Reportage: Billiges H-Kennzeichen-Auto

Audi 80 mit bald 30 Jahresringen

Lange genug gewartet, auf zur Ü-30-Party mit H-Kennzeichen-Showdown. Viele Youngtimer aus den frühen 80ern sind noch billig zu haben, aber schon im Endspurt auf die Reifeprüfung. Wie dieser 83er Audi 80 für knapp 1.000 Euro. Taugt der was?

Audi 80, Frontansicht Foto: Frank Herzog 23 Bilder

Er ist der Älteste auf dem Platz. Der unscheinbare Audi 80 CL in blassem Topasgrünmetallic versteckt sich hinter gängiger Altwagen-Ware wie BMW 525 tds, Mercedes 200 TE , Opel Omega oder Volvo 440. Moosansätze und zäher Tiefenschmutz in Tür- und Haubenspalten deuten auf eine längere Standzeit. Ein Würzburger Gebrauchtwagenhändler hat ihn schon radikal reduziert. Das ausgeblichene Preisschild im Wagen will stramme 1.470 Euro, im Inserat verlangt der freundliche Ionel Mager faire 981 Euro für den 28-jährigen Youngtimer, der mindestens vier Fünftel seiner Artgenossen im Schongang des Rentnerbetriebs überlebt hat. 

Der Preis ist heiß, das weckt den ausgeprägten Jagdinstinkt autobegeisterter Biedermann-Liebhaber. "So-einen-hatte-ich-auch-mal“, lautet schlicht die Existenzberechtigung typischer Jedermann-Autos mit begrenztem Charisma. Ein Mantra, das man in diesem Audi künftig bei jedem Tankstopp zu hören bekommt, das für alle bürgerlichen Familienkutschen gilt - ob Ford Taunus oder Fiat Argenta.

Audi 80 wird nicht zur boomenden Aktie

Unser Schwellen-Audi 80 könnte schon in knapp zwei Jahren ein H-Kennzeichen tragen. Der handwerkliche Aufwand dafür scheint auf den ersten Blick überschaubar. Doch anders als bei einem Mercedes 500 SE, einem Jaguar XJ 12 HE oder einem Rolls-Royce Silver-Spirit, bei denen das lukrative Steuermodell namens H-Kennzeichen den Wert fast verdoppelt, wird aus unserem 1,8-Liter-Audi selbst mit H-Segen noch keine boomende Aktie. 

Da verhallt selbst der Hinweis auf den großen Bruder Urquattro und auf lupenreines Giugiaro-Design ungehört. Ein Audi 80 hat keine Lobby, nur ein paar verstrahlte Liebhaber, die seinen spröden Reizen verfallen. Hoffnungslose Nostalgiker, die auf grünen Fischgrät-Sitzen und hinter braunem Hartplastik-Lenkrad der heilen Welt der Achtziger hinterherfahren.

Ein genauer Blick ist wichtig

Unaufbereitet und lieblos in die Reihe gestellt, wirkt er wenig einladend, aber die Karosserie zeigt sich bis auf eine Durchrostung vorn am Radlauf in erstaunlich gutem Zustand. Vor allem die breiten Schweller präsentieren sich kerngesund, auch die hinteren Radhäuser sind ohne Befund. Die fiese Stelle zwischen Fahrtür und Radausschnitt ist keine Durchrostung, sondern eine knittrige Beule. 

Beim Audi 80 lohnt auch ein Blick auf die Stehbleche im Motorraum. Sie sind oft geschweißt, auch die rostanfälligen Ecken an der Spritzwand in Höhe der A-Säule sehen beim Grünen aus wie ab Werk. Hier stoßen gleich drei Bleche unheilvoll zusammen. Der 1,8-Liter-Vergasermotor feierte erst 1983 im Audi 80 Premiere. "Der drehfreudige und elastische Langhuber beschleunigt das nur 960 Kilo leichte Auto geradezu spielerisch“, hieß es damals im Test von auto motor und sport.

Unglaublich: Dieser Audi 80 demnächst 30

Doch noch will er nicht anspringen und läuft dann mit zu hoher Leerlaufdrehzahl. Ein beherzter Tritt mit dem Gasfuß holt ihn wieder runter. Diese Autos vor der Computer-Ära, in denen kein Fünkchen Elektronik steckt, haben noch keine Geheimnisse vor einem kundigen Fahrer. Sie sind leicht und preiswert zu warten und zu reparieren. 

Okay, der Auspuff bläst ein bisschen, und beim Lenken treten manchmal ein knarzendes Geräusch und ein elastisches Gefühl auf. Es sind nicht die Antriebswellen, sondern es ist das linke Federbeindomlager, dessen Eigenleben den Fahrspaß schmälert. Dennoch macht der unscheinbare Audi Freude, keiner glaubt, dass er demnächst dreißig wird. Sicher, ein plüschiger älterer GLS wäre noch schöner, aber immerhin hat der CL einen Drehzahlmesser. Bald kommt er wieder richtig auf Touren, wir werden ihn bis zum H-Kennzeichen begleiten. Mehr als 2.000 Euro darf der 80 unterm Strich nicht kosten.