Paul Pietsch Classic 2013 - Facebook-Follower

Sportwagen mit 8 Sitzen

Die Ausgangssituation scheint ungünstig: 3 Tonnen vollbesetzter Bus treffen auf einen Zweiliter-Vierzylinder-Benziner mit 80 PS. Doch die Querdynamik überzeugte - und überraschte Flügeltürer-Piloten und gestandene Rallyefahrer.

Paul Pietsch Classic 2013, Tag 2, Mercedes-Bus, mokla 0613 Foto: Kai Klauder 38 Bilder

Das Faszinierendste an diesem Tag war Willy, unser treuer Mercedes O319 von 1963, der mit 8 Personen an Bord zeigte, welch Dynamik ein 60 Jahre alter und rund 3 Tonnen schwerer Bus mit 80 PS entwickeln kann, wenn ein echter Könner den Wagen steuert. Und genau der saß mit Dominic Müller am flach liegenden Lenkrad im LKW-Format. Im Fond machten es sich 6 Facebook-Follower von www.facebook.com/motorklassik bequem, die sich für die Mitfahrt beworben hatten. Sie durften eine Etappe der Paul Pietsch Classic 201 kostenlos mitfahren - und erlebten einen Tag i m 8-sitzigen Sportwagen Mercedes-Benz O319.

Dominic Müller, Besitzer des Hotel Ritter in Durbach und eingefleischter Oldtimerfan, kaufte den ehemaligen Feuerwehr-Mannschaftsbus vor Jahren, ließ ihn restaurieren und den Innenraum etwas modifiziert aufbauen. 6 Drehsitze und ein Konferenztisch machen den Fensterbus mit riesigem Schiebedach zum Eventgefährt.

Auf den Sitzen, die jede Sportlichkeit durch Komfort ersetzen, nehmen zum Start der 2. Etappe der Paul Pietsch Classic 6 Facebook-Follower von Motor Klassik Platz.

600 km Anreise im 54 PS-Golf-Hotel

Die weiteste Anreise hatten Leon Gass und Tommy Stricker: "Wir sind gestern um halb Zwei losgefahren und waren dann nach viel Verkehr und Stau u etwa zehn hier in Offenburg", erzählen die beiden 19-jährigen. "Übernachtet haben wir im Auto - zum Glück ist in meinem Golf II viel Platz", sagt Leon. Mit ihrem Auto hätten sie sogar an der Paul Pietsch Classic teilnehmen können: ein Golf II von 1991 mit 54 PS.

Später, beim Anblick des Schwarzwaldes von den Serpentinen aus, ist Leon überwältigt: "Das ist ja unglaublich. Ich werde wohl weinen, wenn ich wieder in Celle bin- bei uns ist ja alles so flach im Norden - außer den Frauen."

Leon hat Tommy Stricker mitgebracht: "Der Leon stand einfach vor der Tür und hat gefragt, ob ich mitkommen. Und na klar, da war ich sofort dabei", freut sich Tommy, der sich als guter Beifahrer und Navigator herausstellt.

Willi zeigt Rallyeprofis, was Querdynamik ist

Am Steuer überzeugt Dominic Müller mit einem sportlichen, aber perfekt runden Fahrstil: "Ich muss immer so viel Schwung wie möglich mit aus der Kurve nehmen", erklärt Müller seine erfolgreiche Strategie, die auch ausgebuffte Rallyeprofis wie Markus Winkelhock und Rauno Aaltonen anerkennende Blicke werfen lässt.

"Der  Bus heißt übrigens Willi", hat Dominic heute Morgen seinen Fensterbus vorgestellt. Die beiden haben schon viele Kilometer abgespult, der Ton zwischen ihnen ist wie bei einem alten Ehepaar: "Jetzt komm schon, Willi, lass dich nicht so bitten" feuert Dominic den Mercedes O319 von 1963 an, wenn die Straße steiler wird, was im Schwarzwald naturgemäß des Öfteren vorkommt. Wenn es dann mal freien Auslauf gibt, bleibt der Hotelbesitzer auf dem Gas. "110 km/h, wir können gleich überholen!", schreit er dann nach hinten in die Kabine- Dazu muss gesagt werden, dass der Tacho bis 100 reicht - und bestimmt ein oder 2 km/h vorrennt. Kurz vor dem Zieleinlauf kommt dann das große Lob: "Also der Willi läuft heute wieder mal - das ist ein Träumchen."

Ein Träumchen ist auch die Bordversorgung durch Alexander Danner. Schon bei der ersten kleinen Pause mischt er für die Facebook-Teilnehmer einen Exotonic. "Das ist ein spezieller Wein von mir, aufgefüllt mit Tonic, auf reichlich Eis und mit einem Blatt Minze", erklärt der Winzer aus Familientradition seit 1640. Alle sind sich einig: Sein Exotonic ist ein ideales Erfrischungsgetränk für heiße Tage wie diesen.

Danner beweist auch im Rallyegeschehen seine Winzerqualitäten - und sein feines Näschen: "Ich kann schon den Angstschweiß von dem Bulli riechen." Der VW Bus fährt einige Plätze vor uns und weckt den Ehrgeiz des O319-Teams. "Wir kommen immer näher." und  "Wer trinken kann, muss auch Kurven vertragen", sind die Ansage für die nächsten Kilometer.

Für gute Laune sorgt Dominic Müller auch, als er zwei Radfahrer, die gerade Pause machen, fragt: "Sagen Sie mal: Nach Verona, sind wir da richtig? Weil da haben wir heute Abend Proben für die Opernfestspiele" Verdutzte Gesichter verwandeln sich nach 3 Sekunden in schallendes Gelächter. Wackelnd vor Lachen rollet der O319 weiter.

Porsche-Fahrer lobt das Bus-Fahrwerk

Gerade in den engen Serpentinen kann der 60 Jahre alte Mercedes-Bus voll überzeugen. "Das ist echt ein irres Fahrwerk für so 'nen alten Bock" lobt Bernhard Müller. Er kennt sich mit sportlichen Autos aus, bewegt er doch gleich zwei Zuffenhausener Fahrzeuge. "Ich bin wirklich autoverrückt, mein Spielzeug ist ein 997, und das Auto für den Hundetransport ist ein Cayenne."

Plötzlich ruft Alexander Danner von vorne: "Endlich haben wir wieder 3G, jetzt geht wieder was - los schnell, alle Bilder posten." Die Finger klimpern auf den Smartphones und sofern das Netz hält, landen auch die Nachrichten und Bilder im  Facebook- Orkus.

Hinter dem Bus schwänzelt derweil ein Rennprofi mit seinem Opel Kapitän: Jockel Winkelhock. "Ach der Winkelhock, der muss doch begeistert sein von meiner Linie", freut sich Dominic Müller und fährt kurz rechts ran. "Der darf uns ausnahmsweise überholen. Wir bleiben aber dran" - Dominic gibt dem O319 wieder die Sporen.

"Das ist schon beeindruckend, was so ein Bus mit 80 PS leistet", sagt auch Holger Schulz, der sich um 6.00 Uhr in Klettgau bei Waldshut/Tiengen auf den Weg zur Paul Pietsch Classic gemacht hat. Das Team komplett macht Christian Roth aus Durbach, der sich in der Region sehr gut auskennt und der mit seinem Streckenwissen die ein oder andere Unklarheit beseitigen kann. Er fuhr lange einen 1977er Mini.

Durchwachsene Ergebnis bei Wertungsprüfungen

Bei der ersten WP des Tages überzeugen wir: Nur 5 Hundertstel Abweichung bedeuten Platz 6, bei der zweiten WP holen wir Platz 22, doch dann geschieht es. Auch wir kommen nach der Doppel-WP Unterwasser in ebensolches und fahren direkt bei der nächsten Kreuzung falsch ab. Bis uns nach rund 3 km Serpentinen ein Wagen entgegen kommt. Alle werden kurz unruhig, dann steht fest: wir müssen umdrehen. Auf dem Rückweg kommt uns noch ein 300 SL entgegen - immerhin, wir sind nicht die einzigen, wie auch später die Ergebnisse zeigen sollten. Mit 13 weiteren Teams liegen wir mit 1.000 Strafpunkten auf Rang 79. In der letzten WP sammeln wir nochmals 198 Strafpunkte und damit Platz 85. Am Ende des Tages finden wir uns auf Rang 81 wieder.

Resümee der Facebook-Follower

Doch abseits der Wertungsprüfungen ziehen alle Teilnehmer ein klares Resümee: "Ich hab als Fahrer nix zu beklagen", sagt Dominic Müller, "und dass wir auch noch einen Winzer dabei hatten, hat dem Ganzen noch etwas Spirit gegeben." Der Flachländer Leon Gass ist noch etwas von dem Schwarzwaldabenteuer geschockt: "Das war wirklich supergeil. Zum 1. Mal bei einer Rallye dabei und das hat richtig Laune gebracht." Auch sein Freund Tommy Stricker bereut die lange Anfahrt nicht: "Das war echt spitze, und nachdem ich mich reingefunden hab' in das Roadbook und die Chinesenzeichen, war das ganz simpel."

"Ein faszinierendes Erlebnis, dabei zu sein, solche schönen Strecken zu fahren und das fehlerlose Roadbook zu lesen, hat mächtig Spaß gemacht", sagt Holger Schulz. Auch der Karlsruher Bernhard Müller ist zufrieden: "Die Fahrt war absolut faszinierend, ein großes Glück, in dieser guten Gruppe mitzufahren und den Schwarzwald zu erleben."

Sogar der Lokalmatador Christian Roth aus Durbach konnte neue Strecken entdecken: "Ich konnte mir gar nicht vorstellen, solche Wege hier in der Gegend zu finden. Denn eigentlich kenne ich mich gut aus hier. Und dann auch noch die geniale Fahrweise vom Dominic - einfach super." Der zweite Durbacher, Alexander Danner, fasst den Tag so zusammen: "Unbeschreiblich, Adrenalin, Spaß, überwältigendes Erlebnis."

Für alle, die so eine Fahrt im Mercedes O319 auch mal erleben möchten, bietet Dominic Müller Ausfahrten und Oldtimer-Erlebniswochenenden an. Mehr Informationen gibt es auf der Internetseite des Hotel Ritter.