die großen Konkurrenten der ERA."

Max Werner jubelt

Auch für die zwei- und viersitzigen Rennwagen der Zwanziger und Dreißiger bittet Gastgeber Lord March in diesem Jahr nach einer Pause wieder zum Rennen. Dabei liefert sich der Düsseldorfer Max Werner im Alfa Romeo 8C 2300 Monza seines Vaters ein beherztes Duell mit dem Engländer Gareth Burnett im Talbot AV 105, muss sich zuvor sogar nach einer leichten Startkarambolage vom achten Platz ins Spitzenfeld zurückkämpfen. Werner gewinnt mit Sekundenbruchteilen Vorsprung und lässt sich auf der Ehrenrunde von den begeisterten Zuschauern des Goodwood Revival Meetings feiern.

Werner kommentiert mit einem Schmunzeln: "Es ist schon toll, was man hier mit einem Auto erreichen kann, mit dem ich auf der Straße von Düsseldorf hergekommen bin." Der 30-Jährige, der nur mit kleinem Gepäck auf Achse angereist ist, wird obendrein am Ende zum Fahrer des Goodwood Revival Meetings gekürt.

Dan Gurney wird umjubelt

Den größten Bahnhof bereitet Lord March der US-amerikanischen Rennlegende Dan Gurney, der mit seiner aus Deutschland stammenden Frau Evi zum Goodwood Revival Meeting gekommen ist. March, Jahrgang 1955, ist ein großer Fan des heute 81 Jahre alten Gurney, der vor genau 50 Jahren im Porsche 804 seinen ersten Formel-1-Erfolg feierte. Rund um den letzten Grand-Prix-Siegerwagen eines deutschen Herstellers haben die Goodwood-Organisatoren über 20 der Autos versammelt, mit denen Gurney in seiner Karriere gefahren ist.

Weil er nicht mehr selbst fahren kann, steuern einige seiner ehemaligen Fahrerkollegen die Autos für die Paraderunden beim Goodwood Revival Meeting. Den Porsche, Gurneys Erfolgsauto mit der Chassisnummer 1, steuert der dreifache Weltmeister Sir Jackie Stewart: Der Schotte ist von dem Porsche begeistert: "Ein sehr schönes Auto, das gut und gern einen Sieg mehr verdient hätte", meint er beim Aussteigen. Nur gut, dass es noch Interessanteres gibt als aufgebauschte Fotos in der Boulevardpresse.

Alle Gesamtsieger des Goodwood Revival Meetings 2012

14. bis 16. September 2012, Goodwood Circuit (3,81 km)

  • Rennsportwagen 1952 – 1955: Young/Buncombe (GB/GB) Jaguar C-Type (1952)
  • GP-Wagen bis 1950: Mark Gillies (USA) ERA A-type R3A (1934)
  • GT 1964 – 1966: Martin Stretton (GB) Lotus Elan Coupé (1964)
  • Tourenwagen 1950 - 1959 (1): Rob Huff (GB) Austin A40 (1959)
  • Tourenwagen 1950 - 1959 (2): Grant Williams (GB) Jaguar Mk1 (1959)
  • Shelby Cup: Wolfe/Hall (GB) AC Cobra (1962)
  • Sport-Prototypen bis 1966: Gary Pearson (GB) Lola T70 Spider-Chevrolet
  • Formel Junior bis 1960: Joe Colasacco (USA) Stanguellini-Fiat (1959)
  • Rennsportwagen bis 1938: Max Werner (D) Alfa Romeo 8C 2300 (1933)
  • F1 und Intercontinental 1954 – 1961: Alistair McCaig (GB) Cooper T53-Climax (1960)
  • RAC TT (GT 1960 - 1964): Newey/Brundle (GB/GB) Jaguar E-Type (1963)
  • F1 und Tasman 1961 – 1965: Andy Middlehurst (GB) Lotus 25-Climax (1962)
  • Rennsportwagen 1955 – 1960: Julian Majzub (GB) Sadler Mk3-Chevrolet (1958)
  • Fahrer des Meetings: Max Werner (D)