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Ford Escort RS 2000 & Opel Kadett GT/E Fahrbericht

GTI-Vordenker von Ford und Opel

Opel Kadett GT/E und Escort RS 2000 sind zwei Vertreter der Gattung "Großer Motor, kleines Auto". Eine Kombination, die viel Fahrspaß bedeutet. Lange vor dem Golf GTI machte sie bei Opel und Ford Schule. Die brauchten nur ins Regal zu greifen, um mit übermütigen Kadett GT/E und Escort RS 2000 gleich zwei Hubraumklassen zu überspringen.

Ford Escort MK II RS 2000, Opel Kadett C GT/E Foto: Hardy Mutschler 20 Bilder

Die Formel ist einfach. Mitte der Siebziger definierte sich ein populäres sportliches Auto nach wenigen Kriterien. Da fragte noch keiner nach aufwendig konstruierten 16-Ventilern mit zwei obenliegenden Nockenwellen oder nach Multilink-Hinterachsen. Es zählten simple, schlagende Argumente, die sich in den leistungshungrigen Siebzigern auch werblich gut vermarkten ließen: Spitze 180, von null auf Hundert in 10 Sekunden, Leistung 100 PS, Gewicht 1.000 Kilo, Preis 15.000 Mark. Großserienhersteller wie Ford oder Opel hatten es besonders leicht, diese lukrative Marktnische zu füllen. Das kleine Muscle-Car war geboren. 

Einfach, aber effektiv: Kriegsbemalung, Sportlenkrad, Tieferlegung

Ihnen genügte ein Griff ins Motorenregal - und das großvolumige Mittelklasse-Triebwerk landete unter der Haube der preiswerten Kleinwagen Escort und Kadett. Dazu noch ein bisschen Kriegsbemalung, ein gelochtes Sportlenkrad und ein paar Federwindungen weniger - fertig waren die Verkaufsschlager für mehr Fahrspaß, die Power-Hits für junge Leute, die sich noch keinen BMW 323i leisten konnten.

Der Rallye-Kadett von 1967 mit 1900er-Rekord-Motor strickte als erster junger Wilde die Masche vom großen Motor im kleinen Auto. Der VW Golf GTI von 1976 schließlich erhob das Baukastenspiel zu Kult und Perfektion. Jetzt treffen zwei brachiale Hecktriebler aufeinander - Ford Escort RS 2000, der Zweite, harmonisierte mit der Kunststoffnase, und Opel Kadett GT/E. Beide mit ernsthaften Rennsport-Ambitionen, nebenbei homologiert für die Gruppe 1. Escort und Kadett bekämpften sich schon in der vorherigen Generation. Denn das Topmodell des Hundeknochen hieß bereits RS 2000, ein technisch simpel gestricktes kleines Muscle Car mit 100 PS, hinterer Blattfeder-Starrachse und plakativer Zweifarben-Lackierung in Weiß und Blau.

Der Zweiliter-Vierzylinder mit obenliegender Nockenwelle und Querstrom-Zylinderkopf stammte aus dem Ford Consul. Ursprünglich wurde er in den USA für den kompakten Käfer-Killer Ford Pinto konstruiert, um dann hierzulande erst als 1,3- und 1,6-Liter im Knudsen-Taunus anzuheuern. Zugegeben, es gibt charismatischere Vierzylinder: Er ist zwar einen Hauch moderner als der altbewährte Opel-Camshaft-in-Head-Motor, doch wie dieser ein bisschen zäh, ein bisschen brummig, andererseits robust und langlebig. An dem schlichten Grauguss-Aggregat mit zahnriemengetriebener Nockenwelle ist eigentlich gar nichts sportlich, bis auf sein ausgeprägtes Tuning-Potenzial, was in der Regel auf alle kerngesund konstruierten Bauernmotoren zutrifft. So ließ sich der bärbeißige Escort mit dem hauseigenen Rallye Sport-Zubehör nach dem Vorbild des Ford Capri RS 2600 willig zum professionellen Allzwecks-Wettbewerbsmodell hochzüchten, was vor allem die Amateurfahrer freute.

Kadett GT/E: als attraktiver gelbschwarzer Straßenfeger

Besagtes Opel Rallye Kadett Coupé 1900 mit 90 PS stand damals noch kurz als kultiviertere und zahmere Alternative zum Escort RS 2000 bereit - drin steckte der brave 1900er-Rekord-Motor mit der Nockenwelle im Zylinderkopf und solider Duplexkette. Die Fahrleistungen waren kaum schlechter, aber der Auftritt des schicken Fastback-Coupés geriet viel eleganter als das des ziemlich halbstarken Hundeknochens. Doch Rennsport-Ambitionen waren dem Rallye-Kadett, bis auf ein paar erfolgreiche Einsätze mit Hannelore Werner und Bengt Dahlberg, fremd.

Auch wenn die Models damals im Prospekt mit Helm neben dem Wagen posierten. Opel atmete tief durch und setzte im Motorsport auf den Ascona A, der dank fortschrittlichem Fahrwerk und moderner, sachlicher Form besser in die Zeit passte als der Sechziger-Jahre-Kadett. Denn dessen sinnliche Coke-Bottle-Hüften und die Kiemen-C-Säule galten nicht länger als Schönheitsideal. Als Ascona-A-Nachfolger für die Homologation lancierte Opel zur IAA 1975 den Kadett GT/E, einen attraktiven gelbschwarzen Straßenfeger mit 1,9-Liter-Einspritzmotor und 105 PS. 

Ab Ende 1977 übernahm der populäre Rallye 2.0 E mit 110 PS dann den Part des ambitionierten Volkssportlers. Der GT/E stieg mit der legendären 1000er-Serie endgültig zum professionellen Basis-Sportgerät auf. Pop-Lackierung in den Opel-Farben weißgelb, Fünfganggetriebe, ein 50-Prozent-Sperrdifferenzial, geschmiedete Fuchs-Räder und Recaros serienmäßig. Damit toppte der GT/E sogar den RS 2000, der bislang als Sport-Baukasten die Nase vorn hatte. Zeitsprung in die Gegenwart.

Zwei Erzrivalen auf der Landstraße

Eine Fahrt mit dem Kadett GT/E der 1000-Serie auf der B 12 zwischen München nach Passau gilt selbst für routinierte Fahrer als Herausforderung. Ihr kurvenreicher Verlauf und der dichte Lastwagenverkehr auf dieser Ost-West-Magistrale hemmt zügiges Vorankommen. Man fährt sie nicht gern, ein gewisses Unbehagen schwingt mit, auch wegen der vielen Holzkreuze im noch schütteren Frühlingsgrün.

Im äußersten Südosten Bayerns trifft der weißgelbe Opel Kadett GT/E aus der Sammlung von Opel Classic auf seinen einstigen Erzrivalen Ford Escort RS 2000. Es ist die zweite Serie, mit der schrägen 16 Zentimeter langen Nase aus Polyurethan-Kunststoff, aus der die Doppelscheinwerfer vorwitzig glotzen. Damit wahrt das Topmodell RS 2000 klare Distanz zu den Graubrot-Versionen des Escort II. Nur der 1600 Sport mit den Deostreifen und dem 1,6-Liter-84-PS-Kent-Motor sticht plakativ heraus.

Ausgesprochen zügig geht es im kleinen, leichten Coupé auf der B 12 vorwärts. Überholen fällt leicht, lässiges Zurückschalten vom fünften in den vierten Gang genügt zum Überholen. Die vielen lang gezogenen Kurven erlauben zumindest in der Ebene eine gute Sicht auf den Gegenverkehr. Vierter und Fünfter liegen beim ZF-Sportgetriebe des Kadett GT/E in einer Schaltebene. Das erleichtert den ständigen Gangwechsel auf der viel befahrenen Bundesstraße mit ihren häufig wechselnden Tempi.

Dabei begeistert das Durchzugsvermögen des Zweiliter-Vierzylinders. Ein entschlossener Tritt auf das Gaspedal, und der nur 920 Kilogramm leichte GT/E stürmt, souverän wie ein moderner großvolumiger Turbodiesel, davon. Noch spektakulärer ist der Geschwindigkeitszuwachs im dritten Gang, etwa beim Beschleunigen vor einer dieser vielen langen Steigungen. Selbst bei einer Motor schonenden Schaltdrehzahl von 5000/min, erlaubt sind 6200 Touren, kurzzeitig sogar 6500/min, schießt der wieselflinke Leichtathlet vehement nach vorn. Die Lastwagenkolonnen aus Osteuropa verlieren so ihren Schrecken. Überholen macht plötzlich Spaß, rasch arbeitet man sich nach vorn, hellwach, jede Möglichkeit nutzend.

Kadett verleitet zu ambitionierter Fahrweise

Der rasante Kadett verführt selbst den gelassensten Cruiser zu einer ambitionierten, sportlichen Fahrweise. Er ist das genaue Gegenteil einer S-Klasse-Hängematte, bei der die Automatik und der großvolumige V8-Motor es schon richten - leise, weich, mühelos, eben unaufgeregt elegant. Der karge Kadett kann das alles nicht. Er bietet noch nicht einmal eine Zeituhr, einen Handschuhkastendeckel, eine Beifahrer-Sonnenblende oder einen Tageskilometerzähler, obwohl alles zusammen keine 500 Gramm wiegen würde. Nur primitive Fußmatten bedecken züchtig nacktes Blech im Innenraum. Er verkörpert das lebensfrohe Gegenteil von saturierter Opulenz, weil er klein ist, laut ohne jegliche Dämmung, hart und irgendwie dramatisch. Er fordert Konzentration und vermittelt jede Menge Fahrspaß, den man sich jedoch erarbeiten muss.

An dieser Körperertüchtigung hat auch das ZF-Fünfganggetriebe regen Anteil, es schaltet sich widerspenstig wie ein altes Lastwagengetriebe und erfordert eine gefühlvolle Bedienung. Langsames Schalten hilft, auch Doppeltkuppeln und beim Herunterschalten eine Portion Zwischengas machen es geschmeidiger. Oben heraus klingt der unspektakulär konstruierte Opel-Zweiliter-Vierzylinder mit den kurzen Stößelstangen recht laut. Dann heult er mit dem rauen Getriebe um die Wette. Die aufdringliche Akustik wird untermalt von mechanischem Rasseln, als sei das Ventilspiel zu groß. Das gänzlich gusseiserne Einspritz-Triebwerk ist längst aus dem 74er Manta A GT/E bekannt und um zwei Millimeter auf zwei Liter aufgebohrt. Es verzichtet in seiner schärfsten, wenn auch im Vergleich zum Rallye 2.0 E nur fünf PS stärkeren Version auf die dämpfenden Hydrostößel und setzt auf härtere Ventilfedern.

Die fortschrittliche Bosch L-Jetronic hatte bereits der Vorgänger GT/E mit 1,9 Liter Hubraum. Eine schärfere Nockenwelle mit optimierten Steuerzeiten, eine höhere Verdichtung, 9,6 statt 9,2 : 1, und ein größerer Luftmengenmesser sorgen für den spärlichen Leistungszuwachs und zeigen bemüht an, dass der Motor ohne Querstromkopf damit ziemlich ausgeschöpft ist. Die durchtrainierte Askese des Kadett GT/E pariert der veneziarote 79er Escort RS 2000 Mk II von Heinrich Haselböck mit dem Wohlfühlaroma eines Gran Turismo. 

Escort ohne Überrollbügel, aber mit Leistungssteigerung

Der Escort ist innen in schlichtem Schwarz wohnlich eingerichtet, kein sperriger Überrollbügel wie im GT/E klaustrophobiert das Raumgefühl. Nichts wird vermisst, die Scheel-Schalensitze sind bequem gepolstert, das griffige RS-Lederlenkrad liegt angenehm in der Hand. Dieses Komfortpaket mit den üppigen Türverkleidungen, den Teppichen auch im Kofferraum, den Sportsitzen und dem gedeckelten Handschuhfach nannte Ford im RS-Prospekt prosaisch Zusatzausstattung. Wie der Kadett bietet auch der Escort einen Öldruckmesser, allerdings nicht auf der Mittelkonsole, sondern vor den Augen des Fahrers platziert.

Ganz original ist Haselböcks RS 2000 jedoch nicht. "Ich habe Technik und Optik gleichermaßen in meinem Sinne verfeinert", erklärt der 52-jährige Mechaniker, der bei ZF in der Automatikgetriebe-Produktion arbeitet und das zeitaufwendige Escort-Hobby mit seinem Sohn Stefan teilt. "Dazu gehört der Einbau des MT 75- Fünfganggetriebes aus dem Sierra, das Drehzahl und Verbrauch erheblich senkt und sich noch sahniger schalten lässt als die originale Viergangbox. Auch der nachträgliche Einbau eines Sperrdifferenzials war mir wichtig", sagt der ambitionierte Sportfahrer, "um die 132 PS griffig auf die Straße zu bringen."

Serienmäßige Tieferlegung ab Ford-Werk

Serienmäßig hat der RS 2000 immerhin 110 PS mit nur einem Weber-Register-Fallstromvergaser. Heinrich installierte gleich zwei Weber-Gasfabriken - und zwar horizontale vom gesuchten Typ 44 IDF. Klangvoll inhalieren sie die Ansaugluft über zwei Sportluftfilter von K & N. Polierte Ansaugkanäle und ein Fächerkrümmer helfen dem Zweiliter weiter auf die Sprünge. Damals gab es auch im Ford RS-Programm ganz offiziell ein Tuning-Paket für 132 PS Leistung. Die Sechs-Zoll-RS-Alu-Felgen stammen vom Capri, mit den Reifen im Format 205/60-13 füllen sie die Radkästen voll aus.

Der RS 2000 liegt bereits serienmäßig 20 Millimeter tiefer als die profaneren Versionen des Escort II. Der leicht getunte OHC-Vierzylinder mit seiner optimierten Füllung hängt noch spontaner am Gaspedal als der außen erstaunlich leise Einspritzmotor des Kadett GT/E. Voll beschleunigt gibt der RS den röhrenden Hirsch, Auspuffton und Ansauggeräusch verschmelzen zum typischen Vierzylinder-Sportsound der Siebziger, als diese Autos noch am Wochenende in Privathand um die Nordschleife tobten.

Im Verbund mit dem leichtgängig und präzise geführten Fünfganggetriebe, das mit ultrakurzen Schaltwegen auskommt, bietet der Escort RS das weit kultiviertere Fahrvergnügen. Die Lenkung ist zwar indirekter, aber weniger schwergängig als die des Kadett, die bei niedrigem Tempo kräftiges Zupacken erfordert. In schnellen Kurven kommt die blattgefederte Hinterachse des Escort RS 2000, obwohl durch optionale Gasdruckstoßdämpfer und zwei zusätzliche Längslenker mustergültig im Zaum gehalten, eher an ihre Grenzen als die immerhin schraubengefederte hintere Starrachse des Kadett GT/E. 

Beide Autos lassen sich spielend leicht einfangen

Der Escort untersteuert stärker, lässt sich aber leichter zum Ausbrechen des Hecks provozieren. Der Kadett liegt ungemein neutral und vollzieht im Grenzbereich einen wunderbar sanften Wechsel zum Übersteuern, beide Autos lassen sich spielend leicht durch Gegenlenken wieder einfangen. So problemlose Drifts entlarven die Lastwechselreaktionen ansonsten unaufgeregter Fronttriebler geradezu als gefährlich.

Die simple Gleichung kleines Auto plus großer Motor gleich große Fahrfreude geht also immer noch auf - vor allem, wenn der Hinterradantrieb als positives Vorzeichen mitspielt. Der Escort RS 2000 ist das komfortablere und harmonischere Auto, sein Rivale, der Kadett GT/E, das extremere mit hohem Suchtpotenzial.