AC Greyhound, Talbot-Lago T 14 LS im Fahrbericht

Edel und rar - Zwei Leichtbau-GT

AC Greyhound und Talbot-Lago T 14 LS sprachen als sportliche Leichtbau-Coupés mit moderner Technik einst begüterte Enthusiasten an. Die Marken AC und Talbot-Lago zählen dank ihrer Erfolge im Motorsport zum automobilen Hochadel.

AC Greyhound, Talbot-Lago T 14 LS Foto: Dino Eisele 32 Bilder

Wie fühlt es sich an, wenn man mit dem letzten und nur 54 Mal gebauten Spross einer weltberühmten Auto-Dynastie unterwegs ist? Ganz klar: einfach erhaben. Und tatsächlich ist die Sitzposition im Talbot-Lago T 14 LS von 1957 für ein sportliches Coupé erstaunlich hoch.

Der Boden des Talbot-Lago T 14 LS-Innenraums hat keine wannenförmige Erweiterung nach unten, sodass die Crew trotz der beiden sehr bequemen Schalensitze ziemlich weit oben unter dem kugelig geformten Dach Platz findet. Durch die relativ flach stehende Windschutzscheibe blickt sie deshalb hervorragend auf die Straße und auf die grausilberne Motorhaube mit den geschwungenen Kotflügelwölbungen.

Viel Platz für Fahrer und Beifahrer 

Trotz des großen Lenkrads und einer auf dem Mitteltunnel platzierten, mit Bodenteppich verkleideten Getriebe-Box finden Fahrer und Beifahrer in dem 1,64 Meter breiten Rechtslenker-Coupé Talbot-Lago T 14 LS reichlich Raum. Der Trick dabei: Die Türen haben keine Innenverkleidungen, weshalb sich die Ellenbogen in den sorgfältig tapezierten und mit einer Kartentasche versehenen Tür-Hohlräumen hinein breitmachen dürfen. Gleichzeitig dient der untere Bereich der Türen als großzügige Ablagen für allerlei Krimskrams. Freilich mussten die Talbot-Lago-Konstrukteure hierfür auf Kurbelfenster verzichten, die sie durch sportlich-leichte Schiebefenster ersetzten.

Auch unter der Motorhaube des Talbot-Lago T 14 LS hinterließ die Motorsport-Historie der Franzosen ihre Spuren. Dort arbeitet ein exklusiver 2,5-Liter-Vierzylinder mit zwei obenliegenden Nockenwellen, der bei 5.000/min 120 PS leistet. Der Hubraum ist klug gewählt: Der Talbot-Lago T 14 LS unterlag nicht der in Frankreich gebräuchlichen Luxussteuer. Außerdem wäre das Triebwerk im Rennsport sogar Formel 1-tauglich gewesen, denn die Hubraum-Obergrenze für Saugmotoren lag von 1954 bis 1960 bei 2,5 Liter. Der Talbot-Lago T 14 LS--Motor, der sich mit seiner bescheidenen Nenndrehzahl und einer Verdichtung von 7,6:1 noch in der Ausbaustufe Null befand, hätte durchaus das Zeug zu einer Rennmaschine gehabt.

Turbulente Firmengeschichte von Talbot-Lago

Bevor wir den modernen Vierzylinder des Talbot-Lago T 14 LS starten, noch kurz ein Blick auf die verzwickte Firmengeschichte von Talbot-Lago. Sie gipfelt in heute bis zu drei Millionen Euro teuren Modellen wie dem T 150-C Teardrop Coupé von 1938 oder dem GP-Rennwagen T 26 C von 1948. Charles Chetwynd-Talbot, der 20. Earl of Shrewsbury, importierte ab 1903 französische Autos der Marke Clément, die er in England als Talbot vertrieb. Drei Jahre später baute der Earl seine eigenen Automobile. Im Oktober 1919 wurde Talbot von der französischen Firma Darracq übernommen, die ein Jahr darauf noch Sunbeam dazukaufte. Die STD- (Sunbeam- Talbot-Darracq) Group produzierte daraufhin mit ihren Marken eine Vielzahl verschiedener Modelle.

Als die STD-Group 1935 Pleite machte, übernahm den britischen Firmenanteil die Rootes-Gruppe. Die französische Fabrik in Suresnes ging dagegen an deren bisherigen Produktionsleiter Antonio Lago (1893 bis 1960). Lago schaffte es, seine Firma rasch zu einer weltweit angesehen Premium-Marke zu entwickeln. Berühmte Karosseriebauer wie Figoni & Falaschi, Saoutchik und Chapron schufen spektakuläre Einzelstücke auf Talbot-Lago-Basis. Auch im Rennsport gelangen der neuen französischen Luxusmarke denkwürdige Erfolge. Der niedrig bauende und mit einem 4,5-Liter-Reihensechszylinder motorisierte Grand Prix-Rennwagen T 26 C gewann einige Große Preise und 1950 mit entsprechenden Modifikationen (Kotflügel und Scheinwerfer) sogar das 24-Stunden-Rennen von Le Mans. Dennoch litt die Marke nach dem Krieg unter großen Absatzproblemen. Letzter Hoffnungsträger war der 1955 vorgestellte T 14 LS.

Preis stand dem Erfolg des Talbot-Lago im Weg

Der Motor startet spontan und überrascht mit kernigem, von dezentem Brummen begleiteten Leerlauf. Leichte Vibrationen sind im Lenkrad und sogar im gut gepolsterten Schalensitz spürbar. Brems- und Kupplungspedal stehen etwas gewöhnungsbedürftig weit auseinander. Ansonsten fährt sich der Talbot auch ohne Servo-Hilfen erstaunlich leichtfüßig, präzise und komfortabel. Bei zunehmender Drehzahl reduzieren sich die Motorvibrationen auf ein kaum mehr spürbares Maß. Das bereits bei 2.200/min vorhandene maximale Drehmoment erlaubt eine schaltfaule und dennoch zügige Fahrt.

Man spürt, dass der niedrig bauende Wagen eine große Zukunft vor sich gehabt hätte - wenn er nicht so teuer gewesen wäre. Im Katalog des Genfer Automobilsalons von 1957 steht die stolze Kaufsumme von 28.500 Schweizer Franken. Für nur 21.500 Franken konnte man auch einen Jaguar XK 140 FHC mit 192 PS starkem Sechszylindermotor bekommen.

Auto Carrier gibt AC den Namen

Auch der AC Greyhound (deutsch: Windhund) von 1961 war trotz Sechszylinder kein Schnäppchen. Er kostete satte 33.850 Franken. Für nur ein Drittel mehr gab es bereits einen 243 PS starken Aston Martin DB4 mit mehr als doppelt so viel Leistung. Und im Gegensatz zur Marke Talbot-Lago, die sich nach dem Krieg mit großartigen Triumphen im Rennsport schmücken durfte, sah es bei AC noch düster aus: Der legendäre, von US-Rennfahrer Carroll Shelby ausgedachte Ferrari-Killer AC Cobra mit 4,7-Liter-V8 von Ford kam erst 1962.

Bis dahin mussten sich AC-Fahrer für den Roadster AC Ace und die Coupés Aceca und Greyhound mit drei verschiedenen Reihensechszylindermotoren begnügen - ein selbst entwickelter Zweiliter, der trotz obenliegender Nockenwelle nur 75 PS leistete, der bis zu 125 PS starke Zweiliter von Bristol und ein überarbeiteter 2,6-Liter von Ford mit 170 PS. Trotzdem zählte die bereits 1901 gegründete Marke AC noch vor der Cobra-Ära zum europäischen Automobil-Adel.

Der Auto Carrier, ein dreirädriges Liefermotorrad, machte damals den Anfang und gab AC den heute weltberühmten Namen. Wohin 60 Jahre konsequente technische Entwicklung führen, zeigt der von 1959 bis 1963 gebaute AC Greyhound. Die verlängerte Zwei-Plus-Zwei-Version des Aceca muss sich vor seinem noblen Konkurrenten aus Frankreich nicht verstecken: Die aus Aluminium gefertigte Karosserie des AC Greyhound ruht ebenfalls auf einem Rohrrahmen; der bewährte, einst von BMW konstruierte Reihensechser liefert mit 105 PS die ähnliche Leistung. Darüber hinaus punktet der AC Greyhound mit einzeln aufgehängten Hinterrädern und elektrisch zuschaltbarem Laycock-de-Normanville-Overdrive.

Der Talbot-Lago ist der sportlichere, der AC der wohnlichere GT

Optische Glanzlichter der beiden Sportler sind jeweils die Heckpartien. Der Franzose kombiniert hier eine niedrige Panaromascheibe mit voluminös nach oben strebenden Kotflügelbögen, während das Greyhound-Dach spitz zum Heck ausläuft. Es wird von zwei Mini-Heckflossen im Aston-Martin-Look seitlich begrenzt. Im Innenraum fallen die Unterschiede noch gravierender aus. Fahrer und Beifahrer im AC sitzen weit voneinander entfernt direkt an den Türverkleidungen und genießen daher nicht die gleiche Raum-Opulenz wie im Talbot-Lago. Auch die grünen, klappbaren Ledersitze sind zierlicher gehalten. Andererseits bietet der Brite auch hinten zwei Sitzplätze, auf denen zumindest Kinder bequem mitreisen dürfen. Zuletzt sorgt das dunkelbraune Wurzelholz im Cockpit für eine gemütlich-warme Atmosphäre, während der mit hellgrauem Stoff bespannte Instrumententräger des Talbot-Lago eine mehr kühle, sachliche Eleganz zur Folge hat.

Der AC-Fahrer dreht an einem kleineren, steiler stehenden Lenkrad und blickt auf schwarze Instrumenteneinfassungen anstelle von Chromumrahmungen im Franzosen. Im AC weht also bereits der moderne Geist der sechziger Jahre - mit einer markanten Ausnahme: Trotz ihres identischen Gewichts von rund einer Tonne fährt sich der Talbot-Lago leichtfüßiger und agiler als der AC, dessen Vorderwagen mit mehr Nachdruck durch Kurven gezwungen werden will.

Erstaunliches Resümee des exklusiven Fahrvergleichs: Der um vier Jahre ältere Talbot-Lago ist eigentlich der wahre Greyhound. Beide vereint jedoch ihre hohe Exklusivität, die den AC Greyhound mit nur 83 gebauten Exemplaren ebenfalls nicht als Massenauto erscheinen lässt. Und natürlich ihre Herkunft aus bestem Hause.