Retromobile Paris 2014

Top Speed und Tragödien

Die Sonderausstellung Top Speed würdigt auf der Retromobile zwei Rennfahrer, die Zeit ihres Lebens dem Rausch der Geschwindigkeit anheimgefallen waren: John Godfrey Parry-Thomas und Sir Malcolm Campbell. Ihre Rekordfahrzeuge sind in Paris zu sehen - und zu hören.

Babs Foto: Kai Klauder 21 Bilder

John Godfrey Parry-Thomas war Chef-Ingenieur von Leyland als er 1925 entschied, fortan Geschwindigkeitsrekorde aufzustellen. Sehr erfolgreich, wie in Paris zu erleben ist. Sein dort ausgestellter Rekordwagen "Babs" wird von einem 27-Liter-V12-Flugzeugtriebwerk mit bis zu 600 PS angetrieben. Am 27. April 1926 erreichte der Brite mit dem 1,8 Tonnen schweren Rennwagen 275,271 km/h - neuer Rekord. Doch er hielt nur wenige Monate.

Zwei Briten im Geschwindigkeitsrausch

Parry-Thomas' Landsmann Malcolm Campbell brach den Rekord für radgetriebene Landfahrzeuge am 4. Februar 1927 mit seinem Bluebird Napier Campbell. Er erreichte eine Geschwindigkeit von 281,381 km/h. Parry-Thomas, Gentleman-Driver durch und durch, gratulierte als Erster zu dem neuen Geschwindigkeitsrekord - und machte sich sofort wieder an die Arbeit an seinem Babs. Unter anderem überarbeitete er die Vergaseranlage sowie das Kühlsystem und entwickelte eigene Kolben. Zudem optimierte er mehrfach die Karosserie, um sie noch strömungsgünstiger zu machen.

Am 3. März 1927 war es dann soweit, John Godfrey Parry-Thomas wollte in Pendine Sands in Wales erneut die Krone des schnellsten Landfahrzeugs erlangen. Entgegen den Ratschlägen seines Mechanikers und geschwächt durch eine Grippe-Erkrankung, setzte sich Parry-Thomas ans Steuer seines Babs.

Die ersten Versuche waren vielversprechend - er erreichte 270 km/h. Doch dann geschah es: Parry-Thomas verlor die Kontrolle über seinen Wagen, Babs geriet ins Schleudern, rutschte der Küste entlang, und überschlug sich mehrfach. John Godfrey Parry-Thomas war sofort tot - er soll von einer gerissenen Antriebskette enthauptet worden sein. Als der Wagen wieder auf alle vier Räder zurückgeworfen wurde, ging er in Flammen auf.

Es gab mehrerer Theorien für die Ursache des Unfalls: Von einer gerissenen Antriebskette war die Rede. Oder von einem Bruch der Vorderradaufhängung. Nach dieser Tragödie entschied sich die Familie des Motorsportlers dazu, die Überreste des Rekordwagens an Ort und Stelle zu begraben.

Ausgrabung und Neuaufbau nach 42 Jahren

42 Jahre später hörte Owen-Wyn Owen, Ingenieur und Dozent am Bangor Technical College, von der tragischen Rekordversuchsfahrt - und entschloss sich, Babs zu bergen. Er bekam tatsächlich die Genehmigungen und holte den Rekordwagen zurück ans Tageslicht. Der Zustand war deutlich besser als zu erwarten gewesen wäre. Zwar waren Teile der Karosserie dem salzigen Klima zum Opfer gefallen, doch das Chassis und die mechanischen Komponenten waren weitgehend noch intakt. Owen ließ den Wagen komplett demontieren, reinigen und reparieren. Die fehlenden Teile wurden nachgefertigt.

Nach 8 Jahren Arbeit brüllte dann im Jahr 1977 der 27-Liter-V12 wieder über Pendine Sands. Ausgestellt ist Babs normalerweise im Pendine Museum of Speed, doch vom 5. bis 9. Februar 2014 ist der Rekordwagen auf der Retromobile in Paris zu sehen.

OHC-V12 mit 18,3 Litern Hubraum

Ebenfalls Teil der "Top Speed"-Ausstellung ist ein Sunbeam 450 cv, mit dem Malcolm Campbell am 21. Juli 1925 eine Geschwindigkeit von 242,748 km/h erreichte. Der Rennwagen wurde von Louis Coatalen konstruiert und gebaut. Der Ingenieur aus der Bretagne war Chef-Design-Berater der Marke Sunbeam und bekam den Auftrag, einen konkurrenzfähigen Hochgeschwindigkeitsrennwagen zu bauen.

Als Antrieb wählte Coatalen einen mächtigen Flugzeugmotor. Die Wahl fiel auf einen modern konstruierten V12 der Marke Manitou mit 18,3 Liter Hubraum. Das 350 PS starke Triebwerk besitzt bereits eine obenliegende Nockenwelle und 3 Ventile pro Zylinder.

Bei den ersten Testfahrten im Jahr 1920 gab es eine herbe Ernüchterung: Die Reifen hielten der Belastung nicht Stand und zerbröselten regelrecht. Doch dieses Problem konnte gelöst werden. Am 17. Mai 1922 stellte Lee Guinness, motorsportbegeisterter Spross der Brauereibesitzer-Familie, einen neuen Geschwindigkeitsrekord auf. Er erreichte auf dem Flugplatz von Brookland 216 km/h.

Campbells erster Bluebird

Danach verkaufte Guinness den Wagen an Malcolm Campbell, der ihn in einem kräftigen Blau lackierte und ihn auf den Namen Bluebird taufte. Damit setzte er die erfolgreiche Ära seiner Bluebird-Rekordfahrzeuge vor. Seit 1911 nannte Campbell seine Autos und Rennboote schon Bluebird. Am 21. Juli 1925 erreichte Campbell mit dem Sunbeam 450 cv 242,748 km/h - und stellte Parry-Thomas' Rekord ein.

Nach dieser Rekordfahrt arbeitete Campbell an seinem neuen Rekordfahrzeug, dem 500 HP Bluebird Napier, mit dem er einen weiteren Rekord aufstellte. Übrigens einen von insgesamt 13 Rekorden - 9 zu Land zwischen 1924 und 1935 -, und 4 zu Wasser zwischen 1937 und 1939. Nach seinem Rekord 1931, bei dem er in Daytona/USA 396 km/h für den fliegenden Kilometer erreichte, wurde er von König Georg V. in den Adelsstand erhoben.

Campbells Sohn eifert seinem Vater nach

Malcolm Campbell hatte in seiner Karriere zwar viele schwere Unfälle, doch überlebte er  sie alle. Er starb am 31. Dezember 1948 an einem Herzschlag.

Sein Sohn Donald trat in die Fußstapfen seines Vaters und gierte nach Rekorden. Zunächst auf dem Wasser, wo er mehrmals neue Geschwindigkeitsrekorde aufstellen konnte. Einzigartig ist seine Leistung, dass er in einem Kalenderjahr jeweils einen neuen Rekord für radgetriebene Landfahrzeuge und für Wasserfahrzeuge aufstellte: Er erreichte zuletzt 444,65 km/h mit seinem Rennboot und am 17. Juli 1964 stellte Donald Campbell mit 648,7 km/h einen neuen Rekord für radgetriebene Landfahrzeuge auf.

Donald Campbell verunglückte im Jahr 1967 tödlich. Auf dem Coniston Water, einem 8 km langen See, auf dem schon sein Vater 1939 einen Rekord aufgestellt hatte, wollte er mit seinem Rennboot Bluebird K7 die 300 mph-Marke (482,7 km/h) durchbrechen. Bei 527 km/h überschlug sich das Boot und riss Donald Campbell in den Tod. Das Wrack und die sterblichen Überreste wurden erst im Jahr 2001 geborgen.