Kamm Manufaktur 912c Restomod-Umbau
Mit Vollcarbon-Karosse noch leichter und teurer

Ein neuer Porsche-Restomodder hat die Szenerie betreten. Die Kamm-Manufaktur sitzt in Budapest und überrascht mit ihrem Erstlingswerk 912c in vielerlei Hinsicht.

Kamm Porsche 912c Carbon Restomod
Foto: Kamm Manufaktur

Restomod-Umbauten auf Basis des Porsche 911? "Wie langweilig ist das denn?!", dachte sich wohl Miklós Kázmér. Einen Vierzylinder-Porsche zu restaurieren, gleichzeitig zu modernisieren und damit zahlungskräftige Kundinnen und Kunden davon zu überzeugen, heftige Preise zu bezahlen, das empfand der Mann aus der ungarischen Hauptstadt Budapest wohl als die größere Herausforderung. Also gründete er die Kamm-Manufaktur und konzentriert sich mit dieser auf den "kleinen Bruder des Elfers", den Porsche 912.

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Das schränkt von vornherein die Stückzahl potenziell umzubauender Autos ein: Zwischen 1965 und 1969 sind gut 30.000 Exemplare jenes Modells entstanden, das zwar in der Optik des damals neuen Elfers antrat, aber den Vierzylinder-Boxer aus dem Porsche 356C weiterverwendete. Der 1,6-Liter-Motor war zwar deutlich schwächer als das sechszylindrige Zweiliter-Pendant des 911 (90 statt 130 PS), aber die Stückzahl kann sich angesichts des kurzen Bauzeitraums sehen lassen. Der Erfolg gründete sich natürlich auf dem viel niedrigeren Preis im Vergleich zum Elfer, aber die Käuferinnen und Käufer schätzten ebenfalls das ebenso agile wie sicherere Fahrverhalten des gut ausbalancierten "Neunzwölfers", der zudem weniger Sprit verbrauchte als das stärkere Pendant.

699 Kilogramm dank Carbon und Lexan

Die im letzten Satz genannten Attribute hatte der Porsche 912 auch seinem geringen Gewicht zu verdanken – eine Qualität, die die Kamm-Manufaktur weiter kultiviert. Kázmér und Co. restaurieren und verstärken bei jedem 912c das Chassis des Spenderfahrzeugs von Grund auf. Über das Fahrgestell stülpen sie eine in weiten Teilen aus Kohlefaser-Verbundwerkstoff gefertigte Karosserie; nur das Dach und das Heck weisen noch das ursprünglich verwendete Material auf. Die Scheiben bestehen aus dem leichtgewichtigen Polycarbonat-Werkstoff Lexan, die Rückspiegel fertigen die Ungarn eigens an. Dadurch gelingt es Kamm, das Leergewicht auf 750 Kilogramm zu drücken.

Doch es geht noch leichter. Von 2024 an bietet Kamm eine Version mit Vollcarbon-Karosserie an, die mit nur 699 Kilogramm Lebendgewicht vorfährt. Zudem verspricht Miklós Kázmér, dass sich der Schwerpunkt des Restomod-Porsches absenkt und die Gewichtsverteilung das ideale Verhältnis von 50:50 aufweist. Käuferinnen und Käufer können wählen, ob der 912c die Kohlefaserstruktur unverhüllt zur Schau stellen darf oder sich Lack an den Verbundwerkstoff schmiegt. Sowohl sie als auch die Kundschaft der Semi-Carbon-912c-Varianten dürfen sich ab kommenden Jahr zudem über eine verbesserte Aerodynamik freuen, welche die Fahrstabilität bei hohen Geschwindigkeiten erhöhen und die Windgeräusche minimieren soll.

Mix aus Askese und Komfort

Innen hört der Leichtbau-Ansatz natürlich nicht auf. Die Sitze und Türverkleidungen bestehen jeweils aus Kohlefaser, der Teppichboden soll besonders leicht sein. Die Pedalerie stammt vom kalifornischen Spezialisten Tilton Racing, die Instrumente vom britischen Experten Smiths. Damit der Komfort und das Multimedia-Angebot nicht auf der Strecke bleiben, ziehen im Zuge des Restomod-Umbaus eine elektrische Klimaanlage sowie Audio- und Smartphone-Anschlüsse ein, die ab 2024 nochmals verbessert werden sollen. Die Rücksitze streicht Kamm auf Wunsch ersatzlos, das Gepäckabteil wird geschmackvoll ausgekleidet. Das passt zum Ansatz der Kamm Manufaktur: Der 912c soll auf der Straße ebenso wie auf der Rennstrecke brillieren.

Kamm Porsche 912c Restomod
Kamm Manufaktur via Newspress
Miklós Kázmér ist Chef der Kamm Manufaktur, die sich auf Restomod-Umbauten des Porsche 912 spezialisiert hat.

Beim Motor-Tuning holen sich die Ungarn Hilfe bei den Schweizer Experten für luftgekühlte Porsche-Motoren, JPS Aircooled. Den Hubraum erweitern die Partner auf zwei Liter, die Verdichtung erhöht sich auf 10,5:1. Eine neue Zündanlage zieht ebenso ein wie ein anderer Weber-Vergaser, ein Kühlsystem mit einigen Carbon-Komponenten und eine komplett revidierte Elektrik. Auch dank des auf 7.200/min. erhöhten Drehzahllimits, der nachgerüsteten Motorelektronik und der optionalen elektronischen Kraftstoffeinspritzung wächst die Leistung auf 190 PS und das maximale Drehmoment auf 228 Newtonmeter. Doch bei diesen Werten wird es nicht bleiben. Kamm kündigt für 2024 einen leistungsstärkeren Motor an.

Technik rundum optimiert

Die Kraftübertragung auf die Hinterräder besorgt ein fünfstufiges Schaltgetriebe in Dogleg-Ausführung – also mit dem ersten Gang hinten links – und überarbeiteter Übersetzung. Die hydraulische Kupplung stammt aus Porsches Motorsport-Regal, während ZF das Sperrdifferenzial für die Hinterachse liefert. Den vorderen Teil der Bremsanlage spendiert der Porsche 911 der Generation 964, während hinten Brembo-Komponenten zum Einsatz kommen. Die Handbremse arbeitet ebenfalls hydraulisch.

Den Edelstahlauspuff, der auf Knopfdruck lauter oder leiser gestellt werden kann, fertigt die Kamm-Truppe ebenso selbst wie das an der Vorderachse verbaute Gewindefahrwerk. An beiden Achsen vertraut die Truppe um Miklós Kázmér auf einstellbare Dämpfer und Stabilisatoren sowie eine elektronisch gesteuerte, semi-aktive Federung. Die hinteren Querlenker lassen sich ebenfalls feinjustieren. Auf den dreiteiligen 15-Zoll-Leichtmetallrädern, die je nach Kundenwunsch über einen Zentralverschluss oder eine Fünfloch-Anbindung verfügen, rotieren Reifen des Typs Yokohama AD08RS.

Basispreis: 330.000 Euro

Das Farb- und Ausstattungskonzept eines jeden Kamm 912c entwickelt die Manufaktur auf Basis konkreter Kundenwünsche. Sobald ein Auto fertig ist, wird es von Miklós Kázmér höchstpersönlich einem Qualitäts-Check unterzogen. Diese Art der Individualisierung und Betreuung durch den Firmenchef darf man aber auch erwarten, wenn man mindestens 330.000 Euro für seinen Restomod-912 bezahlt. Die Vollcarbon-Variante kostet sogar mehr als 366.000 Euro. Wer das Spenderfahrzeug selbst stellt, spart in beiden Fällen knapp 37.000 Euro. Bestellungen für verbleibende Produktionsslots von Vertretern des Modelljahres 2024 nehmen die Ungarn bereits entgegen. Ab Jahresanfang werden die ersten nach neuer Machart aufgebauten Autos ausgeliefert.

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Fazit

Miklós Kázmér bezeichnet seine Kamm-Manufaktur als "stolzen Sohn der Budapester Autokultur". Stolz ist auch der Preis eines jeden Restomod-912, den die Ungarn auf die Räder stellen. Doch es scheint Menschen zu geben, die bereits sind, mindestens fast 300.000 Euro für einen Porsche zu zahlen, der KEINEN Sechszylinder-Boxer im Heck trägt.

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AUTO MOTOR UND SPORT 09 / 2024
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Erscheinungsdatum 11.04.2024

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