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Rallye San Marino

Rallyefahren im VW Golf G60

Vom Schotter geht es auf Asphalt. Eine "Links eins" bergauf. Ein schmaler Weg, welliger, rissiger Asphalt. Erster Gang - und dann der Schreck: Da ist keine Straße, da sind nur Menschen - alle mit Handykameras, einer schwenkt eine Fahne. Runter vom Gas? Aber die Menschentraube spritzt im richtigen Moment auseinander.

Rallyelegend San Marino, Golf G60, Bernd Ostmann, Frank Christian Foto: Arturo Rivas 18 Bilder

80.000 Fans auf einem einzigen Berg - das ist die Rallye San Marino. Manchmal geraten sie etwas in Wallung. Aber der Veranstalter hat alles im Griff, schickt sofort ein paar Ordner und bringt die Menge zurück hinter die Absperrungen.

Reise in die Vergangenheit

Ich bin unterwegs in einem VW Golf G60 Baujahr 1989. Für mich ist es so etwas wie eine Reise in die Vergangenheit. 1987 - noch bevor der G60 in Serie ging - bin ich zusammen mit Jochi Kleint, Kris Nissen und Jean- Marie Carron auf dem VW-Versuchsgelände in Ehra-Lessin im Golf G60 auf Weltrekord-Jagd gewesen. Die Rekorde über zwölf und 24 Stunden stehen heute immer noch.

Ging es damals um pure Geschwindigkeit, so sind in San Marino 2013 Wendigkeit und Sprinterqualität gefragt. Der VW Golf G60 leistet 230 PS. In seinen besten Tagen waren es auch schon mal 280 PS, aber dafür zerbröselten die Lader recht schnell. 1.100 Kilogramm schwer, schiebt der Golf dank Allradantrieb recht hurtig an. Das kurz abgestufte Sechsgang-Getriebe hat seinen Anteil daran. Die Schaltung ist knackig, die Wege kurz. Die Gänge werden übrigens über einen hoch aufragenden Schalthebel sortiert, der ergonomisch optimal passt, damals aber nicht zum Equipment zählte.

Viskokupplung mit Überraschungsmoment

Serienmäßig ist der VW Golf G60-Allradantrieb mit Lamellensperre vorn und einer Viskokupplung, die im Bedarfsfall die Kraft nach hinten leitet. Drohen die Vorderräder durchzudrehen, so reagiert die Viskokupplung allerdings etwas zeitversetzt. Das Resultat: Der G60 kommt plötzlich ins Übersteuern. Deshalb hat man dem G60 an der Hinterachse später auch einen starren Durchtrieb spendiert.

Vorsicht ist also angesagt. Speziell, wenn man die Reaktionen des Allradantriebs in Kombination mit der Lenkung sieht. Die ist für die winkligen Pisten in San Marino nicht wirklich geeignet. Sie ist indirekt und gibt beim Einlenken viel zu wenig Rückmeldung über das Grip-Niveau. In den engen San-Marino-Kehren fährt man sich einen Knoten in die Arme. Beim Fronttriebler kann man durch Einlenken mit der Handbremse nachhelfen, der Allradler zeigt sich da eher unwillig. Dafür zeigt der VW Golf G60 über die Sprungkuppen der San Marino recht passable Flugeigenschaften, landet sanft und gut kontrollierbar.

VW Golf G60 mit Launchcontrol

Für Superstarts hat man dem VW Golf G60 nachträglich sogar einen Knopf am Lenkrad installiert: eine Launchcontrol. Aber die kommt nicht zum Einsatz. Denn plötzlich lassen sich die Gänge nur noch schwer reinwürgen. Im Ziel der Prüfung ist klar: Die Kupplung ist am Ende. Die Mechaniker starten ein Notprogramm. Sie entlüften die Kupplung und geben ihr noch etwas mehr Weg. Wir wollen die Rallye so zu Ende fahren. Vorsicht ist da angesagt.

Am Start gibt es also keine Gewaltaktionen und Drehzahlorgien. In der nächsten Sonderprüfung dann die nächsten Aha-Momente: Das Gaspedal bleibt zweimal auf Vollgas hängen. Die Mechaniker modifizieren den Anschlag - und weiter geht's. Dann kollabiert die Schaltung, glücklicherweise auf einer Verbindungsetappe. Die Mechaniker sind schnell zur Stelle, haben auch das passende Ersatzteil im Sortiment.

Der VW Golf G60 hat in seiner aktiven Zeit einen dritten Platz bei der Neuseeland-Rallye 1990 erreicht. Im gleichen Jahr gewann er mit Erwin Weber die Deutsche Rallye-Meisterschaft. Aber man merkt in San Marino, welche Sympathie die Fans dem G60 entgegenbringen. Unter all den Lancias ist der Volkswagen der gefeierte Exot.