Unerwartete Helden des Automobilbaus

Wer hat's erfunden? 11 überraschende Antworten

Autos zu bauen, ist eine innovative Angelegenheit. Hätten Sie aber gewusst, wer mit welcher Idee tatsächlich zuerst auf dem Markt war? Wir haben einige unerwartete Helden und viele Überraschungen für Sie zusammengetragen.

Mercedes W124 Modellpalette Foto: Daimler 30 Bilder

Der Fortschritt, dem ja gern vorgeworfen wird, er sei eine lahme Ente, ist in vielen Fällen ein zu früher Vogel. Benzin-Direkteinspritzung, Airbags oder ABS gibt es gefühlt seit zehn, zwanzig oder dreißig Jahren – weil sie erst zu diesem Zeitpunkt in einem Auto den Durchbruch schafften. Vorhanden waren sie oft schon viel früher. Nur eben anderswo.

1. Scheibenwischer – Durchblick seit 1905

Selbst wenn das Echo lang verhallt ist – auch der Scheibenwischer war mal der letzte Schrei der  Technik, damals, 1905. Während seine kaiserliche Hoheit Wilhelm II. eine Reise nach Marokko dazu verwendet, die Franzosen zu beleidigen, nutzt sein Bruder Prinz Heinrich von Preußen die Zeit sinnvoller und erfindet den Wischer. Der schubbert ab 1908 über Windschutzscheiben, zuerst am Austro Daimler, und er wird zu einem durchschlagenderen Erfolg als die von Wilhelm Zwo ausgelöste „Marokko-Krise“.

2. DKW Front FA – 28 Jahre schneller als der Mini

Deswegen werden die Falschen als Helden gefeiert: Bei der 16.000-Euro-Frage, wer denn das erste Auto mit quereingebautem Frontmotor und Vorderradantrieb gebaut hat, würden die meisten nicht mal den Fifty-Fifty-Joker nutzen, sondern gleich den Mini einloggen. Dann Werbung, Trommelwirbel und Mööörp – ausgeschieden. Denn schon 1931, 28 Jahre vor Austin, schickt der DKW Front FA die Kraft seiner 494 und 584 Kubik kleinen, quer eingebauten Zweipötter an die Vorderräder.

3. Erstes Auto mit Sicherheitsgurt – Born in the USA

Auch schön danebenliegen kann man beim Thema Sicherheitsgurte. Zuerst bei Mercedes! Möörp. Dann eben bei Volvo! Möörpmöörp. Dann muss es Saab gewesen sein! Möörpmöörpmöörp. Denn zuerst baut sie Preston Tucker in den nach ihm benannten, als Torpedo bekannten und erfolglosen Tucker '48. Als weitere Sicherheitsmaßnahmen hat er Feinsinnigkeiten wie ein stoßabsorbierendes Lenkrad oder eine zweigeteilte Frontscheibe, die beim Aufprall aus dem Rahmen nach draußen springt, um die Gefahr von Schnittverletzungen durch Glassplitter zu bannen.

4. Benzindirekteinspritzung – Von wegen Mercedes 300 SL

Ein weiterer fehlgefeierter Held heißt Mercedes 300 SL – ein Auto, das von der eigenen Legende so eingenommen ist, dass es wahrscheinlich selbst glaubt, die Menschheit erstmals mit Flügeltüren, Karopolstern und Weltfrieden beschenkt zu haben. Und natürlich mit der Benzin-Direkteinspritzung. Möörp, weil der kleine Gutbrod Superior das Zweitaktgemisch schon ab 1951 direkt in die Zylinder injiziert.

5. Diesel-Direkteinspritzer – Lieferwagen statt Audi 100

Neuer Versuch beim Diesel-Direkteinspritzer. Audi? Ja sicher, die kamen 1989 mit einem 2,5-Liter-Triebwerk im 100. Trotzdem: dickes Möörp. Denn bei Fiat nagelte ein Direkteinspritzer ab 1987, davor schon im Lieferwagen Ford Transit, kurz darauf im nicht ganz zu Unrecht vergessenen Austin Montego.

6. Erster Allradantrieb – Briten stürzen weitere Ikone

Irgendwie bemüht sich der Audi Quattro gar nicht so aufrichtig, das Gerücht aus der Welt zu schaffen, er sei das erste Serienauto mit schnelllaufendem, permanentem Allradantrieb gewesen. Mö... – oh, da waren Sie jetzt wohl schneller. Genau, der Jensen FF mit dem nicht sehr friedfertigen Beinamen Interceptor (Abfangjäger) verteilt die Kraft seines V8 schon 1965 auf alle Räder, zudem hat er als Erster ein Anti-Blockiersystem – jetzt aber: mööörp, nein, nicht von Bosch. Von Dunlop.

7. Japaner lassen die Kolben rotieren – Der Mazda Cosmo

Noch mehr vergessene Innovationsträger: Obwohl NSU in den frühen sechziger Jahren die Brutstätte des Wankelmotors ist und Mazda nur Lizenzrechte überträgt, bringen die Japaner zeitgleich mit  dem NSU Wankel-Spider den Cosmo – ihr eigenes Serienmodell mit Rotationskolbenmaschine.

8. Erster Turbolader – Kein Saab, Kein BMW, kein Porsche

BMW und Porsche gelten mit 2002 Turbo (1973) und 911 Turbo (1974) als Lader-Pioniere. Sind sie nicht, weil Oldsmobile ab 1961 den Motor des Jetfire, später Chevrolet den des Corvair mittels Turbo aufblasen.

9. Komfort-Erfindungen – Häufig aus den USA

Ohnehin beweist die technische Vergangenheit, dass es sie tatsächlich gab – die innovative US-Autoindustrie: elektrischer Anlasser, Synchron- und Automatikgetriebe, Klimaanlage, Scheibenbremsen, Tempomat, Servolenkung, Fernlichtassistent, Zentralverriegelung, Nachtsichtgerät – kommt alles zuerst in US-Autos.

10. Der Airbag – Mercedes macht es nicht vor, aber besser

Auch der Airbag: Cadillac und Oldsmobile packen ihn 1974 in viele Modelle, weil er aber im Zweifelsfall eher nicht funktioniert, fliegt er nach einem Jahr gleich wieder raus. Den Durchbruch schafft er erst im zweiten Anlauf – 1980 bei Mercedes. Dort setzen sich ohnehin viele Innovationen auf Anhieb durch: der Dieselmotor für Personenwagen etwa, vor allem aber Sicherheitselemente wie Knautschzonen, Gurtstraffer oder nach der A-Klasse- Kipperei von 1997 viel schneller als geplant das von Bosch entwickelte, 1995 in der S-Klasse präsentierte elektronische Stabilitätsprogramm.

11. Oft kopiert und später erreicht

Für wie marketingrelevant die Hersteller die Einführung neuer Techniken halten, zeigt sich derzeit in einem Streit zwischen BMW und Audi um die höhere Innovationszahl. Die Firmen schicken ihren Händlern viel Material zur Beweisführung. Dabei spricht sich BMW die Einführung des Head-up-Displays im Jahr 2003 zu – das hatten GM-Modelle schon in den achtziger Jahren. Audi wiederum rühmt sich erneut der Erfindung des Allradautos. Sagen wir es gemeinsam: möööööööörp.