Retro Classics meets Barock 2014

Warte, bis die Jury kommt

Motor Klassik-Redakteur Franz-Peter Hudek war bei der Retro Classics meets Barock im Park des Residenzschloss Ludwigsburg einer von 25 Juroren. Ein Arbeitsbericht.

Juror Retro Classics meets Barock Foto: Franz-Peter Hudek 22 Bilder

Die erste Sitzung der Jury findet bereits am Freitag-Nachmittag punkt 15 Uhr statt. In der Remise außerhalb des Schlossparks ­ - eine niedrige, fast fensterlose, neu eingerichtete Scheune - ­ begrüßt der Jury-Vorsitzende Professor Peter Pfeiffer sein Team. Die meisten kennen sich bereits, immerhin ist es der elfte Concours d’Élégance, der in dem riesigen, mit vielen Blumen geschmückten Ludwigsburger Schlossgarten stattfindet.

Der Eintrittspreis mit 8,50 Euro pro Tag für einen Erwachsenen ist übrigens erfreulich moderat und entspricht dem Standard-Eintritt für das "Blühende Barock" ­ ohne Automobil-Klassiker. Insofern ist der Concours mit rund 250 ausgestellten Autos für das Publikum praktisch gratis. Auch wohl ein Grund, weshalb am 21. und 22. Juni 2014 über 30.000 Menschen in den Schlosspark kommen.

Einsame Klassiker und "Kalibrierung" der Jury

Während am Freitag auf den riesigen Kiesflächen und unter den Bäumen der Alleen bereits die meisten Klassiker geduldig auf Publikum und Juroren warten, stellt Professor Pfeiffer in der Remise zwei Gast-Juroren vor: Loic Henouil, ehemaliger Direktor des Peugeot-Werksmuseums in Sochaux und Dave Richards aus England von Classic Car Weekly. Als Beobachter entsandte die FIVA ihren Steward Ladislav Pakosta nach Ludwigsburg, weil der Concours nach den international gültigen Regeln der FIVA (Fédération Internationale Vehicules Anciens) stattfindet. Zu den Stamm-Juroren zählen unter anderem der ehemalige Maybach-Entwickler Professor Herrmann Gaus, der Schweizer Automobil-Historiker Roger Gloor, Bugatti-Spezialist Daniel Lapp, Ex-Rennfahrer Jochen Mass sowie Audi-Produktmanager Gerhard Hametner.

Jeweils drei Mann bilden ein Juroren-Team, dem rund 30 zu prüfende Autos zugeteilt werden. Auf der entsprechenden Liste sind auch die Prüfzeiten festgehalten, damit die Besitzer nicht ständig am Fahrzeug auf die Jury warten müssen.

Genau 32 Autos werden gecheckt

Eigentlich ist nur der Samstag-Vormittag von neun bis zwölf Uhr für die Begutachtung der Klassiker vorgesehen. "Das wird aber wahnsinnig knapp", sagt Juror Matthias Gerst, Oldtimer-Experte vom TÜV-Süd, zu dessen Dreier-Team ich eingeteilt bin. "Schauen wir mal, ob wir nicht heute schon einige Autos und deren Besitzer im Schlosspark treffen". Wir ziehen also bereits am Freitag gegen 16:30 Uhr los. Gut, dass ich schon im offiziellen Juroren-Outfit angereist bin: weißes Hemd, dunkles Sakko und Hose. Die goldfarbene Fliege und das goldfarbene Einstecktuch stellt der Veranstalter leihweise zur Verfügung. Und ein Schreibbrett mit den Beurteilungskriterien und Punkteschema der FIVA: bis zu fünf Punkte für jeweils acht Einzelposten wie Motor/Motorraum, Chassis, Armaturen etc. Dann noch zehn Punkte für Lackierung, 20 für Originalität sowie satte 30 Punkte für Gesamterscheinung/Eleganz.

Macht maximal 100 Punkte. Den Schwerpunkt unserer Auftrags-Liste bilden US-Cars. Das trifft sich gut, denn es ist mein Spezialgebiet. Doch wird überhaupt jemand bei den Autos sein?

Ein Prinz gewinnt bei der Retro Classics meets Barock

Wir knüpfen uns als erstes die drei Kleinwagen auf unserer Liste vor und marschieren im Tempo Napoleonischer Grenadiere durch den Kies, dass es nur so staubt. Ich merke schon: Team-Leiter Gerst ist ein Mann der Tat, und wir haben Glück. Der Besitzer eines himmelblauen Fiat 500 ist anwesend, kann uns Türen und Hauben öffnen, was er eilfertig und gerne macht, während er die Geschichte seiner Neu-Erwerbung erzählt: Er hat den hübschen Kleinwagen beim Besuch der Mille Miglia entdeckt, ihn vor kurzem erworben und auch gleich zum Concours nach Ludwigsburg gebracht.

Leider unterliegt er am Schluss doch seinem Nachbarn, einem NSU Prinz 30 E, der vielleicht nicht unbedingt eleganter aussieht, aber etwas besser in Schuss und auch viel seltener ist. Dem hübschen 500 fehlen gegenüber seinem Rivalen zwei Punkte.

Viel Staub aufgewirbelt

Jetzt suchen wir auf dem weitläufigen Park-Gelände mit Hilfe des Lageplans eine Corvette C1 von 1954 der ersten Generation, werden fündig und brechen zu einem erneuten Schnellmarsch in Richtung Freitreppe vor dem Marmorsaal auf. Der Schweiß rinnt auch am Abend gegen 18 Uhr noch in kleinen Rinnsalen von der Stirn und in den Nacken. Mein Verzicht auf den obligaten Strohhut, den Jury-Kollege Wilhelm Marlok zu Recht als "Dampfkessel" bezeichnet, macht sich jetzt bezahlt. Für die Strapazen belohnt uns eine wunderbare, graublaue C1-Corvette, die Besitzer Schock mit berechtigter Freude vorführt: Stramme 94 Punkte bedeuten Klassensieg in der Kategorie Nachkriegsfahrzeuge (offen) 1948-1957.

Weitaus weniger Punkte erhält dagegen ein Oldsmobile 442 Muscle-Car-Cabrio. Sein Allgemeinzustand lässt schwer zu wünschen übrig und wird auch durch moderne Alufelgen mit Breitreifen und großen Nachrüst-Drehzahlmesser nicht besser.

Diskussionen in der Remise

So oder so ähnlich verbringen wir auch den heißen Samstag-Vormittag ab neun Uhr morgens. Die Sonne brennt wieder gnadenlos vom Himmel. Zum Glück ist es in der Remise, wo wir uns am Nachmittag treffen, angenehm kühl. Jetzt gilt es neben den Klassensiegern, die sich automatisch anhand ihrer Punkte-Bewertungen ergeben, noch die Gewinner der 32 Sonderpreise wie "Bester Originalzustand Jaguar XK 140", "Bester Originalzustand Peugeot Nachkrieg", "Außergewöhnlicher Rennwagen" und mehr zu ermitteln. Man sieht: Jaguar XK 140 und 125 Jahre Peugeot waren in diesem Jahr Concours-Sonderthemen. Die Gewinner dieser Sonderpreise werden im Gremium hart diskutiert. Bestenfalls sollten diese Autos auch Klassensieger im regulären Wettbewerb sein, der in Ludwigsburg in zwei Klassen aufgeteilt ist: In den Concours für ausgewählte, hochwertige Sammlerfahrzeuge bis 1964 und in das Festival of Classic Cars für jüngere Automobile, zum Teil auch Youngtimer und originelle Um- und Neubauten.

Bei größeren Unstimmigkeiten ordnet Jury-Chef Pfeiffer eine Neu-Besichtigung der umstritteneren Autos durch das gesamte Juroren-Team an, die am Sonntag-Vormittag ab neun Uhr stattfindet. Und wieder schwärmt die Jury aus.

Endlich die Parade der Sieger

Am Sonntag-Nachmittag erlebe ich zum ersten Mal die Retro Classics meets Barock unter dem Ansturm der Klassiker-Fans, die mit ihren Familien den Park bevölkern. Zum Glück bietet das große Schlosspark-Gelände genügend Platz für Menschen und Autos. Ab 14:30 Uhr beginnt die Verleihung der Pokale und Urkunden (Platz zwei bis drei) in insgesamt 54 Klassen (mit Sonderpreisen), sodass die begeisterten Zuschauer jetzt auch viele Oldtimer in Aktion bewundern können, die einzeln über die Präsentations-Rampe rollen. Zum Schluss das gemeinsame, offizielle Best of Show-Foto, das auch eine glückliche Jury zeigt, weil die Männer und drei Frauen wissen: Es ist geschafft!