Defekte an Autoradio-Kassettendecks

Wenn die Musik leiert

Das höchste Glück vieler Youngtimer-Besitzer ist ein zeitgenössisches Radio – natürlich mit Kassettenteil. Doch letzteres bringt oft mehr Frust als Lust.

Autoradio-Kassettendecks, Reparatur, Kassettenteil Foto: Fact 10 Bilder

Mit der Wunschmusik im Auto unterwegs, diese Möglichkeit boten ganz früher portable Schallplattenspieler und ab den Sechzigerjahren Geräte zum Abspielen sogenannter Compact Cassetten. Bis heute legendär ist der Trendsetter 3300 von Philips, ein batteriebetriebenes Kassettengerät, für das es eine Autohalterung gab, das aber für jüngere Musikfans unbezahlbar war. Mit der Zeit wurden die Geräte erschwinglicher. Mancher, der damals einen der heutigen Youngtimer fuhr, erinnert sich vielleicht noch daran, dass er mit einem einfachen nachgerüsteten Gelhard-Kassettendeck und zwei Kugellautsprechern im Vergleich zum eingebauten Mono-Radio mit Lautsprecher im Armaturenbrett ein musikalisches Inferno auslöste.

Wilde Zeiten mit Blamage-Risiko

Schon damals war es beim Durchqueren von Ortschaften cool, das Seitenfenster herunterzukurbeln, den Ellbogen des angewinkelten linken Arms ins Freie zu schieben und ihn dann lässig auf der Tür abzustützen, während heiße und laute Rockmusik aus dem Radio dröhnte.

Doch so richtig fetzige Musik wurde in jener Zeit nur selten im Radio gespielt - und wenn, bestand immer die Gefahr, dass nach einem rockigen Song gleich wieder Roy Black oder Peter Alexander lief. Wer dann nicht schnell genug sein Fenster zubekam oder die Lautstärke herunterregelte, blamierte sich unsterblich.

Kassettendecks, die mit selbst aufgenommenen oder gekauften Kassetten gefüttert wurden, sorgten in dieser Beziehung für Entspannung. Doch liefen die Geräte im Dauerbetrieb, ergaben sich ganz andere Probleme: Die Musikmacher begannen zu leiern, Mick Jagger schien immer wieder in den Gesang eines Muezzins zu wechseln, und der Super-GAU war dann der Bandsalat bei der Lieblingskassette.

Probleme mit Ersatzteilnachschub

Wer heute einen Youngtimer mit einem zeitgenössischen Kassettendeck oder einem Autoradio mit integriertem Kassettendeck besitzt oder eines der Geräte nachrüsten möchte, muss mit ähnlichen und weiteren Problemen rechnen.

Zwar gibt es diverse Spezialisten für die Reparatur auftretender Schäden, "doch das große Problem ist die schlechte Ersatzteillage", bringt es Jörg Wagner von Autoradio Wagner in Leverkusen auf den Punkt. Speziell für ältere japanische Geräte, die einst zu Hightech-Vorreitern unter den Kassettenrekordern zählten, sieht die Lage heute düster aus.

Teilenachfertigungen für alte Kassettengeräte lohnen sich nicht. Wer seltene Neuteile aus Altbeständen ergattert, kann sich nur bedingt freuen. "Es würde sich doch heute niemand einen 30 Jahre alten Reifen montieren, weil er wie neu aussieht", erklärt Wagner das Dilemma.

Gealterte Neuteile

Denn Kunststoffteile wie Zwischenräder oder Gummiteile wie die Antriebsriemen und die Bandandruckrolle härten natürlich mit der Zeit aus oder werden brüchig.

Im Falle der Riemen macht Wagner noch auf eine Besonderheit aufmerksam: "Die Riemen laufen über ein großes und ein kleines Keilriemenrad. Wenn ein Kassettengerät längere Zeit unbenutzt lagert, nehmen die Riemen diese Eiform an und eiern dann bei Wiederinbetriebnahme." Manche Riemen sind noch neu zu bekommen, oder die Spezialisten bedienen sich aus irgendwelchen Universalsätzen.

Ersatz für eingeschliffene, sprich verschlissene Tonköpfe, die sich im Klangbild bemerkbar machen, ist meist ebenfalls noch zu bekommen. Noch unproblematischer ist es, Ersatz für defekte Elektrolyt-Kondensatoren zu erhalten, die in verschiedenen Funktionen in einem Autoradio-Kassettendeck zu finden sind.

Auch das Problem defekter Elektromotoren lässt sich meist lösen. Sollte der Originalmotor nicht mehr erhältlich sein, was meist der Fall ist, wird auf einen anderen Motor mit ähnlichen Leistungsdaten zurückgegriffen. Allerdings fällt dann eventuell ein Mehraufwand an (zum Beispiel das Herstellen einer Adapterplatte), um den Motor in das entsprechende Gerät zu integrieren.

Je komplizierter das Gerät, desto teurer die Reparatur

Ob sich solche Reparaturen lohnen, muss im Einzelfall entschieden werden. Preisangaben sind wegen der Ersatzteilschwierigkeiten, der eventuell erforderlichen individuellen Problemlösungen und der Vielzahl unterschiedlicher Geräte nicht möglich. Zwischen den einfachen ersten Modellen, ihren mit immer mehr zusätzlichen Funktionen ausgestatteten Nachfolgern und einem komfortablen Kassettenwechsler von Alpine liegen Welten. Klar ist: Je komplizierter das Gerät, desto teurer die Reparatur.

Wenig Hilfe aufgrund noch schlechterer Teileversorgung bekommen außerdem jene, die in ihrem Wagen ein Gerät zum Abspielen der Achtspur- Kassetten haben, wie sie öfter in den USA, der Schweiz und Holland zu finden waren. Geräte und Kassetten sind zum Beispiel im Internet unter www.8-track-shack.com zu finden. Und natürlich treten auch bei den Radioteilen, die nicht Thema dieser Geschichte sind, Defekte auf, "denn deren Bauteile haben ebenfalls ein Verfallsdatum", so Wagner.

MP3- und Bluetooth-Anschluss ist möglich

Wer ein intaktes Autoradio-Kassettendeck besitzt, kann nur wenig für die Pflege tun. Ist der Tonkopf gut zu erreichen, sollte er ab und zu mit einem in Alkohol oder Spiritus getränkten Q-Tip gereinigt werden. Die damals verkauften Reinigungskassetten mit ihrem "Schmirgelvlies" sind bei Experten nicht gut angesehen.

Lohnt sich bei einem Autoradio mit Kassettendeck die Reparatur des Kassettenteils nicht mehr, sollte man das Gerät trotzdem behalten, weil man dann einen Stereoverstärker hat. Und der macht sich akustisch bezahlt, wenn man das Kassettengerät mit einem MP3-Anschluss nachrüsten lässt, was zwischen 30 und 100 Euro kostet. Ein Bluetooth-Anschluss ist ebenso möglich. Und die zeitgenössische Optik bleibt ebenfalls gewahrt, auch wenn die Musik nicht mehr von der Kassette kommt.