Nissan President 250 Souvereign V8 E

Buddha-Fahrt - im Bestatter unterwegs

Wo dieser Nissan President Bestatter auftaucht, bestürmen ihn die Passanten. Sie suchen ein ungewöhnliches Auto? Sie haben keine Scheu vor dem extravaganten Auftritt? Dann dürfte dieser japanische Bestatter auf Basis eines Nissan President genau das richtige Fahrzeug für Ihre Bedürfnisse sein.

Nissan President 250 Souvereign V8 E Foto: Arturo Rivas 33 Bilder

Also, liebe Tuning-Freunde, ihr müsst jetzt sehr tapfer sein, weil die Wahrheit nicht immer leicht zu ertragen ist: Wie viel Mühe ihr euch mit euren Autos auch gegegen habt, wie bunt, stark und schnell sie auch daherkommen – gegen den Auffälligkeitsfaktor eines Nissan President, der einen goldenen Tempel auf seinem Rücken trägt, haben eure Boliden nicht den Hauch einer Chance.

Aufbau entsteht in wochenlanger Handarbeit

Vermutlich würde nicht einmal das Batmobil für ähnlich viel Wirbel sorgen, den so ein japanischer Bestattungswagen während einer Ausfahrt, beispielsweise zum Dom von Speyer, verursacht. Reisegruppen aus halb Europa ändern spontan ihren Kurs, peilen plötzlich nicht mehr das größte romanische Gotteshaus der Welt, sondern dieses mit furchterregend blickenden Drachen und unzähligen Buddha-Figuren verzierte Fahrzeug an.

Kinderhände betatschen unaufhörlich die unzähligen goldglänzenden Ornamente, die den kuriosen Aufbau der 5,25 Meter langen Karosse schmücken. Sie drücken sich ihre Nasen an den Scheiben platt, um irgendwie einen Blick in das geheimnisvolle Innere zu erhaschen, während Mama und Papa Unmengen von Fotos schießen. Und dabei schon mal auf eine rollende asiatische Imbissbude anstatt auf einen Leichenwagen tippen. Zimmermann Dennis Braack, seit einigen Monaten auf Wanderschaft und eigentlich auf dem Weg nach Indien, staunt angesichts der geschnitzten Drachen, Formen und Figuren auf den Pagodendächern ebenfalls nicht schlecht.

„Schon cool, was die Jungs da unten aus ein paar Stück Holz machen.“ Er liegt richtig mit seiner Vermutung, dass die Herstellung eines solchen in Handarbeit gefertigten Aufbaus locker mehrere Wochen in Anspruch nimmt. Mit diesen prachtvollen Konstruktionen, die allesamt Einzelstücke sind und ein kleines Vermögen kosten, soll den Toten bei ihrer letzten Reise größtmöglicher Respekt erwiesen werden.

Leichenwagen als Glücksbringer

Der Anblick eines in Japan „Reikyusha“ genannten Bestatters gilt dort für viele Menschen zudem als Glücksbringer. Bei der Wahl des Basisfahrzeugs sind sich die buddhistisch orientierten Bestattungsunternehmer in Japan durchaus einig: Sie setzen auf Luxuslimousinen und schnitzen für den neuen Einsatzbereich daraus kurzerhand einen Pick-up. Ein Toyota Crown wird dafür ebenso gern genommen wie die Topmodelle von Cadillac und Lincoln.

Doch eigentlich kommt für diesen Job nur ein Fahrzeug in Frage: ein Nissan President, der automobile Liebling japanischer Regierungsangehöriger, allen voran die jeweiligen Premierminister. Bereits die erste, 1965 vorgestellte Generation (H 150) des ausschließlich auf dem japanischen Markt angebotenen Modells wurde von einem vier Liter großen V8-Motor angetrieben, 1973 gab es neben einem Facelift eine Hubraumerweiterung auf 4,4 Liter.

Das neue H 250 genannte Modell verfügte nun über knapp 200 PS und selbstverständlich über alle nennenswerten Extras wie Klimaanlage, elektrische Fensterheber und Sitzverstellung, Servolenkung oder Tempomat. Nippons Landesfürsten durften sich bis zum Produktionsende im Jahr 1990 als durchaus standesgemäß motorisiert fühlen.

Der Antritt des Achtzylinders hinter dem barock anmutenden Kühlergrill begeistert zumindest auch heute noch. Vollkommen mühe- und nahezu geräuschlos schiebt dieses Aggregat den schweren Nissan nach der Pause vor dem Dom wieder durch den Verkehr. Zumindest bis Tempo 80. Dann erinnern heftige Windgeräusche daran, dass die Fuhre vermutlich über einen ähnlich miserablen cW-Wert wie der einer Doppelhaushälfte verfügt. Kurven geht man besser noch langsamer an. Wegen des hohen Schwerpunkts verfällt der rechtsgelenkte Nissan bereits beim Wenden in Schräglagen, die nichts für Menschen sind, die leicht seekrank werden – sportlich orientierte Piloten würden an den Fahreigenschaften dieser mobilen Drachenburg schlicht verzweifeln.

Spontankauf in England und neugierige Zoll-Beamte

Warum, um Himmelswillen, dann so ein skurriles Fahrzeug kaufen, dessen Einsatzbereich relativ begrenzt ist? Genau genommen kennt auch Besitzer Franz Dertnig keine plausible Antwort auf diese Frage. Der Auto- und Motorradhändler aus Hassloch in der Pfalz (www.xx-power.de) hat den 1989 gebauten Nissan bei einer Versteigerung während einer Einkaufstour durch England entdeckt und spontan erstanden. Eine Entscheidung aus dem Bauch heraus: „Ab und an muss man einfach mal etwas vollkommen Verrücktes machen.“

Ihm gefällt allein schon der Gedanke, eines der kuriosesten Autos im Land im Angebot zu haben. Dem Mann mit der Neigung zu vierrädigen Raritäten gefallen beim Nissan besonders so eigentümliche Details wie die im Front- und Heckbereich versteckt eingebauten Lautsprecher, aus denen während der Fahrt zum Friedhof einst die entsprechende Musik tönte. Oder eben die Ansagen des Fahrers, für den in der Mittelkonsole ein Mikrofon bereit liegt.

Kaum weniger haben es ihm die elektrisch verstellbaren Dreiecksfenster in den beiden Vordertüren angetan. „Allein schon die Rückfahrt von England war es wert, diesen Wagen gekauft zu haben“, schmunzelt Dertnig. Noch heute amüsiert er sich über den Deutschen Zoll, der offensichtlich der Meinung war, dass wohl nur ein Drogenbaron oder Geldwäscher in so einem auffälligen Fahrzeug daherkäme – „Die Fahrerkabine wurde komplett durchsucht, aber in den hinteren Bereich wollte dann schließlich doch kein Beamter hineinkriechen.“ Obwohl sich in der reich verzierten Sargkammer ein für die Zöllner offensichtlich überaus verdächtig anmutendes Paket befand. Also musste Dertnig ran – und präsentierte den Beamten freundlich lächelnd seine Reiseverpflegung. Erst dann durfte er einreisen.