Lotus Elan S2 und Mazda MX-5

Vom Winde verwöhnt - Roadster der Herzen

Der Mazda MX-5 löste eine Renaissance des Cabrios aus. Sein Vorbild war der 25 Jahre ältere Lotus Elan. Wer ist der wahre Roadster der Herzen?

Lotus Elan S2, Mazda MX-5 Foto: Rossen Gargolov 17 Bilder

Emma Peel ist wohl die bekannteste Lotus Elan-Fahrerin aller Zeiten. Natürlich fuhren auch Männer wie Jim Clark, Formel 1-Weltmeister von 1963 und 1965, einen Lotus Elan - doch so richtig ins Gedächtnis mit Bildern für die Ewigkeit brannte sich der kleine Roadster durch die Partnerin von John Steed in der Agenten-Fernsehserie "Mit Schirm, Charme und Melone".

Der Engländer bleibt Exot, der Japaner Bestseller

Mrs. Peel bewegte sich katzengleich geschmeidig in meist hellen, eng geschnittenen Hosenanzügen. Und sie war im Stande, mit kurzen Karate-Hieben einen fiesen Verbrecher zusammenzufalten. Ebenso flink und wild fuhr sie ihren weißen, widerstandsfähigen Lotus Elan.

Die Kultserie war noch vom frischen Geist der Roaring Sixties durchdrungen und glänzte durch bodenlosen Optimismus, lässige Eleganz und frische Ironie. Bis zum 3. Juli kann man beim TV-Sender Arte Emma Peels Elan und John Steeds Vorkriegs-Bentley bewundern - eine der wenigen Möglichkeiten, den Lotus in Aktion zu erleben. Obwohl von 1962 bis 1974 zusammen mit dem Lotus Elan Plus 2-Coupé etwas mehr als 17.000 Einheiten entstanden, zählt der kleine Sportwagen zu den größten Exoten auf unseren Straßen.

Ganz anders der Mazda MX-5. Von der ersten, NA genannten Generation liefen weltweit von 1989 bis 1997 mehr als 400.000 Einheiten vom Band. Ende vergangenen Jahres waren es zusammen mit dem aktuellen Modell sogar mehr als 800.000 verkaufte Roadster. Er läuft und läuft und läuft. Besonders die zweite Mandelaugen- Generation ohne Klappschweinwerfer belebt das Straßenbild in Deutschlands Städten. Bevorzugte Farbe des Mazda MX-5: British Racing Green. Sie passt nicht nur gut zu dem kompakten, langschnauzigen Zweisitzer, sondern signalisiert auch ein wenig die Sehnsucht nach britischer Lebensart - nach Triumph Spitfire und MG B, deren Produktion 1980 beziehungsweise 1979 bereits eingestellt war.

Als eigentliches Vorbild für den Mazda MX-5 gilt jedoch der Lotus Elan. Tatsächlich gibt es viele optische Übereinstimmungen: die ovale Kühlluftöffnung unter der Stoßstange, die Klappscheinwerfer und die wohlgefälligen Proportionen des Wagenkörpers mit kurzen Überhängen, langer Motorhaube und vor der Hinterachse platzierten Passagieren.

Mehr als 400 Kilo trennen Mazda MX-5 und Lotus Elan

Auch der Charakterzug des Mazda MX-5, mit möglichst geringem technischen Aufwand das Maximum an Fahrvergnügen zu erzielen - kleiner Motor trifft auf wenig Gewicht -, ist im Lotus mit Elan realisiert: Im Engländer 105 PS bei 584 Kilogramm, im Japaner 90 PS bei 990 Kilogramm. Die Vorfreude auf diesen Fahrvergleich ist deshalb groß - steigen wir ein. Zuerst der gelbe Mazda MX Sunracer von 1995, ein auf 400 Stück limitiertes Sondermodell, das die Einführung des neu angebotenen kleinen Motors mit 90 PS aus 1,6 Liter Hubraum neben dem 1,9-Liter mit 130 PS schmackhaft machen sollte. Mazda spendierte zum satten Speed Yellow noch den handweichen, haftstarken Nubutex-Sitzstoff, einen Beifahrer-Airbag, elektrische Fensterheber sowie ABS und ließ den knalligen Roadster-Cocktail spritzige 39.190 Mark kosten.

Wir übersteigen den mit einer Chromleiste und MX-5-Schriftzug verzierten, niedrig gehaltenen Schweller, landen auf einem bequemen Sitz und fädeln unser Haupt unter dem Stoffdach hindurch. Nach dem Schließen der Mazda MX-5-Tür stellt sich ein gemütliches Chambre Separé-Gefühl ein. Das Lederlenkrad und der nicht weit davon entfernt platzierte Mini-Schalthebel liegen zielsicher im Aktionsradius der Hände. Alles passt, nichts zwickt, drückt oder erzeugt Muskelkrämpfe.

Der Motor läuft brummig und laut; man hört ihn unter dem Stoffdach überall - vorn, hinten, oben und unten. Macht nix, so lange das Dach noch geschlossen ist, haken wir dies als Racing-Sound ab, zu dem der knapp geschnittene, dunkle Innenraum doch prima passt. Die Fünfgang- Schaltung mit ihren kurzen Wegen auch.

Mit wenig Gas rollen wir problemlos an, schalten rasch in die höheren Gänge, umrunden flink einige Kreisverkehre - und sind die dicksten Freunde. Noch immer geschlossen auf der Autobahn mit Reisetempo 150 halten sich die Windgeräusche eingermaßen zurück. Der Motor brummt und dröhnt von allen Seiten, muss aber nie bis zu den erlaubten 6.000/ min gedreht werden, sondern schüttelt seine Leistung lässig wie ein MG B aus dem Drehzahl-Erdgeschoss. Nur der etwas störrische Gangwechsel ums Eck vom Fünften in den Vierten stört den rennmäßigen Fahrgenuss, zu dem das relativ hart gefederte Fahrwerk prima passt.

Jetzt stehen wir in einer Parkbucht, werfen mit beiden Armen das Dach in einer befreienden Bewegung nach hinten und atmen voller Vorfreude tief durch: Ahhhh! Luft! Und setzen die Reise fort. Nun dröhnt der Motor nur noch vorn und hinten. Die Rundumsicht ist grenzenlos - sanfte, kühle Luftwirbel umschmeicheln unsere Stirn und Schläfen wie die kalten Hände einer scheuen Geisha. Das ist Luxus für jeden, ob er in einem offenen Ferrari 365 California oder Mazda MX-5 sitzt: Der unermessliche Himmel über dem Fahrer ist immer der gleiche.

Der Lotus Elan ist ein Hightech-Sportler

Noch mehr Himmel hat der Lotus Elan zu bieten, da man ihn auf öffentlichen Straßen bevorzugt offen fährt. Auch Besitzer Günter Fechner, der seinen roten, 1965 ausgelieferten Rubin vor exakt 20 Jahren erworben hat, lässt das aus Spriegeln und Stoffbahn aufzupuzzelnde Cabriodach in der Regel zu Hause. Schließlich fuhr auch Emma Peel nur offen, und für die Rennstrecke gibt's ein windschlüpfriges Hardtop. Autowechsel: Jetzt wird der kleine Engländer ausprobiert.

Auweia, ist der Lotus flach und winzig. Man steht davor, blickt unter das Lenkrad und sucht vergeblich die Pedale: Nein, das ist kein Tretauto, sondern ein Hightech-Sportwagen, der einst ein Vermögen gekostet hat. Mit einem Kaufpreis von 1.499 Pfund lag ein Lotus Elan S2 von 1965 über einem Triumph TR5 oder Austin Healey Mk III, die mit Sechszylinder, deutlich mehr Hubraum und stattlicher Größe aufwarteten. Im Vergleich zum bereits kompakten Mazda MX-5 ist der Elan mit einer Länge von 3,69 und einer Breite von nur 1,42 Meter um satte 30 Zentimeter kürzer und vor allem 25 Zentimeter schmaler als der Japaner.

Hinab und hinein in den Spielzeug- Roadster. Dank des großen Türausschnitts macht nur das Einfädeln der Beinpaare in den dunklen Fußschaft des Lotus Elan etwas Schwierigkeiten. Tür zu, alles passt. Der linke Arm ruht mehr oder weniger in der unverkleideten Tür, der rechte auf dem hohen Mitteltunnel. Für die Pedalchen braucht der Fahrer schmale Pumas und die Füße von Mireille Matthieu, gepaart mit dem Schenkeldruck von Gewichtheber-Ass Mathias Steiner: Die Kupplung geht beinhart. Die rechte Hand hat dagegen mit dem kleinen, knuffigen Schalthebel des Lotus Elan leichtes Spiel. Kurze Wege und spielerisches, mit "Klick" und "Klack" begleitetes Einrasten der Gänge machen richtig Laune. Los geht's.

Abgewürgt. Kleiner Hüpfer anstatt große Fahrt. Peinlich. Lotus Elan-Besitzer Fechner übt auf dem Beifahrersitz zum Glück Nachsicht: "Die Kupplung kommt sehr spät und dann zu 100 Prozent, dafür braucht man etwas Gewöhnung." Mit dem dritten Versuch setzen wir uns definitiv und mit Nachdruck in Bewegung, begleitet vom herrlichen Trompetenklang des kleinen Vierzylinders.

Der Lotus sprintet drei Sekunden schneller auf 100 km/h

Beim Schalten verstummt für einen Moment das fröhliche Vierzylinder-Tröten, um beim erneuten Gasgeben umso eifriger wieder loszulegen. Spielerisch folgt der kleine Lotus Elan jeder Lenkradbewegung, durchfährt Kurven mit der Leichtigkeit einer Schlittschuhläuferin und verwöhnt dabei seine Passagiere mit einem erstaunlich hohen Fahrkomfort. Der leichtgewichtige Elan ist deutlich weicher abgestimmt als der Mazda MX-5.

Größere Fahrer ragen weit aus der Plastikflunder heraus und können so frei wählen, ob sie durch oder über die Windschutzscheibe hinwegblicken wollen. Im Mazda MX-5 reist man dagegen deutlich windgeschützter und naturgemäß etwas langsamer, weil der bissige Lotus-Vierzylinder viel weniger Gewicht zu schleppen hat. Im Elan vergehen von null auf 100 km/h 7,5 Sekunden, der 90-PS-Mazda MX-5 benötigt drei Sekunden mehr. Die 1,8-Liter-Version des Mazda MX-5 mit 130 PS kommt aber mit 8,2 Sekunden dem Lotus ziemlich nahe.

Dennoch sind die Unterschiede zwischen Mazda MX-5 und Lotus Elan größer, als deren optischer Auftritt vermuten lässt: Hier der solide gemachte, unkomplizierte und erschwingliche Alltags-Roadster für jedermann - dort der mit einem separaten X-Rahmen und bereits 1962 mit vier Scheibenbremsen, Einzelradaufhängung sowie DOHC-Motor ausgerüstete, sündhaft teure Hightech-Sportwagen. Was sie dennoch verbindet, ist der frische, unbeschwerte Wind der Sechziger. Fazit: Emma Peel würde auch im Mazda MX-5 fahren.