Die Schwachstellen des Mercedes W 124
Rostroter Bereich
Selbst das Langzeitauto Mercedes W 124 hält nicht ewig. Vor allem jüngere Mercedes ab Baujahr 1992 leiden unter heimtückischem Rostbefall. Marode Hinterachsaufnahmen sind dabei der schlimmste Befund. Ein 220 E offenbart exemplarisch die brisantesten Rostherde.
18.10.2013
Alf Cremers
Foto: Mercedes
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Der W124 stammt aus einer Zeit, als bei Mercedes das sachliche Design von Bruno Sacco und solide Konstruktion ein zeitloses Auto ergaben, das auch 30 Jahre später noch problemlos im Alltag funktioniert.
Foto: Mercedes
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Speziell das T-Modell ist ein vielfältiger Klassiker mit hohem Alltagsnutzen.
Foto: Archiv
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Ein Cockpit wie ein stets aufgeräumter Schreibtisch. In der Tür die schlicht geniale Sitzeinstellung.
Foto: Mercedes
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Keine Angst vor vielen Kilometern. Doch bei über 300.000 hat trotz haltbarer Technik der Zugabenteil begonnen.
Foto: Mercedes
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Leicht und schön: die geschmiedeten „Gullydeckel“ von Fuchs aus Meinerzhagen.
Foto: Mercedes
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Anfangs bot Mercedes die Limousine an, dann kamen T-Modell und Coupé, zuletzt das Cabrio. Dieses Bild lässt sich leicht auf den Zeitraum zwischen der Coupé-Premiere 1987 und der ersten Modellpflege 1989 eingrenzen, als Limousine und T-Modell die breiten Seitenplanken ("Sacco-Bretter") bekamen.
Foto: Daimler
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Der W124 war der erste Mercedes-Pkw mit Allradantrieb: 1985 kam die komplizierte und teure 4Matic, es gab sie zunächst für 300er-Diesel und Benziner.
Foto: Daimler
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Als Mercedes noch keine Vans baute, gab es den W124 mit je sechs Türen und Sitzplätzen. Das Bild zeigt einen 260E lang von 1989 am Stuttgarter Flughafen.
Foto: Daimler
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Das Coupé kam 1987, zunächst mit Vier- (230 CE) oder Sechszylinder (300 CE).
Foto: Hardy Mutschler
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Zum Facelift 1993 kamen die Vierventiler 200, 220 und 320, neue Farben, grau-rote Heckleuchten und die Umstellung auf Wasserbasislack, der später für üble Rostprobleme sorgen konnte.
Foto: Daimler
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Coupés und Cabrios sind die formale Krönung der Baureihe W124.
Foto: Hardy Mutschler
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Längst eine Wertanlage: Achtzylinder 500E mit R126-Vorderachse und Porsche-Stammbaum.
Foto: Ingolf Pompe
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Erkennungsmerkmale fürs Facelift: weiße Blinker, Schlupflid-Scheinwerfer, Plakettengrill, Stern auf der Haube.
Foto: Mercedes
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Komfortabel und gut: die Wandlerautomaten.
Foto: Mercedes
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Straff, aber erwachsenentauglich: der Coupé-Fond.
Foto: Mercedes
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Die Vierzylinder M 102, mit denen der W 124 1984 startete, sind grundsolide, aber behäbige Gesellen.
Foto: Mercedes
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Der Fünfzylinder-Diesel OM 602 startete mit 90 PS, später waren es 94. Mit Turbo kam er ab 1988 auf 126 PS.
Foto: Mercedes
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Die 24V-Sechszylinder M 104 kamen 1992. Der 280 reicht natürlich. Den 320 muss man sich gönnen wollen.
Foto: Mercedes
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Ist er nicht prachtvoll, der M 119? Ja, ist er. Egal ob mit 279 oder 326 PS. Der V8 macht süchtig.
Foto: Mercedes
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Ein 300 E W 124 im Röntgenbild. Die Zahlen markieren die Karosserie-Rostherde.
Foto: Manfred Pollnow
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Das Objekt Mercedes 220 E, keine Ruine, aber trotzdem tot.
Foto: Manfred Pollnow
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Die Crux des W 124 ist seine Rostanfälligkeit. Korrosionsschutz also dringend nachbessern.
Foto: Manfred Pollnow
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1. Kotflügel vorn: Parallel zum Stoßfänger rosten die vorderen Kotflügel durch. Aber auch Dämpferbein- und Schraubenfederaufnahme im Radhaus sind oft völlig perforiert.
Foto: Manfred Pollnow
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2. Sacco-Bretter: Der unausgereifte Wasserbasislack verliert langfristig den Korrosionsschutz. Karosserievibrationen fördern Durchrostungen an Anbauteilen (Sacco-Bretter).
Foto: Manfred Pollnow
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3. Wagenheberaufnahmen: Die Schweller sind seit 8/1989 mit Kunststoffblenden verkleidet. Unter den Abdeckkappen gammelt es um die Wagenheberaufnahmen heftig im Verborgenen.
Foto: Manfred Pollnow
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4. Radläufe hinten: Erst im Anfangsstadium zeigt sich der Rostbefall an den Radläufen. Blasenbildung und Aufquellen des Doppelblechs sind noch in den Griff zu kriegen.
Foto: Manfred Pollnow
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5. Kofferraumklappe: Erst im Anfangsstadium zeigt sich der Rostbefall an den Radläufen. Blasenbildung und Aufquellen des Doppelblechs sind noch in den Griff zu kriegen.
Foto: Manfred Pollnow
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6 Radhäuser hinten: Rostgefahr besteht in den hinteren Radhäusern – rund um die hier rostfreien Verschlussdeckel und an der vorderen durchgefaulten Hinterachsaufnahme.
Foto: Manfred Pollnow
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7. Leitungen am Boden: Der Unterboden hat viel Salz gesehen. Brems- und Kraftstoffleitungen sind heftig korrodiert. Vorsicht bei Aufbocken an den Plastik-Schwellerverkleidungen.
Foto: Manfred Pollnow
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8. Achsaufnahme rechts: Die rechte vordere Hinterachsaufnahme ist hier völlig durchgerostet. Reparaturbleche gibt es nur für den W 201, sie können aufwendig angepasst werden.
Foto: Manfred Pollnow
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9. Achsaufnahme links: Die linke Aufnahme ist ebenfalls rostgeschwächt. Für eine korrekte Reparatur braucht man eine Richtbank, um den kompletten Hinterachsträger zu erneuern.
Foto: Manfred Pollnow
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Unter dem Waschwasser-Behälter ist eine typische Stelle, an der der Rost im Verborgenen nachhaltig arbeitet.
Foto: Manfred Pollnow
Der W 124 wirkt gepflegt. Ein Mercedes 220 E von Juni 1993, noch vor der zweiten Modellpflege mit klassischer Kühlerattrappe statt des sogenannten Plakettengrills, bei dem der Stern à la S-Klasse W 140 etwas unmotiviert aus der Haube wächst. Der Lack glänzt, die Ausstattung imponiert, das Interieur in schwarzem Karostoff strahlt sauber, das Kundendienstheft trägt bis 220.000 Kilometer alle Stempel.
Wasserbasislackschon vor Mopf2
Doch schon vor Mopf 2, wie die letzte Modernisierung des elfjährigen Dauerbrenners W 124 bei Insidern heißt, kam offenbar Wasserbasislack zum Einsatz. Hier im damals sehr modischen Farbton Almandinrot. Dieses damals neue, umweltfreundliche Lackierverfahren zeigt heftige Spätfolgen, die sich nach zehn bis zwölf salzigen Wintern in außergewöhnlichem, aber auch zwiespältigem Rostbefall vieler Karosseriepartien auswirken.
Während die hinteren Radläufe als typische Rostherde älterer Mercedes W 124-Modelle bei unserem Exemplar fast verschont blieben, schlug die braune Pest gnadenlos bei den Türen auf Höhe der Sacco-Bretter, bei den vorderen Kotflügelspitzen und im Bereich von Kofferraumklappe und Heckpartie zu.
Seltsamerweise blieb auch das Stehblech im Motorraum unter dem Waschwasserbehälter vom Rost unberührt. Auch der Sockel der B-Säule am Schweller und die oft angenagten kreisrunden Verstärkungsbleche um die Dämpferbein-Aufhängung und die Schraubenfeder-Aufnahmen waren ohne Befund - sowohl bei der Inspektion vom Motorraum als auch von den vorderen Radhäusern aus.
DOHC-Vierventiler mit 220.000 km läuft einwandfrei
Der Mercedes 220 E fuhr sich erstaunlich gut. Das Fahrwerk straff, die Bremsen zupackend, die Lenkung nahezu spielfrei. Motor und Automatikgetriebe funktionierten bis auf einen defekten Thermostat, der sich über die schlechte Heizwirkung mitteilte, trotz der hohen Laufleistung von 252.000 Kilometer einwandfrei.
Der DOHC-Vierventiler mit 150 PS, von konservativen W 124-Fans gerne verschmäht, lief durchzugsstark, kultiviert und sparsam. Mit Gebrauchtteilen in Almandinrot wurde wegen des gepflegten Zustands eine Reparatur des Mercedes 220 E erwogen. Ob man nun Bremsen, vordere Querlenker und die hinteren Fahrwerksbuchsen der Raumlenkerachse erneuert oder Blechteile ersetzt, bleibt sich vom Arbeitslohn her gleich. Lediglich ein klackendes Rupfen im Bereich der Hinterachse fiel auf, das sich bei forschem Anfahren bemerkbar machte.
Späte W 124 rosten heimtückisch im Verborgenen
Auf der Hebebühne stellte sich dann heraus, dass weder die Hardyscheibe noch ein verschlissener Silentblock der Übeltäter war. Viel schlimmer, die rechte vordere Hinterachsaufnahme war nur noch rostiger Blätterteig - heftig auf Zug beansprucht, führte die Achse ein Eigenleben. Bei der linken Aufnahme war der Unterbodenschutz stark vom Rost unterwandert.
Dennoch waren diese erschreckende Diagnose sowie ein perforierter Vorderachsträger ein Killerkriterium für die Sanierung. Merke: Vor allem späte W 124er rosten gern heimtückisch im Verborgenen. Also kein Kauf ohne genaue Inspektion auf der Hebebühne. Auch wenn der Lack noch so glänzt.
Kampf gegen den Rost
Einen durchgerosteten Vorderachsträger muss man komplett erneuern, er darf nicht geschweißt werden. Harmloser ist ein anderer typischer Rostmangel beim W 124 im vorderen rechten Radhaus. Ohne Werkzeug lässt sich der Waschwasserbehälter rechts im Motorraum rechts anheben, darunter kommt oft Blätterteig zum Vorschein, weil sich bei verstopftem Ablaufloch oder undichtem Innenkotflügel Straßenschmutz einnistet, der stets gut gewässert wird. Punktschweißen mit dem Mig-Mag-Elektroschweißgerät beseitigt den Rostherd nachhaltig. Reparaturstellen anschließend feinschleifen und mit Zinkstaubfarbe streichen, Schutzwachs nicht vergessen. Innenkotflügel korrekt befestigen.