Rally Legend im VW Golf

Golf-Sport in San Marino

Rallye Legend im italienischen San Marino – drei Tage Ausnahmezustand für Rallye-Oldies und 80.000 Fans. Motor Klassik war in einem 225 PS starkem Rallye VW-Golf II aus dem Jahr 1987 aktiv dabei.

VW Golf, Rennszene Foto: Arturo Rivas 25 Bilder

Unser erstes Rendezvous fand in Buxtehude statt – auf dem Erstering, einer Rallye-Cross-Piste bei Hamburg. Für den VW Golf II aus dem Jahr 1987 im Gruppe H-Trimm war es fast ein Heimspiel, war er doch in der schwedischen Rallye-Cross-Meisterschaft aktiv.
Für seine zweite Karriere bekam der Golf einen Beifahrersitz spendiert. Dazu das Kennzeichen "WOB-DW 89", das schon 1987 ein Werksauto getragen hatte. Obendrein gab es den Look des Bandama-Einsatzautos.

Auf der Rallye-Cross-Piste fühlte sich der VW Golf II trotzdem recht wohl. Ich gewöhnte mich schnell an das Fünfgang-Dogbox-Getriebe, das der schwedische Tuner Sellholm umgebaut und verstärkt hat. Statt des 1,8-Liter-Motors aus dem GTi arbeitet hier ein Zweiliter-Vierzylinder. Seine 225 PS werden über eine Lamellensperre an die beiden Vorderräder gereicht. Auf Asphalt verlangt der Golf nach einer starken Hand, da zerrt er schon heftig in der Lenkung. Auf Schotter geht es leichter dahin. Stehen engere Biegungen an, hat der Chauffeur die Chance, mit der Handbremse etwas nachzuhelfen. Man stellt den Golf etwas an und ruckt am Handbremshebel, der hoch neben dem Schalthebel aufragt. Stimmt das Timing, braucht man am Volant gar nicht zu drehen, sondern nur am Gas zu bleiben.

Wir probierten einige Härtestufen an den hinteren Stoßdämpfern. Und entscheiden dann, dass der VW Golf II für seine zweite Karriere, den Einsatz bei der Rallye San Marino, härtere Federn bekommen soll. Als ich dann Per Eklunds Pierburg-Golf in San Marino im Fahrerlager sah, wurde mir klar: Unser Auto steht viel zu hoch. Nach der ersten Probe-Prüfung auf welligem Asphalt mit etwas Schotter, aber viel Dreck durch die vielen Abkürzer über die Wiese, änderte ich meine Meinung: Vielleicht ist ein höheres Auto hier gar nicht so schlecht.

Rutschpartie bei der Rallye Legend

Hatten sich die Pirelli-Regenreifen beim Vormittagtest noch als recht gut erwiesen, so war am Abend beim Start plötzlich alles anders. Schon auf dem Weg zum Prolog zweifelte ich an der Reifenwahl für den VW Golf II. Auf der zweispurigen Auffahrt nach San Marino hatten wir null Traktion. Und damit waren wir nicht allein: Rallye-Champ Markku Alen pilotierte einen Lancia 037 und meinte: "Ich hab mich wirklich erschrocken. Ich hatte nur durchdrehende Räder, egal in welchem Gang."

Ich stellte mich auf eine üble Rutschpartie ein. Aber es kam schlimmer. Die Räder des VW Golf II drehten haltlos durch. Statt der möglichen 8.000 Touren drückte ich den nächsten Gang schon bei 5.000 rein. Was nicht wirklich half. Und war die Fuhre dann erst einmal in Fahrt, war es entsprechend schwer, sie wieder einzubremsen.

Im Cockpit des VW Golf II macht sich schon so etwas wie Verzweiflung breit. Nicht allein bei mir, sondern auch bei meinem Copiloten Peter Thul. Im Ziel angekommen, stand Per Eklund noch an der Kontrolle. Und Peter meinte: "Wir haben aufgeholt. Der Zeitenvergleich machte klar: Wir waren nicht so schlecht über das glitschige Parkett geschliddert – und hatten dem Großmeister zwölf Sekunden abgenommen.

VW Golf II mit gebrochener Antriebswelle

Am nächsten Tag sollte es richtig Ernst werden. Eine Etappe bei Tag, eine zweite bei Nacht. Entgegen der Wetterprognose wurde der Regen nicht weniger, sondern heftiger.

Und auf der zweiten Prüfung gab es gleich ein Aha-Erlebnis: Im Ziel brannte es unter dem VW Golf II. Ich konnte die Flammen  durch die Löcher im Bodenblech sehen. Also Vollgas zum Service. Etwas Hektik. Aber das Problem war schnell erkannt. Der Handbremshebel hatte auf der Prüfung etwas gelitten, stand weit nach vorn geneigt. Und aus dem kleinen Bremszylinder war Bremsflüssigkeit nicht nur in den Innenraum, sondern auch auf den Auspuff getropft – und hatte sich entzündet. Es dauerte nur Minuten, dann war der Bremszylinder abgedichtet – weiter ging es zur nächsten Prüfung.

War der Samstag verregnet, so schien Sonntag die Sonne – und es war nur noch feucht. Zeit für leicht geschnittene Slicks und eine ordentliche Portion Motivation. Die war aber schon nach wenigen Metern dahin. Es ging zügig in eine kleine Ortschaft, gewürzt mit einer Schikane, die elegant in einen Rechts-Abzweig führte. So stand es im Aufschrieb, so hatte es Peter vorgelesen. Aber Pilot und VW Golf II strömten hurtig weiter. Rückwärtsgang rein. Wut im Bauch. Und gleich hinein in den nächsten Fehler. Ein schmaler Weg mündet in eine Hauptstraße. Peter warnt: "Keine Handbremse, weit ausholen."

Der VW Golf II kommt mit viel Schwung um die Ecke – und schliddert ins nächste Problem. Die Hauptstraße ist zweigeteilt, und wir strömen in Richtung Gegenfahrbahn – direkt vor ein Sperrband und ein Zuschauerspalier. Also erneut in den Rückwärtsgang. Und bei mir reift die Erkenntnis: Wenn man attackiert, sollte man die Schlüsselstellen intensiver trainieren. Auf der letzten Prüfung kollabiert eine Antriebswelle. Aber wir kommen aus der Prüfung, rollen ins Ziel und schaffen es auch über die Rampe. Der Golf II hat sein erstes Rallye-Abenteuer mit Bravour gemeistert.