Alfa Romeo Alfetta GT 1.6 im Fahrbericht

Rennfahrerfeeling im italienischen Coupé

Diese Alfa Romeo Alfetta GT 1.6 gehörte zuletzt einem italienischen Polizeichef. Der wollte das Auto eigentlich niemals hergeben. Doch das war der besondere Reiz für den Käufer. Motor Klassik ist mit dem italienischen Coupé gefahren.

Alfa Romeo Alfetta GT 1.6 Foto: Hardy Mutschler 11 Bilder

Am diesem Alfa Romeo Alfetta GT 1.6 hat die Zeit tatsächlich kaum Spuren hinterlassen. Selbst die Plastikfolie, die seit dem Tag der Auslieferung im Jahr 1980 die hintere Sitzreihe vor Staub und Kratzern schützt, ist noch vorhanden. Ebenso der komplette erste Schlüsselsatz und eine vollständige Bordmappe inklusive Inspektionsheft. Viele Einträge finden sich darin allerdings nicht. Der erste Gedanke lässt auf einen nachlässigen Vorbesitzer schließen, vielleicht sogar einen Wartungsstau. Der Blick auf den Kilometerzähler signalisiert dagegen Entwarnung: Mit einer Laufleistung von nur 27.000 Kilometern ist diese Alfetta GT 1.6 praktisch kaum bewegt worden. Der bestechend rostfreie und zudem unrestaurierte Originalzustand des Fahrzeugs erstickt jeden Zweifel an dieser Zahl gleich im Ansatz.

Die Alfa Romeo Alfetta GT 1.6 sollte gar nicht verkauft werden

Hartmut Stöppel hat das Coupé erst kürzlich in Italien gekauft. Über ein Netz von in vielen Jahren gewachsenen Kontakten, so der Old- und Youngtimerhändler aus Bonn, habe er von dieser Alfetta erfahren. Das Auto gehörte einem Polizeichef, der sich jedoch unter gar keinen Umständen davon trennen wollte. "Das hat mich umso mehr angespornt", erklärt Stöppel, dessen Händlerehre nun offensichtlich herausgefordert war. Die Verhandlungen mit dem Capitano waren dann allerdings doch sehr zäh und zogen sich über mehrere Tage. "Zum Schluss bin ich mit einer teuren Flasche Wein erschienen." Das würde sich bei Terminen mit Italienern erfahrungsgemäß immer recht gut machen - und hat offenbar auch in diesem Fall funktioniert.

Am nächsten Tag, so Stöppel, ist er mit dem frisch erworbenen Auto sofort in Richtung Deutschland aufgebrochen, bevor sich der Capitano die ganze Sache doch noch anders überlegt. Und womöglich sämtliche verfügbaren Carabinieri zu einer Großfahndung veranlasst. Eigentlich müsste man den guten Mann aus Italien um seinen Verlust jetzt ein wenig bedauern, denn der weiße Lack betont die klare, sportliche Linie des Coupés überaus markant.

Die Karosserie des Alfa Romeo Alfetta GT 1.6 kommt von Giugiaro

Dessen Geschichte beginnt genau genommen 1972, als Alfa Romeo für eine neue Limousine den Namen Alfetta in Anlehnung an einen Rennwagen von 1938 (Tipo 158) aus der Versenkung hervorkramt. Der Grund: Beim neuen Familienauto wurden wie bei dem Boliden von einst Getriebe und Kupplung an die Hinterachse verlegt (Transaxle-Prinzip). 1974 präsentiert Alfa Romeo schließlich die Coupé-Variante Alfetta GT, die sich der Technik der Limousine bedient. Doch im Gegensatz zu den bisherigen Gepflogenheiten des Mailänder Hauses stammt die Karosserie diesmal nicht von Bertone, sondern von Italiens neuem Designer-Star Giorgio Giugiaro. Dessen Handschrift ist unverkennbar und wiederholt sich später in vielen seiner Entwürfe: eine extrem flache, keilförmige Frontpartie, die niedrige Windschutzscheibe und das hohe Abrissheck.

Eine Alfetta GT wirkt aus jedem Winkel dynamisch und formvollendet, wobei sich ihre Besitzer gern schräg von vorn vor das Fahrzeug stellen. Weil das Auto aus dieser Perspektive wegen der heruntergezogenen Front und der geschwungenen Seitenlinie besonders angriffslustig daherkommt. Als Antriebsquelle dient in den ersten beiden Jahren der bewährte (und von seinen Fans längst unter Denkmalschutz gestellte) Doppelnockenwellen-Vierzylinder mit 1,8 Liter Hubraum und 120 PS. Zwei Jahre später ersetzt Alfa die 1.8-Liter-Variante durch die GTV 2.000 (das V steht für Veloce = schnell). Der Zweiliter tritt mit identischer Leistung wie sein Vorgänger an, verfügt jedoch über eine Portion mehr Drehmoment. Gleichzeitig erscheint als Antwort auf ein neues italienisches Gesetz die 108 PS starke Alfetta GT 1.6: Führerscheininhabern unter 21 sowie über 65 Jahren war es auf einmal nicht mehr gestattet, Autos zu bewegen, die schneller als Tempo 180 liefen - was exakt der offiziell eingetragenen Höchstgeschwindigkeit des neuen 1.600er entsprach.

Rennfahrerfeeling im Innenraum

Auch wenn es die Leistung nur bedingt zuließ - am Steuer der weißen Alfetta GT 1.6 durfte sich nicht nur unser süditalienische Capitano wie ein Rennfahrer gefühlt haben. Direkt vor dem Piloten befindet sich einzig ein üppig dimensionierter Drehzahlmesser - wie man es aus waschechten Sportwagen kennt. Die übrigen Instrumente, ein großer Tacho sowie drei kleinere Anzeigen für Tankinhalt, Öldruck und Wassertemperatur, wurden in die Mitte des Cockpits gerückt. Diejenigen, die an dieser ungewöhnlichen Anordnung herumnörgelten, weil es in Zeiten der Geschwindigkeitsbegrenzungen doch viel wichtiger sei, den Tacho und nicht die Anzahl der Kurbelwellentouren im Auge zu behalten, hatten das faszinierende Wesen einer Alfetta GT ohnehin nicht verstanden. Bei jenen Zeitgenossen würde der Funke wohl nicht einmal überspringen, wenn der Motor gestartet wird.

Im unteren Drehzahlbereich gibt sich der Vierzylinder noch leise und kultiviert. Fans stellen sich jetzt hinter das Auto, weil bei ihnen kaum etwas mehr für gute Laune sorgt als das Alfa-typische sonore Auspuffbrummen, sobald die Fuhre in Schwung gerät. Tatsächlich versteht auch die kleine GT-Ausgabe ihr Handwerk, faucht beim Ansaugen leidenschaftlich und aggressiv wie ihr größerer Bruder. Um mit dem zumindest ansatzweise mithalten zu können, muss man als 1.6-Pilot jedoch weitaus öfter durch das Getriebe steppen und den 1600er gelegentlich voll ausdrehen. Zwischen 4.000 und knapp 6.000 Touren klingt das Auto dann immer ein wenig schneller, als es eigentlich ist. Vermutlich war es damals ratsam, sich trotz des dynamischen Auftritts nicht allzu oft zu Ampelsprints herausfordern zu lassen. Bis Tempo 100 verrinnen über 13 Sekunden, da waren viele andere, weniger sportlich ausgerichtete Autos schon längst auf und davon.

Die Alfa Romeo Alfetta GT 1.6 fährt sich wie auf Schienen

Zum Glück sagen solch profane Messwerte nur wenig über den Fahrspaß aus. Der ist umso größer, je mehr Kurven und Kehren unter die Räder einer Alfetta GT kommen, denn dort zieht das Coupé wie hingedübelt seiner Bahn. Einen Teil trägt die gute Gewichtsverteilung dazu bei, weil sich Kupplung und Getriebe an der DeDion-Hinterachse befinden. Zum anderen garantiert deren Konstruktion mit zwei Wattstäben selbst bei starker Karosserieneigung in schnell gefahrenen Ecken lange Zeit eine optimale Radgeometrie. Die Lenkung entpuppt sich zudem als überaus präzise: Der GT folgt jedem Richtungsbefehl wie ein gut erzogener Hund seinem Herren.

Mühelos flutscht das Auto durch jeden Parcours, fast so, als hätte jemand klammheimlich Schienen unter dem Asphalt verlegt. Nebenbei stimmt sogar der Federungskomfort. Selbst Landstraßen zweiter Ordnung können eine Alfetta kaum aus der Reserve locken. Für alle, die beim Anblick des weißen Coupés jetzt etwa auf den Geschmack gekommen sein sollten: Diese Alfetta GT ist bereits schon wieder verkauft. Und es heißt, dass der neue Besitzer das Auto auf gar keinen Fall hergeben will.