Lotus Esprit im Fahrbericht

Colins Keil

Lotus Esprit - Verbindung von italienischem Design mit britischer Rennsport-Technik. In einer JPS-Sonderversion erinnert er an die Lotus-Erfolge in der Formel 1. Kann ein Sportwagen sportlicher sein?

Lotus Esprit Foto: Arturo Rivas 27 Bilder

Wer vor 32 Jahren in diesem Lotus Esprit mit der originalen John-Player-Special (JPS)-Lackierung unterwegs war, musste ständig damit rechnen, etwas genauer unter die Lupe genommen zu werden. Vor allem junge Frauen in engen Mini-Röcken bückten sich gelegentlich bis auf Rocksaumhöhe hinab, um ins helle Lotus-Cockpit zu blicken.

Auf 100 Exemplare limitiertes Sondermodell des Lotus Esprit

Kopfschüttelnd richteten sie sich dann wieder auf: Nein, da im Lotus Esprit sitzt nicht Mario Andretti am Steuer, nicht der braungebrannte und freundlich lächelnde Formel 1-Fahrer (und -Millionär) aus den USA mit dem italienischen Namen. Der Formel 1-Weltmeister von 1978 begnügte sich auf der Rennstrecke mit seinem schwarzen JPS-Lotus 79 und fuhr privat lieber einen bequemeren Wagen als den Lotus Esprit, eine viertürige S-Klasse von Mercedes zum Beispiel.

Trotzdem ist Mario Andretti mit seinem Formel 1-WM-Titel - der siebte und bislang letzte für Lotus - so etwas wie der Pate dieses Sondermodells, das Ende 1978 vorgestellt wurde. Unser Fahr- und Foto-Lotus Esprit ist die Nummer 28 von 100 der Commemorative Edition im JPS-Look, die mit einer Jahreszahlenplakette an die sechs von Lotus gewonnenen WM-Titel der Formel 1-Konstrukteurswertung erinnert: 1963 und 1965 mit Jim Clark, 1968 mit Graham Hill, 1970 mit Jochen Rindt, 1972 mit Emerson Fittipaldi, 1973 ohne Fahrer-Titel (Jackie Stewart siegt im Tyrrell-Ford) und schließlich 1978 Mario Andretti. Doch diese Zahl fehlt auf der Ehrenplakette am Esprit – wahrscheinlich steht der gesamte Wagen für den damals aktuellen, siebten Titelgewinn.

Lotus Esprit - das heißt: Mühsamer Einstieg, liegende Sitzposition und superbes Handling

Das tiefe Schwarz der Lotus Esprit-Karosserie sowie die goldfarbenen Zierlinien, Scheibeneinfassungen und Felgen stehen der von Giorgetto Giugiaro entworfenen und mit nur minimalen Veränderungen bis zur Serienreife entwickelten Karosserie ganz hervorragend. Besonders wenn man weiß, dass das Stylingpaket einschließlich der sandfarbenen Sitze wirklich von Lotus stammt und seit 1979 keiner Aufarbeitung unterzogen wurde: Genau jene Plaketten, Streifen und Schildchen kleben noch am Esprit, die vor 35 Jahren ein britischer Lotus-Worker mit seinen geschulten Augen zentimetergenau am Wagen anbrachte.

Dieser Lotus Esprit stand damit symbolisch für die Erfolgsstory der kleinen Rennwagen-Firma Lotus, die Colin Chapman bereits 1952 gegründet hatte.

Drei Dinge stellen außer der Lackierung tatsächlich eine Verbindung zum Formel 1-Lotus von Mario Andretti her: Der mühsame Einstieg, die fast liegende Sitzposition und das superbe Handling. Generell macht es immer leichte Probleme, sich in einen nur 1,11 Meter hohen Sportwagen (kein Cabrio!) von der Seite her einzufädeln. Beim Esprit müssen zudem die Beine über einen Mini-Handbremshebel geschwungen werden, der den Türausschnitt im Fußbereich mehr oder weniger versperrt.

Nach dem Ertasten der eng stehenden Pedale und dem Ergreifen des handlichen Lenkrads stellt der Lotus Esprit-Fahrer fest, dass er nicht im Wagen sitzt, sondern liegt. Deshalb empfängt mehr die Wirbelsäule als der Hintern die harmlosen Vibrationen des im Standgas munter brummenden Vierventil-Vierzylinders.

Typisch Chapman, typisch Lotus: Pragmatische Lösungen

Die Sicht nach vorn ist besonders für den Beifahrer phänomenal, weil die flach stehende Windschutzscheibe zusammen mit dem niedrigen Armaturenbrett weit nach vorn gerückt ist. Vor dem Fahrer breitet sich dagegen ein bogenförmiger Instrumentenkasten aus, auf dem sich auch die Schalter und Knöpfe befinden. Mit Hilfe dieses leicht zu montierenden Bedienungs- und Instrumenten-Moduls ließen sich ohne großen Aufwand (Lenkung und Pedale ausgenommen) Rechtsund Linkslenker-Versionen herstellen.

Fahrer und Beifahrer liegen im Lotus Esprit übrigens ziemlich weit voneinander entfernt in ihren weich gepolsterten Schalensitzen. Außerdem ragt die mit Polsterstoff bezogene Mittelkonsole weit nach oben und bietet sich so als lässige Armablage an. Darunter verbirgt sich das Lotus-typische, vom Vorgänger Europa übernommene und modifizierte Zentralrahmen-Chassis.

Mühelos und fast nur mit Standgas setzt sich der gerade mal 1020 Kilogramm leichte Lotus Esprit in Bewegung. Rasch wechselt man die Gänge des Fünfganggetriebes, das auch im Citroën SM Verwendung fand. Hysterisches Hochdrehen macht im Alltagsverkehr wenig Sinn, zumal die Nennleistung von 162 PS schon bei 6.200/min bereit steht.

Fahrleistungen auf Porsche 911-Niveau

Trotzdem ist der Zweiliter-Vierventiler des Lotus Esprit kein Langweiler oder gar Drehzahlverweigerer, sondern saugt beim spontanen Gasgeben sein Benzin-Luftgemisch gierig aus den beiden Dell'Orto-Doppelvergasern. In sieben Sekunden knackt ein voll gefahrener Lotus Esprit die 100-Kilometer- Marke und liegt damit auf dem Niveau eines Porsche 911 SC. Im Verbund mit der zielgenauen und spontan agierenden Lenkung kommt also doch noch ein bisschen Lotus 79-Gefühl auf, selbst wenn vier Zylinder und rund 300 PS fehlen.

Auch der kernige Sound von Motor und Getriebe, die versteckt unter einer abnehmbaren Kunststoffkiste hinter den Sitzen ihre Arbeit verrichten, erinnern etwas an einen Rennwagen. Zuletzt betrachten wir einige billig gemachte Details des Lotus Esprit wie die Cockpitverkleidungen, Türscharniere oder Gepäckabdeckung als einen Tribut an den Leichtbau und die glanzvolle Renngeschichte der Marke Lotus - Colin Chapman Special eben.

Lotus Esprit-Alternativen bis 15 000 Euro

Wer 15.000 Euro (und weniger) nicht für einen exzentrischen und etwas unbequemen Esprit ausgeben möchte, der ist mit den folgenden drei Modellen aus drei verschiedenen Dekaden sehr gut bedient.

Triumph GT6: MG machte es 1965 mit dem B vor, dass man aus einem Cabriolet auch ein attraktives und dabei praktisches Heckklappen-Coupé zaubern kann. Triumph zog ein Jahr später nach und präsentierte den GT6 auf Basis des Spitfire. Die etwas schwerere Coupé-Karosserie (920 Kilogramm) des GT6 erhielt einen Zweiliter-Reihensechszylinder mit 105 SAE-PS. Spitze: 175 km/h. Empfehlenswert sind Modelle ab 1968 mit verbesserter Hinterachse.

Opel GT 1900: Mit dem zweisitzigen, aufgeregt geformten Sportcoupé legte Opel 1968 endgültig sein Fahrer-mit-Hosenträger-Image ab. Kein anderer deutscher Hersteller hatte ein ähnlich spektakuläres, nur zweisitziges Modell im Programm. Dank der windschlüpfigen, mit Klappscheinwerfern ausgestatteten Karosserie genügten 90 PS für 185 km/h. Die Technik stammte vom Opel Kadett B, die Motoren aus dem Rekord C: Was konnte da noch schiefgehen?

Nissan 280 ZXT Turbo: Während der Ära japanischer Coupés vom Schlage eines Honda Prelude und Toyota Celica/Supra nahm der Nissan 280 ZX (1978 bis 1983) mit seiner langen, flachen Schnauze und Reihensechszylinder eine Sonderstellung ein. Dank T-Roof-Dach und 200 PS starkem Turbomotor - Spitze 230 km/h - macht er sogar dem Porsche 944 Konkurrenz. Die Turbo sind selten, doch auch die 150-PS-Sauger gehen gut und sind rund 3.000 Euro günstiger.