Oldtimer und Beruf

Job meines Lebens

Oldtimer und Beruf: Acht Personen erzählen, wie sie in der Klassik-Szene ihren Lebensunterhalt verdienen. Ob als Restauratorin, Verdeckspezialist, Händler, Mechatroniker oder Rallyeorganisatorin.

Jochen Extra Foto: Archiv 8 Bilder

Ein Hobby - für die meisten wird die Oldtimerei ein Thema für die Freizeit bleiben, eine Herzensangelegenheit, betrieben im Kreis der Familie, der Freunde oder in einem Club. Andere wiederum verdienen mit alten Autos ihren Lebensunterhalt, haben entweder ihr Hobby zum Beruf gemacht oder sind als Quereinsteiger irgendwie in der Oldtimer-Szene gelandet - wie die acht Personen, die Motor Klassik auf den folgenden Seiten vorstellt.


Vom Hobby zum Beruf -der Mann mit der Werkstatt

Straubenhardt im nördlichen Schwarzwald. Eine Halle randvoll mit britischen Klassikern, dahinter eine große, lichtdurchflutete Werkstatt - das Reich von Jochen Extra (www.extra-mobile.de ). Der 56-jährige Schwabe gilt als Spezialist für britische Autos, egal, ob nur ein kleiner Service oder eine aufwändige Restaurierung anstehen. "Schuld an dem, was ich heute bin, hat mein erstes Auto, ein MG Midget", schmunzelt der gelernte technische Zeichner, und erzählt, wie er in den Siebzigern nächtelang an dem Roadster geschraubt hat, um das Auto irgendwie am Leben zu erhalten.

Weil Ersatzteile entweder zu teuer oder nur schwierig zu bekommen sind, ist Extra oftmals gezwungen, zu improvisieren. Sein Talent dafür spricht sich rasch herum, und bald steht der Hof voller englischer Fahrzeuge, um die er sich in seiner Freizeit kümmert. 1988 erfolgt dann der Schritt in die Selbstständigkeit. "Zwangsläufig", wie Jochen Extra erklärt: Der Mann hängt seinen sicheren Job als technischer Zeichner an den Nagel und eröffnet zusammen mit seinem Partner Harald Mack die Extra Mobile GmbH.

"Diese Entscheidung habe ich bis heute keine Minute bereut", erklärt der Schwabe, dem das wachsende Interesse an Oldtimern derzeit volle Auftragsbücher beschert: "Inzwischen kommen auch Besitzer von deutschen oder italienischen Fahrzeugen zu uns, weil sie keine Werkstatt mehr für alte Autos finden."

Vom Projektmanager zum Klassiker-Händler

Auch Hartmut Stöppel aus Bonn (www.stoeppel.ch) hätte als Projektmanager eines großen IT-Unternehmens recht gelassen in die Zukunft schauen können - wäre da nicht die Leidenschaft für italienische Automobile, hervorgerufen durch einen Alfasud ti, Stöppels erstes eigenes Fahrzeug. Dabei hatte der Verkäufer ihm noch eine Warnung mit auf den Weg gegeben: Entweder hasst man diese Marke oder man verfällt ihr. Letzteres trifft für den 42-Jährigen zu - bereits während seines Studiums verbringt Hartmut Stöppel viel Zeit in Italien, immer auf der Suche nach guten Fahrzeugen, die daheim in Bonn rasch Abnehmer finden.

Vor sieben Jahren dann der Schnitt: Stöppel kündigt seine Anstellung, um sich nun ausschließlich auf den Handel mit hauptsächlich italienischen Autos zu spezialisieren. Aus finanzieller Sicht keine leichte Entscheidung, doch der Alfa-Fan vertraut ganz seinem Bauchgefühl, verlässt sich auf seine Erfahrung und auf ein über Jahre gewachsenes Netzwerk südlich der Alpen.

Stöppels Ansprüche an seine Fundstücke sind jedoch hoch: Möglichst wenige Vorbesitzer, erster Lack und unrestauriert lautet seine Wunschliste. "Ich kaufe nur Fahrzeuge, die ich selbst am liebsten in einer eigenen Sammlung stehen hätte", erklärt der Händler. "Die goldenen Zeiten, an denen solche Auto noch an jeder Ecke herumstanden, sind allerdings längst vorbei." Das wissen inzwischen auch viele Sammler, die Stöppel als Berater oder gleich mit der Suche nach Fahrzeugen beauftragen.

Vom Museumsleiter zum Lobbyisten

Nicht Werkstätten und nicht italienische Garagen sind das Revier von Stefan Röhrig, sondern die Büros im Berliner Regierungsviertel. Der 60-Jährige mit Wohnsitz nahe Stuttgart ist seit 2007 Leiter des Fachbereichs für Historische Fahrzeuge beim Verband der Automobilindustrie (VDA). "Ich arbeite mit den zuständigen politischen Gremien und Behörden daran, dass Oldtimer auch künftig noch problemlos auf unseren Straßen fahren können", fasst Röhrig seine Tätigkeit zusammen, in deren Rahmen er regelmäßig in der Hauptstadt weilt. Als Vertreter der Automobilindustrie steht Röhrig dabei in Kontakt zu zahlreichen Politikern, versteht sich mit dem Fachwissen des VDA im Gepäck als deren Berater bei verkehrspolitischen Entscheidungen.

Röhrig, der von 1975 bis 2006 bei der Daimler-AG beschäftigt und zuletzt für den Bereich Classic und damit für die Leitung das Mercedes-Benz-Museums, des Classic Centers und des Unternehmensarchivs verantwortlich war, kennt die Interessen der Automobilindustrie sowie die der Oldtimer-Szene, ist Auto-Mann durch und durch. Emotionen versucht Röhrig bei seiner Arbeit weitgehend zu unterdrücken. "Wir können unsere Ziele nur dann durchsetzen, wenn wir die Themen so professionell wie möglich angehen." Leidenschaft und Begeisterung seien zwar der Antrieb für unser Hobby, aber in der Politik führten sachliche Argumente erfahrungsgemäß eher zum Ziel.

Literaturpapst und Oldtimer der Oldtimer-Szene, Jäger und Sammler

Eigentlich wollte Hans-Joachim Weise (57) als Regisseur zum Film. Doch der Mann mit der ausgeprägten Sammelleidenschaft merkt rasch, dass ihm der Umgang mit klassischen Automobilen und Autoliteratur jedweder Art mehr liegt als die Filmerei. Weise nutzt bereits als Teenager jede freie Minute, an alten Autos zu schrauben, importiert früh klassische Fahrzeuge aus den USA, Frankreich oder Schweden. 1977 macht Weise aus seinem Oldtimer-Hobby endgültig einen Beruf, gründet zusammen mit einem Freund die Firma Schröder und Weise Classics GmbH (www.schroederweise.de ).

Der Handel mit ausgesuchten klassischen Automobilen floriert, und die Sammler-Szene schätzt die leise und verlässliche Art von Hans-Joachim Weise, der sich selbst schon mal als "Oldtimer in der Oldtimerszene" bezeichnet. Doch das eigentliche Herz des Hannoveraners schlägt nach wie vor für Automobilia, für antiquarische und neue Autobücher, für historische Prospekte und alte Betriebsanleitungen. "Bedrucktes Papier hat mich immer schon begeistert", erklärt der Mann, dessen Angebot an antiquarischer wie aktueller Literatur unzählige Regalmeter in dem über 400 Quadratmeter großen Ladengeschäft füllt. Über 60 000 Titel haben Weise und sein Team in der hauseigenen Datenbank bis heute zusammengetragen – egal, wo auf der Welt sie gedruckt oder veröffentlicht wurden.

Vom Freiburger Münster zur Lackspezialistin

Dass sie einmal als Patina-Spezialistin in der Oldtimer-Szene landen würde, hätte Gundula Tutt (45) bis vor wenigen Jahren als vollkommen abwegig eingestuft. "Doch manchmal laufen die Dinge eben anders", erklärt die aus Stuttgart stammende Diplom-Restauratorin, die ihre heutige Tätigkeit einer Zufallsbegegnung verdankt: Bei Restaurierungsarbeiten am Freiburger Münster traf sie auf den Berufskollegen Eberhard Grether, der sich Gedanken darüber machte, wie sich bei der Restaurierung eines Oldtimers die originale Substanz erhalten lässt. Gundula Tutt ist von diesem Thema fasziniert, entwickelt sich nach intensiven Recherchen zur Spezialistin für historische Lacke und übernimmt erste Restaurierungsarbeiten. 2006 gründet sie mit Grether die Firma Omnia (www.omnia-online.de ).

In der Szene erfährt Tutt bei ihren individuell abgestimmten Restaurierungen, bei denen sie sich ausschließlich auf Lacke und Beschichtungen, Leder, Textilien, Holzoberflächen und Metallüberzüge konzentriert, immer größeren Zuspruch. "Mein Engagement für die Bewahrung authentischer Altersspuren an aktiv genutzten Fahrzeugen scheint vielen Oldtimerbesitzern entgegenzukommen", erklärt die Frau, deren Fachwissen zuletzt in den Entwurf der Charta von Turin der FIVA mit einfloss, als es um einen Maßnahmenkatalog ging, wie sich das fahrzeughistorische Erbe am besten bewahren lässt. "Wie es aussieht, habe ich zur rechten Zeit eine Nische gefunden, in der noch viel Potenzial liegt."

Motorsportlerin durch und durch - die Rallye-Organisatorin

Gabriele Triefenbach (44) organisiert seit Jahren die AvD-Histo-Monte: "Die Organisation eines solchen Events ist ein Fulltime-Job", erklärt die engagierte Offenbacherin, die nach dem Tod ihres Mannes Manfred Triefenbach im Jahr 2007 die Leitung der Winterrallye für historische Fahrzeuge auf den Spuren der Rallye Monte Carlo übernommen hat (www.avd-histo-monte.com).

"Zu meinen Aufgaben gehören die Streckenplanung, die vielen Gespräche mit Behörden und Sponsoren und natürlich die Betreuung der Teams während der vier Fahrtage", erklärt Triefenbach, die sich selbst ebenso als Eventmanagerin sieht. Bei ihrer Arbeit würde sie sich auf ihre Rallye-Erfahrung sowie auf ein über Jahre gewachsenes Netzwerk verlassen, sagt die Frau, die bereits im Alter von 17 Jahren zum AvD kam und dort die Welt des Motorsports quasi von der Pike auf kennen gelernt hat. In dieser Zeit startete sie auch als Co-Pilotin bei ihrer ersten historischen Rallye und fand Gefallen an der großen Vielfalt der Klassik-Szene: "Ohne Begeisterung für dieses Hobby und für den Sport könnte ich diesen Job nicht machen."

Mechatronik-Lehrling mit Hang zu alten Autos

Für Max Kebbedies (20) stand der Berufswunsch genau genommen schon immer fest: Kfz-Mechaniker. Bereits mit 15 Jahren beschließt der Autofan, dass er sich auf Oldtimer spezialisieren will: "Mich begeistert Technik, an der man alles noch selber machen kann."

Im Classic-Center der Mercedes-Benz Ostendorf GmbH in Hamm (www.ostendorf.mercedes-benz.de) lässt sich Kebbedies seit zwei Jahren zum Kfz-Mechatroniker ausbilden, jedoch mit dem Schwerpunkt auf klassische Fahrzeuge. In Hamm hat man sich besonders auf die Baureihen W 111, W 107, W 113 und W 108/109 spezialisiert und sich frühzeitig Gedanken über den Mechaniker-Nachwuchs gemacht, der neben der modernen Technik ebenso die von einst beherrschen soll.

Für Kebbedies ist jedoch klar, dass er seinen Traumjob gefunden hat, bei dem zwangsläufig nicht immer alles nach Lehrbuch geht: "Mir macht es großen Spaß, bei der Arbeit an den Autos oft improvisieren oder sogar Werkzeuge herstellen zu müssen." Zukunftssorgen? Die würde er sich momentan nicht machen.

Wirtschaftsingenieur als Verdeck-Spezialist

Klaus Hermann Mayer ist das, was man in der Szene einen alten Hasen nennen würde: Bereits seit den siebziger Jahren fertigt der 57-Jährige Cabrio-Verdecke und Teppichausstattungen: "Die ersten Modelle sind während meines Studiums entstanden, um nebenher etwas Geld zu verdienen", erklärt der Wirtschaftsingenieur. Doch dann seien es einfach zu viele Aufträge geworden: 1977 meldet Mayer ein Gewerbe an, zwei Jahre später zieht er in seine ersten Esslinger Geschäftsräume, um von nun an Verdecke und Innenausstattungen in immer größeren Stückzahlen zu produzieren.

Pro Jahr verlassen inzwischen rund 5.000 Verdecke die Esslinger Produktionsstätte (www.cabrio.de). Zu den Kunden aus ganz Europa zählen ebenso die Klassik-Abteilungen mehrerer deutscher Automobilhersteller sowie zahlreiche Sattlereien und Restaurierungsbetriebe: "Letztere sind die größte Käufergruppe", sagt der Spezialist, der schon früh Papierschablonen gegen computergestützte Laser-Technik getauscht hat und für nahezu alle Klassiker-Modelle Teppiche, Polster und Leder-Innenausstattungen anbietet. Ist er - wie die anderen - ein Überzeugungstäter? "Auf jeden Fall." Ohne Herz bei der Sache ginge es nicht.

Info: Oldtimer und Beruf

Spezielle Lehrberufe im Klassiker-Bereich werden praktisch nicht angeboten. Bestenfalls sind es - wie bei dem im Text erwähnten Ausbildungsplatz "Kfz-Mechatroniker mit Schwerpunkt klassische Automobile" - Maßnahmen, die in Eigeninitiative entstanden sind.

Um einen eigenständigen Lehrberuf handelt es sich laut dem Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe e. V. (ZDK) dabei nicht. Das ZDK hat jedoch soeben in Soest, Speyer, Aurich und Fürstenwalde ein Pilotprojekt aus der Taufe gehoben, bei dem 30 Lehrlinge mit Berufsziel Kfz-Mechatroniker parallel zur Ausbildung eine Zusatzqualifikation für Old- und Youngtimertechnik erwerben. Eine Fortsetzung des Projekts sowie eine Erweiterung der Ausbildungsorte ist vorgesehen. Infos: ZDK, Andrea Zeus, 02 28/9 12 72 82, www.kfzgewerbe-oldtimer.de.

Eine Handwerks-Ausbildung (Sattler, Restaurator, Lackierer oder auch Tischler) gilt nach wie vor als beste Voraussetzung für einen Arbeitsplatz in einem Betrieb, der sich auf den Erhalt klassischer Automobile spezialisiert hat. Der Bedarf an Fachleuten wird laut ZDK steigen.