Concorso d´Eleganza Villa d´Este 2014

Kunst am Auto

Seit 1929 gibt es das automobile Schaulaufen auf der Terrasse des renommierten Luxushotels Villa d´Este. Die Schönheit des Bauwerks und die einzigartige Lage am Comer See finden in kongenialer Einmaligkeit zueinander, dekoriert von kostbaren Elitewagen.

05/2014 - Concorso d'Eleganza Villa d'Este, mokla 0514 Foto: BMW 24 Bilder

Die Exponate sind bezaubernde Doppelwesen, Automobile und Kunstwerke zugleich, geschaffen von der Haute Couture der Carrossiers. Ob Allemano, Bertone, Ghia, Ital Design, Pininfarina, Vignale oder Zagato alle großen Blechkünstler sind mit ihren raren Kreationen vertreten.

Zwei große Handlungsstränge bestimmten an diesem herrlichen Mai-Wochenende das große Concorso-Schauspiel am Ufer des Comer Sees. 100 Jahre Maserati mit einer erlesenen Auswahl vor allem an ultrararen fünfziger Jahre-Modellen der renommierten Sportwagenmarke mit dem Dreizack und Handverlesenes von Rolls-Royce.

Prototypen und mutige Designstudien

Der britische Nobelhersteller mit dem klassizistischen Kühler gehört ja heutzutage bekanntlich zur BMW-Group und zeigt seine schillernde Historie mit illustren Exemplaren. Eher im Hintergrund fand sich auch eine Handvoll Autos zum Wiedererkennen, PS-Träume auf Ihre Art, aber viel erschwinglicher als der Inner Circle auf der Terrasse der Villa d´Este.

30 Jahre BMW M5 gilt es zu feiern oder fünf Generationen High Performace Saloon, wie es offiziell heißt und auf einmal fällt einem auf wie schön doch so ein  E34 M5 ist, dessen
Linien auch von einem großen Zagato-Designer geprägt wurden nämlich von Ercole Spada.

Traditionell haben nicht nur hinreißende Autoschönheiten Ihre Bühne am See, sondern auch Prototypen und mutige Designstudien, die eher skurril als bezaubernd sind.
Allen voran, der Fiat 132 Aster, eine futuristische, polarisierende Coupé-Studie von Zagato auf der Basis einer biederen Fiat-Mittelklasse-Limousine. In grellem Lemon-green Lackiert und mit plüschigem Interieur garniert, sieht die Studie aus wie eine Mischung aus Fiat X1/9 und dem späteren Keil-Spider von Alfa Romeo.

"The Great Gatsby" und "Gone with the Wind"

Der Fiat mit dem bekannten DOHC-Zahnriemenmotor von Aurelio Lampredi tritt ebenso wie der raumschiffartige Alfa Romeo 6C 3500 Superflow IV und der exaltiert gestaltete Fiat Abarth 2000 Scorpione in der Klasse F "Le Fuoriserie" was aus dem italienischen übersetzt soviel wie "Das Spezialmodell" bedeutet.

Überhaupt wurden die neun Fahrzeugklassen dieses Concours nach FIVA-Reglement, teilweise blumig-phantasievoll bezeichnet. So nennt sich die Klasse B imposanter Luxusautomobile aus den zwanziger Jahren, hier ist der viel- und falschstrapazierte Begriff "Vintage" einmal wirklich angebracht, "The Great Gatsby". Die Art Deco-Automobile der dreißiger Jahre laufen unter dem Filmtitel "Gone with the wind" oder vom Winde verweht.

Alfa 6C 1750 GS mit Aprile-Karosserie holt den Gesamtsieg

Aus dieser Klasse C wo so illustre Vollblüter wie Bugatti Type 57, das von Pinin Farina karossierte Achtzylinder-Prestige-Cabriolet Lancia Astura Type 233 oder ein Mercedes-Benz 500 K mit Sindelfinger Werkskarosserie beheimatet sind, entstammt auch der Gesamtsieger. Trotz immerhin zeitgenössischen Umbaus des einstigen Carrossiers Aprile des ursprünglichen Zagato-Roadsters von 1931 auf Barchetta fand der aufwendig im Neuzustand restaurierte Alfa 6C 1750 GS die volle Hochachtung der Jury unter Vorsitz der Pininfarina-Koryphäe Lorenzo Ramachiotti. Stolz pilotierte ihn Alfa Romeo-Sammler Corrado Lopresto auf knirschendem Kies durch die jubelnde Zuschauermenge.

Etwas heimatlos wirkte der BMW 328 mit Wendler-Karosserie in dieser doch sehr glamourösen Kategorie. Dieser nach dem radikale-strömungsgünstigen Entwurf von Aerodynamik-Papst Reinhard von Koenig-Fachsenfeld entworfene
Sportwagen wirkt wie ein Flugzeug ohne Tragflächen. Es gab nur zwei Exemplare, dieses gehört dem Nürnberger BMW-Sammler Dr. Bernhard Knöchlein.

Rolls-Royce für die Entenjagd

Rolls-Royce bildet mit fünf Modellen die eigene Klasse A. Dass die hocherlesenen Phantom-Modelle den Villa d´Este Concorso bestreiten ist nichts ungewöhnliches. Blickfang war aber ein bis zur B-Säule eher populärer Rolls-Royce Silver Cloud I, der von Karossier Harold Radford zum "Enclosed Estate" umgebaut wurde. Eigentlich jedoch ist der ultraleise Inlay over Exhaust-Sechszylinder ein echter Shooting Brake, weil im Laderaum, man verzeihe diese profane Bezeichnung, eine kleine Gewehrkollektion von James Purdeys and Sons mitgeführt wird, möglicherweise zum Zwecke der Entenjagd, was auch die grobstolligeren Avon-Reifen erklärt.

Die Klasse G nennt sich schlicht Maserati und lässt sich einfach auseinanderdividieren. Die imposante dunkelblaue Vierliter-Limousine Quattroporte feiert ihren 50.Geburtstag und gilt als Meilenstein. Immerhin ist die opulente Frua-Kretaion der erste - da haben wir es wieder - High Performance Saloon der Automobilgeschichte. Die anderen fünf Elite-Automobile mit dem Dreizack stehen für 100 Jahre Maserati, darunter gleich drei A6G-Pretiosen, natürlich verschieden eingekleidet von Pinin Farina, Allemano und Zagato.

Ferrari mit 2,35-Liter-V12

Und was macht Maserati-Konkurrent Ferrari auf dem Concorso? Ist mit neun Modelle überaus würdig vertreten. Besonders entzückend sind die frühen Modelle 195 Inter mit kleinem 2,35-Liter Zwölfzylinder von Ghia und 212 Inter, also ein 2,6 Liter-V12 mit Vignale-Karosserie. Absolute Highlights sind aber zweifellos der Ferrari 250 GT California Spider von Scaglietti und der 250 GT Tour de France, die in ihrem Grad der Faszination nur knapp vom beinahe üblichen Ferrari 250 GTO getoppt werden. Die Scaglietti-Berlinetta steht eben abgesehen von den Rennwagen 500 TRC und 512 TR immer noch für das Nonplusultra beim Cavallo Rampante.

Gibt es so etwas wie den Motor Klassik "Best of Show"? Ja, die Entscheidung fiel nicht leicht, das renne machte die Startnummer 44, ein Alfa Romeo 1900 C SS von 1959, dessen unscheinbare, aber auf den zweiten Blick ergreifende Eleganz den Rezensenten tief berührte. Karossiert wurde dieses unprätentiöse Prachtautomobil ganz in der Nachbarschaft zum Comer See, nämlich bei Ghia-Aigle in Lugano. Es gelang, die strenge Ausdruckskraft der 1900er-Pininfarina-Karosserie modisch abzumildern, der Aigle wirkt weicher, femininer anmutiger vor allem in diesem hellen Roségold-Ton, der allein die blumig getaufte Kategorie E von St.Tropez nach Portofino perfekt illustriert.

Schlichte Schönheiten vor traumhafter Kulisse

Ein Auto zum Wiedererkennen war neben den bekannten 5ern der M5-Staffel auch die Pininfarina-Pagode, die in unscheinbarem Silbermetallic schüchtern auf dem Rasen parkte. Neben den Konkurrentinnen schien der 230 SL sichtlich underdressed. Beinahe von banaler Schlichtheit ist sie streng genommen stlisitisch schwächer als der markante zeitlos-schöne Serienentwurf von Paul Bracq. Axel Springer ließ sie sich seinerzeit maßschneidern. Es ist das Unauffällige unter dem Besonderen und nur ein Kenner merkt den Unterschied. Heute gehört sie einem Sammler in den USA.

Einmal mehr war der Concorso d´Eleganza Villa d´Este die Attraktion unter den europäischen Concours. Die Beschränkung auf nur rund 50 Autos mag zunächst befremden, aber in der strengen Limitierung der Exponate liegt die Chance, das Besondere zu zeigen. Unvergesslich bleibt in jedem Jahr dieser bezaubernde Einklang zwischen den Exponaten, der Location und dem mediterran-alpinen Ambiente der Region.

Ab und an zieht ein Riva-Motorboot im dunkelblauen Wasser des Lago die Como seine Kreise. So wie die ferne Begleitmusik in einem ganz besonderen Konzert.