Dirk Johaes Klassiker-Blog

Von einer Zeitreise zur nächsten

Die Zeitreise beginnt schon auf dem Parkplatz. Schon bevor ich meinen Fuß auf das Gelände der historischen, 1948 eröffneten Rennstrecke von Goodwood setze, entführen scheinbar unzählige historische Autos der Besucher in die Auto-Geschichte.

Goodwood Revival Meeting 2013 Foto: Dirk Johae 9 Bilder

Phantastischer Mix historischer Autos

Eigentlich begann es schon auf dem Weg über die herrlichen, schmalen Landstraßen, als wir in unserem modernen Mietwagen viele Meilen lang die Heckansicht einer Humber-Limousine aus der 50er Jahren genießen durften.

Auf dem Parkplatz dann ein phantastischer Mix von Bentleys aus den 20er Jahren, einem BMW 3,0 CSL aus den Siebzigern und einer großen Bandbreite von Autos aus den 50er und 60er Jahren. Auch den schwedischen Rennsportwagen mit Volvo-Technik und einer an den Ferrari 750 Monza erinnernde Karosserie entdecke ich in den langen Reihen.

Einige Schritte weiter wirbt die englische Truppe von Motorradakrobaten für einen Besuch in ihrer Steilwandarena und weiter vorn drehen sich historische Karussells. Auf dem Areal selbst setzten sich die Marketenderzelte fort: Es gibt nichts, was es nicht gibt. Die Krönung ist der historische TESCO-Supermarkt (allerdings mit vielen Attrappen in den Regalen) und ein historisches Kochstudio. Es dauert gut eine Stunde, bis ich den ersten Rennwagen live sehe.

Historischer Rennsport vom Feinsten

Es dauert höchstens eine weitere Stunde, bis ich zum ersten Mal den Satz höre: "Sowas bekommst Du in Deutschland nicht hin." Das ist wahr, es muss aber auch kein deutsches Goodwood Revival geben. Es muss ja nicht eine gute oder erfolgreiche Idee in alle möglichen Länder exportiert werden wie das Münchner Oktoberfest. Mir gefällt es in Goodwood sowohl beim Revival Meeting wie auch beim Festival of Speed deshalb so gut, weil es in England stattfindet und weil es nur dort so stattfinden kann.

Die Engländer haben eben einen eigenen Umgang mit Geschichte, ohne den diese Veranstaltungen gar nicht funktionieren würden. Goodwood bedeutet für mich: Begeisterung für alte Autos, Motorräder, Flugzeuge, Kleidung und Nostalgieatmosphäre. Aber auch für Rennsport nach Großvaters Art: Das Tourenwagenrennen mit Tom Kristensen, Frank Stippler und Jochen Mass sowie den vielen weiteren Renngrößen im Feld war der Motorsport, der mich begeistert. Man sieht die Fahrer in den Cockpits arbeiten, die Autos driften, sind allein von ihrer Form her unterscheidbar und bieten unterschiedliche Klänge. Und auch die Fahrer haben viel mehr Spaß als in den aerodynamisch durchgerechneten CAD-Kreaturen von heute.

Kongenialer Lord of March

Lord March hat, natürlich gepaart mit einem ausgeprägten Geschäftssinn, die perfekte Illusion einer historischen Rennveranstaltung geschaffen. Dabei halfen ihm sein geschultes Auge als Profifotograf, seine Kindheitserinnerungen an die Zeit, als die Rennstrecke für den modernen Rennbetrieb genutzt wurde, sowie sein Geschick im Umgang mit den wichtigen Leuten wie beispielwiese den Journalisten und Autohistoriker Doug Nye.

Vor allem hat Lord March etwas, dass man nicht kopieren kann: Begeisterung.  Bei allem, was in Goodwood entsteht, spürt man die Liebe und Begeisterung zur Sache. Das steckt an: Als ich 1996 zum ersten Mal das Festival of Speed besucht habe, fühlte ich mich wie in die perfekte Kulisse eines Rennfilms versetzt. Ein gefundenes Fressen für einen Fernsehreporter, der ich damals war. Es war die vierte Auflage und es war längst nicht so professionell aufgebaut und stark besucht wie heute. Lord March freute sich im Fahrerlager wie ein Schneekönig, weil Ferrari mit einem drei oder vier Jahre alten Formel-1-Wagen und dem Testfahrer angerückt war.

Wie groß die Begeisterungsfähigkeit des Earl of March und Kinrara sein muss, zeigt sich am gerade frisch restaurierten, kleinen aber jetzt sehr feinen Rennleitungsgebäude an der Strecke direkt neben der Boxengasse. Dafür gewann er das Bankhaus Credit Suisse als Finanzier. Tagsüber gehen die Gäste der Banker ein und aus, abends treffen sich die Rennfahrer zu interessanten Gesprächen.

Nach Goodwood kommt das Rossfeld Revival

Ich selbst habe Goodwood viel zu verdanken: Zum ersten Mal habe ich dort zum Beispiel den englischen Buchhändler Chaters entdeckt (sehr zum Leidwesen meiner Frau bis heute). Mein erstes Buch war die Biografie von Chevron-Gründer Derek Bennett, dessen Inhalt ich im Hotel beim Abendessen verschlungen habe. Und ich habe viele, unglaublich viele Autos zum ersten Mal "in Echt" gesehen, von denen ich vorher bestenfalls mal etwas gehört hatte.

Man könnte über Goodwood viele Bücher schreiben. Zu schnell sind drei Tage rum, zu viel hat man dann doch nicht anschauen können, der Zirkus geht weiter: Die Begeisterung aber bleibt und treibt mich in der kommenden Woche zum Rossfeld Revival nach Berchtesgaden. Am Austragungsort des deutschen Berg-Europameisterschaftslauf darf ich mit Rainer Braun den Streckenkommentar bestreiten: DER Rainer Braun. Als mich der Organisator Achim Althammer gefragt hat, ob ich dabei bin, habe ich einfach zugesagt, ohne nachzudenken. Aber so langsam steigt das Lampenfieber...