Concorso d'Eleganza Villa d'Este 2013

Parkplatz Paradies

Rund 50 Ikonen der Automobilgeschichte versammelten sich auf der Terrasse und im weitläufigen Park der berühmten Renaissance-Villa d'Este in einmaliger Lage am Comer See zum Schönheitswettbewerb.

Concours d'Elegance Villa d'Este, 2013, mokla 0613 Foto: BMW 13 Bilder

Jedes Jahr im Mai wird das Luxushotel Villa d`Este in Cernobbio am Comer See zur Enklave automobiler Hochkaritär. Hier wird Haute Couture in Blech zelebriert, vorzugsweise von den italienischen Künstlern dieses Genres. Ob Allemano, Bertone, Michelotti, Pininfarina oder Zagato, hier wandelt sich der Zweck des Automobils vom Fortbewegungsmittel zum Kunstwerk. Was man auch daran erkennt, dass sie gar nicht fahren müssen, um schön zu sein.

Dicht am stimmungskillenden Dauerregen vorbeigeschrammt

Das Wetter war in diesen Wochen auch südlich der Alpen ein Thema, die hohen Palmen ein paar Kilometer in den Parks von Como stehen zwar gewöhnlich für ein auskömmliches mediterranes Klima, aber die Nähe zu den Alpen sorgte diesmal für ein ergiebiges Quantum Steigungsregen. Kurzum, der Concorso d´Eleganza schrammte am Samstag dicht am stimmungskillenden Dauerregen vorbei. Aber Gott hatte ein Einsehen und schuf nachmittags ein mattes Sonnenlicht aus finsterem Himmelsgrau, das Chrom und Lack zwar nicht zu vollem Leben erweckte, aber die glänzende Parade mit tollen Klassikern und schönen Frauen ungehindert über die Bühne brachte.

BMW lud wieder einmal ein, scheute weder organisatorische Mühen noch feudale kulinarische Kosten. Sie griffen noch tiefer bei der Hardware in die Etat-Tasche und  präsentierten gleich zwei aufsehenerregende Prototypen. Ein High-Tech Concept-Bike als würdiges Remake der legendären BMW R90 S zu Ehren von 90 Jahren Motorradbau der weiß-blauen Marke und eine  imposante vierrädrige Luxusyacht für die Straße  Die Münchner-Chefstylisten Adrian van Hoydonk und Karim Habib gaben bei Pininfarina eine Design Studie auf Basis des 7er BMW in Auftrag.

90 Jahre BMW Motorrad und ein Coupé von Morgen

Der BMW Coupé Gran Lusso verkörpert die pininfarinatypische schlichte Eleganz in betörender Reinkultur. Sehnlichst würde man sich wünschen, der edle viersitzige Vollblüter ginge in Serie, doch blieb dieser Traum schon letztes Jahr unerfüllt, als das BMW Zagato Z4 Coupé die illustre Schar der Besucher betörte. Es wäre zu schön, um wahr zu sein. Pininfarina, bis auf sehr sporadische Ferrari- und Maserati-Entwürfe nur noch im automobilen Unterhaus der Koreaner und Chinesen tätig, braucht dringend die Liaison mit einer starken Marke und BMW könnte den Faux Pas der Vergangenheit wieder wettmachen.

Damals, 1955, kosultierte Generaldirektor Hans Grewening die Stabilimente Farina, um dem Barockengel zu einem modernen Pontonkleid zu verhelfen, aber die bloße Adaption einer vergrößerten Alfa Romeo 1900 Karosserie verfing nicht.

Ein ganz besonderer Barockengel ziert sogar die Hochkaräter-Phalanx am Seeufer. Es ist ein Phaeton, ein viertüriges, fünfsitziges 502 Cabriolet von Baur, nur 50 Stück wurden gebaut. Ansonsten zeigt sich BMW wie immer sehr zurückhaltend mit exotischen Eigengewächsen, ein BMW 328 mit Wendler-Karosserie aus dem Baujahr 1937 interpretiert den kernigen Sport-Roadster auf die komfortable Art eines offenen Reisewagens, und ein ganz besonderer BMW M 1 fuhr später den Klassensieg der G-Epoche ein, die das Motto "Speed and Style" trug, der einstige Dienstwagen von Jochen Neerpasch  trägt die BMW-Motorsport-Farbe Bristolgrau in kongenialer Kombination mit einem gewagten Interieur.

Prominent besetzte Jury

Ital Design mit Giorgio Giugiaro schuf die aufregende Karosserie des M1, der Motor war das bewährte 3,5 Liter Triebwerk von Alexander von Falkenhausen, verziert von einem Hochleistungszylinderkopf von Paul Rosche, macht 277 PS bei 6.500/min, leider gab es nur 450 Stück zu 113.000 Mark, heute ist jedes Exemplar mühelos das Doppelte in Euro wert. Rolls-Royce als strahlende Top-Marke der BMW-Group findet sich schon gehäuft wieder, etwa als Phantom I oder als Phantom II Continental.

Ein Phantom I-Tourer Boattail schließlich machte final den zweiten Platz der Jury. Neben den üblichen Verdächtigen wie Charles Lord March, Harrm Lagaay und Pininfarina-Urgestein Lorenzo Ramaciotti wirkte auch der Schweizer Musik-Profi Dieter Meier mit, ex Promotor der 80er-Jahre Band Yello und selbsternannter Autoverrückter.

Mehr BMW-Präsenz gibt es nebenan im Park der Villa d´Erba, wo es 90 Jahre BMW-Motorräder zu feiern gilt von der ersten BMW R32 bis zum besagten Concept Bike R 90 S. Dort finden sich aber auch solche Juwelen wie eine Brough Superior oder eine russische Kompressor-Maschine IHT nach BMW-Vorbild.

Villa Erba, einstiger Wohnsitz von Luchino Visconti

Nebenan rund um den feudalen einstigen Wohnsitz von Filmregisseur Lucchino Visconti, sprich Villa d´Erba, ein vertrautes Synonym für dieses Anwesen ist auch Villa Antica, hat auch das renommierte Auktionshaus R m Auctions seine Zelte aufgeschlagen. Rektorin Annette Abaci zeigt hier ihre rollenden Juwelen, vom Ferrari 400 Superamerica über ein Bugatti Typ 46 Coupé Superprofilée bis hin zu einem modernen Maserati Quattroporte exklusiv als Einzelstück zum Shooting Brake karossiert.

RM war sehr ferrarilastig, ein bildschöner 365 GT/4 alias Daytona wartete in unscheinbarem Dunkelblau und von edler Patina verziert auf seinen neuen Besitzer. Das estimate betrug 220 000 Euro, die original Michelin XWX auf herrlichen Cromodora-Rädern von damals inklusive. Nur die 250 GT Lusso Berlinetta hätte uns den 1973 Daytona abspenstig machen können.

Ferrari dominierte auch die Blumenrabatten der Villa d´Este, die bei zaghaft-verschlossenen 12,5 Grad nicht so farbenfroh schimmerten wie sonst. Die BMW-Regie hatte die Autos mit dem Cavallo Rampante gegen den Dreizack des Neptun aus Bologna gerichtet. Das alte Duell aus den 50ern lebte wieder auf, Ferrari 212 Exportr gegen Maserati A6G 2000, Sechszylinder-Doppelzündung gegen 12-Zylinder, das ganze noch garniert mit späteren Pretiosen wie dem Ferrrari 250 GT Tour de France oder einem 250 LM von 1964, dessen zart filigrane Pininfarina-Linien schon den späteren Dino 246 GT ahnen lassen.

50 Jahre Lamborghini

Wo Ferrari und Maserati sind, ist Lamborghini nicht weit. 50 Jahre gilt es zu feiern, der frühe 350 GT mit Bertone-Karosserie zeigt schon eindrucksvoll die Klasse der Marke, die sich im Miura von 1966 frenetisch tosend Bahn bricht. Als später SV in hellblau wohnt er dem Concorso Eleganza bei. Der Touring Shooting Brake auf 400 GT-Basis polarisiert dagegen Jury und Publikum, Flying Star heisst dieses auf dem Turiner Salon 1966 präsentiertes One-Off, dessen Linienführung wohl kaum das Prädikat harmonisch verdient.

Noch weit avantgardistischer triebt es ein anderes One-Off auf der fein gekiesten Villen-Terrasse. Ein fahrendes Monstrum namens Sibilo verhunzt wertvolle Lancia-Stratos-Technik zu einer absurden Studie, die auch noch in grenzwertiges Braun getaucht wurde. Selbst die Scheiben sind braun getönt, das Auto hat die krude Anmutung einer fast-Food-Verpackung. Es stammt aus dem Besitz von Corrado Lopresto, der sich angesichts seiner Sammlung liebreizender Naturschönheiten ein solches Monstrum leisten kann. Sibilo ist die Faszination des Grauens, aber Sibilo fährt und führte zumindest in Details geradewegs zum Citroën BX.

Best of Show mit falschen Rädern und nicht originaler Farbe

Der Motor Klassik-Chronist muss jetzt noch eine Handvoll seiner Lieblinge aufzählen. Der zum Best of Show gekürte Bugatti Type 57C Atlantic aus der Sammlung Ralph Lauren ist es gewiss nicht. Bei aller Bewunderung für das kongeniale Gesamtkunstwerk aus Form und Technik stören doch die falschen Räder und die Farbe, die nicht dem Auslieferungszustand entspricht. Motor Klassik hätte den Goldenen Pokal (Coppa d´Oro) der Villa lieber dem Mercedes-Benz 680 S in exzentrischer Saoutchik-Karosserie gegönnt.

Schon die Sitze aus bordeauxrotem Eidechsleder spiegeln die Dekadenz der art Deco-verliebten späten Zwanziger wieder. Platz Zwei geht an den Aston Martin DB 4 GT Zagato, einer von nur 19 gebauten Exemplaren mit authentischer von Jim Clark gekrönter Rennhistorie. Platz Drei hat unwiderruflich der Fiat 8V, Otto Vu, aus der Feder von Luigi Rapi inne, der immer wieder Zagato zugeschrieben wird.  

Platz 4 geht mit pathetischem Schwanengesang an de letzten Talbot Lago, einem Vierzylinder Ponton-Coupé von Letourneuir & Marchand. besitzer David Buchanan aus Californien nahm für den prachtvollen, sehr behutsam restaurierten Wagen einen Sonderpries der Jury entgegen. Platz 5 hat sich der herrlich patinierte Jaguar Mark VII von 1951 mit der ausladenden Karosserie von Stabilimenti Farina vedient. Der sogenannte Rolls-Royce des kleinen Mannes mit dem herrlichen DOHC-XK-Sechszylinder zeigt mit seien vergrößerten Cisitalia-Linien wie stilvoll zurückhaltende Eleganz sein kann.

Aston Martin DBS aus der Serie "Die Zwei"

Der Joker der Villa d´Este steht auch schon fest. Sein Kennzeichen BS 1 steht für Lord Brett Sinclair, gespielt von Roger Moore und gefahren in der Fernsehserie "The Persuaders". In Deutschland hieß die Serie "Die Zwei". Brett Sinclair alias Roger Moore fuhr den distinguierten Aston Martin DBS, sein Freund Danny Wilde alias Tony Curtis forderte ihn mit einem Dino 246 GT heraus. Besitzer Edward Stratton aus Devon präsentiert stolz seinen perfekt restaurierten Filmhelden in der abgefahrenen und völlig unstandesgemäßen Farbe "Bahama Yellow".

Nebenbei lüftet Edward ein Geheimnis, außen an den Flanken steht DBS V8, aber unter der Motorhaube strahlt der bekannte DOHC-Reihensechszylinder aus dem legendären Bond-Auto DB6. "Der V8 von Tadek Marek war bei Beginn der Dreharbeiten 1970 noch nicht fertig, aber man wollte doch aus Marketinggründen dasTopmodell präsentieren", schmunzelt Stratton fast verlegen, und legt in diese Geste sein ganzes britisches Understatement. Der Aston Martin war der Farbtupfer im Wolkengrau des Comer Sees, das sich erst am Sonntag lichtete. Am Publikumstag drüben im Park der Villa  Erba schien die Sonne, sie brachte Chrom und Lack zum Glitzern, wie es sich für die Juwelen der Automobilgeschichte gehört.