Jaguar XJ 300 (1994 bis '97) Kaufberatung
Augen auf beim Jaguar-Kauf

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Sie suchen eine große Limousine und finden die üblichen Verdächtigen zu gewöhnlich? Vielleicht ist der Jaguar XJ etwas für Sie. Seit 1994 ist er als X300 wieder ganz vorn in der Stilwertung. Und als X308 schlägt er motorseitig ein neues Kapitel auf.

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Foto: auto motor und sport

Wir fangen hier nicht das alte Lied vom XJ40 an. Die 1986 nach einer unfassbar langen Entwicklungszeit präsentierte Limousine wird – sperriges Design mit eckigen Scheinwerfern und teildigitalisiertes Cockpit hin oder her – ihren Platz in der Geschichte finden. Vielleicht war der XJ40 auch nur eine missglückte strategische Idee, wie es den Bewohnern der großen Insel ja durchaus öfter mal passiert. „Wir machen den mal nicht ganz so schön, dann wirkt der Nachfolger umso eleganter“ – so in der Art.

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Nein. Wir verlieben uns auf diesen vier Seiten mal ganz ungeniert in Alternativen zu den dominanten S-Klassen, Siebenern und A-Achtern: in den X300 von 1994 und seinen ebenso wunderbar gezeichneten Nachfolger X308 von 1997. Großkatzen wie aus dem Bilderbuch der Nostalgie mit vier Rundscheinwerfern unter einer passend gewölbten Motorhaube, sanftem Schwung in der langen Flanke und einem von weichen Leuchten gesäumtem Heck. So (!) sieht ein Oberklasse-Jaguar eben aus.

Jaguar XJ 300
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Ein Hoch auf den AJ16

500 Millionen Mark ließ Ford sich die Weiterentwicklung des XJ40 zum XJ der Baureihe X300 kosten, hieß es damals. Dafür kann man schon mehr tun, als der zwischen den Achsen ziemlich unveränderten Karosserie schönere Scheinwerfer und Leuchten einzupflanzen. Elf Prozent weniger Einzelteile im Karosseriegerüst, um 16 Prozent erhöhte Steifigkeit, robustere Rahmen in den Türen für besser gedämmte Windgeräusche, engere Karosseriespalten, verzinkte Bleche, weicheres Leder und feineres Holz nicht nur in den edlen Daimler-, Sovereign- oder Vanden-Plas-Versionen, dazu komfortablere Sitze, noch flauschigere Teppiche: Ja, Jaguar langte schon richtig zu.

Dazu gehörte natürlich auch eine technische Aufrüstung, die bei einer Klimaautomatik von Nippon Denso beginnt, sich von kräftigeren Bremsen und der Antriebsschlupfregelung über eine feinfühlige Zahnstangen-Servolenkung von ZF bis zu einer verfeinerten, zum Teil der Ausstattungslinie – sportlich oder komfortabel – angepassten Fahrwerksabstimmung erstreckt. Das muss man heute gar nicht so im Detail wissen. Auch der Feinschliff am herrlich anzusehenden DOHC-24V-Sechszylinder der AJ16-Reihe, der im 3,2-Liter kurzhubig, im Vierliter dagegen mit 102 Millimetern zwischen unterem und oberem Totpunkt betont langhubig ausgelegt ist, wird nur Technik-Freaks interessieren.

Wichtig zu wissen ist nur: Diese wenig drehfreudigen Sechsender sind im Grunde bulletproof und gut für ein langes Leben. Das gilt auch für den per Kompressor auf 320 PS gebrachten, im Verbrauch nicht eben zurückhaltenden Bullen unter der Haube des XJR. Bekannte Schwachstellen (wobei wirkliche Schäden eher selten vorkommen) sind die Zylinderkopfdichtungen und – beim XJR – die Kompressorlager. Drohendes Ungemach signalisiert hier meistens ein ratterndes Geräusch im Leerlauf.

Den verführerisch preiswerten V12 sollten sich nur solvente Liebhaber gönnen. Wie die Sechszylinder ist er gut für viele Kilometer, wenn nicht eben Überhitzung ins Spiel kommt (Thermostat! Kühler! Pumpe!). Doch beim Blick in den Motorraum wird klar: Schon Kerzenwechsel oder Ventilspieleinstellen gehen ins Geld.

Bei der Elektrik ist der X300 nicht auffälliger als Wettbewerber dieser Epoche, und für die Kraftübertragung – ZF-Automatik bei den Saugern, GM-Automatik beim XJR und beim V12 – gilt im Grunde dasselbe: Sie danken frisches Öl alle 120.000 Kilometer mit sanften Gangwechseln und langem Leben. Nur gelegentlich hört man von maroden Lagern des GM-Getriebes und in Folge dessen von defekten Kabelbäumen: Vorsicht!

Schwachpunkt: Der Himmel lässt sich hängen

Klingt also gar nicht mal so schlimm, der X300. Natürlich muss man trotz verzinkter Bleche auf Rost achten. Und die Fahrwerkslager verschleißen schnell – übrigens auch beim X308. Dass der Himmel einem öfters auf den Kopf fällt, weil sich der Kleber löst, ist bei beiden Limousinen keine Seltenheit. Jaguar berechnet dafür gern mal weit über 1.000 Euro, doch freie Spezialisten bringen das auch ohne Ausbau der Heckscheibe wieder in Ordnung und berechnen dafür deutlich weniger.

Doch nun sind wir ja beim X308, der mit nur noch drei Rundinstrumenten seine Nähe zum 1996 gelaunchten XK-Coupé illustriert und wie dieses eine neue Motorenära einläutete: Er ersetzte die klassischen Sechs- und Zwölfzylinder des X300 durch einen in nur drei Jahren konstruierten Achtzylinder. Der hieß anfangs AJ26 (mit einem S beim Kompressortriebwerk) und später AJ27, wobei die 26 ein kleines Zahlenspiel darstellt, dessen Summe die Zahl aller beteiligten Zylinder ergibt.

Im Vergleich zum X300 ist der X308 das reifere, noch komfortablere und durch die moderne Vorderachse des XK noch agilere Auto. Hier wurde gegenüber dem Vorgänger reichlich modernisiert und umgeräumt. Wie der X300 federt der X308, wie es nur ein großer Jaguar kann, wobei die Dämpfer des CATS-Fahrwerks (Computer Active Technology Suspension) gute Dienste leisten. Sie gelten als verschleißresistent, kosten allerdings erheblich mehr als die Normaldämpfer.

Ehe die Dämpfer fällig sind, müssen aber eher ein- bis zweimal die unteren Dämpferaugen gewechselt werden. Jaguar tauscht alles gern im Paket, doch freie Werkstätten wissen da erheblich kostengünstigeren Ersatz. Handlungsbedarf erkennt man am Klappern der vorderen Radaufhängungen, wie man überhaupt bei der Probefahrt mit einem XJ8 genau hinhören sollte. Kettenspanner und -führungen verschleißen gern jenseits der 100.000 km: Die originalen Spanner und Führungen von Sachs aus bakelitähnlichem Kunststoff neigen zu Rissen und Sprüngen; finden sich nach Demontage der Ölwanne bräunliche Stückchen im Öl, ist es allerhöchste Zeit, auf neue Kettenführung und Spanner aus Aluguss mit einer Plastiklauffläche umzurüsten.

Nikasil? Ja, da war was

Tickt es im Bereich des vorderen Ventildeckels, deutet dies auf eine defekte Nockenwellenverstellung hin. Und ein Klappern des Kompressors sollte man auch beim X308 nicht ignorieren: Ein defektes Lager kann dazu führen, dass sich die Rotoren berühren und Metallspäne in den Ansaugtrakt geraten – ein Defekt mit teuren Folgen. Wurde der Lader – original ist ein Eaton SC4 verbaut – schon durch den SC5 des späteren 4,2-Liter-Motors ersetzt, ist dies durchaus einen Mehrpreis wert. Denn dieser Lader hat bessere Lager und läuft auch insgesamt leiser. Wichtig für ein langes Leben ist auf jeden Fall, regelmäßig das ÖL des eigenen Kompressorkreislaufs zu wechseln und stets auf einen korrekten Füllstand zu achten.

Mittlerweile AJ26-Folklore ist die sich ablösende Nikasilbeschichtung der Zylinderlaufbahnen. Solche Schäden gab es bei Autos aus Ländern mit sehr schwefelhaltigem Benzin. Doch diese Motoren sollten mittlerweile alle mit Stahlbuchsen versehen sein, wie sie seit 2000 ohnehin verbaut wurden.

Über Fahrwerks- und Bremsenverschleiß müssen wir bei so starken und schnellen Autos nicht weiter reden: Ein XJ aus den Neunzigern mag billig sein, günstig im Unterhalt ist er jedenfalls nicht. Ebenso wenig ist er eine Limousine für jedermann. Denn so flach und elegant er dasteht, so flach ist er auch innen. Größer als eins neunzig? Das wird vorn wie hinten schwierig. Vor allem bei Modellen mit Schiebedach.

Ersatzteile

In Jaguar Werkstätten können Ersatzteile wie zum Beispiel der Himmel oder ein Austausch der ein-bis zweimal fälligen unteren Dämpferaugen problemlos durchgeführt und eingebaut werden. Freie Spezialwerkstätten bieten aber oft einen kostengünstigeren Ersatz.

Preise

Faszinierend, wie preiswert ein XJ auch in den Edelausstattungen Sovereign oder Vanden Plas ist. Die langen LWB-XJ, Aufpreis einst über 2.000 Mark, bringen heute kaum noch Mehrpreise.

Schwachpunkte

  1. Schiebedach- und Scheibenrahmenrost
  2. Hinterachsträger
  3. Rost an Radläufen, Schwellern und Türkanten
  4. Kettenspanner
  5. streikende LCD- Displays
  6. Fahrwerkslager
  7. Kühlsystem (Pumpe, Kühler, Thermostat)
  8. Drosselklappen- störungen (V8)
  9. Nockenwellen- verstellung (V8)
  10. Kompressor (Öl- stand, Verschleiß)
Jaguar XJ 300
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Fazit

Der X300 mag der letzte XJ mit dem feinen Sechszylinder sein. Dennoch wäre mein XJ der fahraktivere X308. Weil er moderner ist, aber ebenso klassisch anmutet. Der Kompressor-XJR reizt, doch auch die Sauger sind wunderbare Limousinen zum Gleiten.

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Motor Klassik 04 / 2024
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Erscheinungsdatum 07.03.2024

148 Seiten