Mercedes-Entwicklungschef Ola Källenius

Vier Megatrends verändern die Branche

Der neue Mercedes-Entwicklungsvorstand Ola Källenius spricht im interview mit auto motor und sport über die Schwerpunkte seiner Arbeit: Connectivity, autonomes Fahren, Shared Services und Elektromobilität.

Ola Källenius Foto: Rossen Gargolov 23 Bilder
Wo sehen Sie in Ihrer neuen Funktion die wichtigsten Schwerpunkte?

Källenius: Die wichtigsten Themen finden direkt hier auf der CES statt: Connectivity, autonomes Fahren, Shared Services und Elektromobilität. Wir haben bewusst die neue Organisation CASE als eine Art Start-up innerhalb von Mercedes-Benz gegründet. Diese vier Megatrends sind wirklich branchenverändernd.

Sie haben BMW 2016 im Absatz überholt. Wie wollen Sie diesen Vorsprung dauerhaft halten?

Källenius: Modellpolitisch bedeutet es, dass wir unsere aktuelle Zahl von rund 33 Aufbauformen bis 2020 auf 40 plus erhöhen werden. Bis 2025 werden wir auch unter dem Label EQ mindestens zehn elektrifizierte Modelle bringen. Bei den 40 plus reden wir übrigens nicht über reine Nischenmodelle, sondern durchaus über volumenrelevante Neuentwicklungen. Neben den Produkten ist die Entwicklung der Märkte natürlich genauso wichtig. China war ein wichtiger Faktor für den Erfolg. Wichtiger Bestandteil unserer Wachstumsstrategie sind für uns die Digitalisierung des Vertriebs und neue Ansprechformen an den Kunden.

Mercedes Elektroauto SUV Paris Teaser Foto: Stefan Baldauf
EQ: das Serienauto wird nicht weit weg davon sein.
Zum Erfolg hat auch die Frontantriebsarchitektur beigetragen. Werden Sie die weiter ausbauen?

Källenius: Ja, die ist sehr wichtig. A-Klasse, B-Klasse, CLA, CLA Shooting Brake und GLA haben für uns eine enorme Bedeutung in Sachen Weiterentwicklung des Designs und auch beim Fahrspaß dargestellt. Insgesamt haben wir seit 2012 über zwei Millionen Exemplare von der aktuellen Generation verkauft. Und bei der nächsten Generation gibt es auch große Potenziale.

BMW will seinen Rückstand durch emotionaleres Design und stärkere Differenzierungen der Baureihen wettmachen. Sind das auch für Sie wichtige Schlüssel für den Erfolg?

Källenius: Design ist extrem wichtig. Bei der A-Klasse haben wir einen noch expressiveren Ausdruck als bei der S-Klasse. Es gibt auf der einen Seite eine Spreizung im Design und auf der anderen Seite trotzdem einen roten Faden. Mit dem E-Klasse Coupé kommt jetzt schon die erste Evolutionsstufe, wo wir sehr viel mehr in die Körpergestaltung des Autos gehen. Wir sind schon den ersten Schritt in eine neue Designrichtung gegangen, und es werden weitere folgen. Schauen Sie sich nur die EQ-Studie an. Das ist zwar ein Show-Car, aber das Serienauto wird nicht weit weg davon sein.

Sie besetzen mit der neuen A-Klasse stark das Thema Connectivity. Was unterscheidet künftig die Baureihen, wenn sie alle Neuerungen direkt bekommen? Raumangebot?

Källenius: In Sachen Connectivity ist es wichtig, dass wir über die Baureihen hinweg eine intelligente Vernetzung bieten, schließlich haben wir viele Kunden, die nicht nur einen Mercedes fahren, sondern innerhalb der Familie unterschiedliche Modelle haben. In der S-Klasse ist das Ganze dann aber noch spektakulärer inszeniert. Das darf im Segment des oberen Luxus nicht zu überbieten sein. Die A-Klasse muss auf jeden Fall in ihrer Anmutung eine halbe Klasse über ihrer Konkurrenz sein.

Werden diese digitalen Dienstleistungen ein relevanter Teil des Mercedes-Geschäfts werden?

Källenius: Ja, aber nicht so schnell. Natürlich überwiegt rein umsatztechnisch der Verkauf des Autos. Wenn ich im Schnitt 60.000 Euro füreinen Mercedes ausgebe, muss ich schon sehr viele Dienste verkaufen, um auf den gleichen Wert zu kommen. Aber ich glaube, dass wir schnell in Umsatzbereiche von Hunderten Millionen Euro kommen, und dann wird es interessant.

Ihre Antwort auf das autonom fahrende Google Car ohne Lenkrad?

Källenius: Level 4 oder Level 5 des autonomen Fahrens werden kommen. Ich glaube, zwischen 2020 und 2025 wird sich dieser Prozess noch beschleunigen. Wir haben für diesen Zeitraum kein Auto ohne Lenkrad und ohne Pedale in der Entwicklung, weil wir dann Level 5 beherrschen müssten, was noch etwas länger dauern kann. Aber es gibt vielleicht eine Stadt, die perfekt gemapt ist, in der wir so viel Erfahrung in der Praxis gesammelt haben, dass wir dort autonom fahren können. Wenn man aus der Stadt dann herausfährt, sollte man allerdings Lenkrad und Pedale wieder nutzen können.

Der Diesel gilt für die kleinen Baureihen als zu teuer. Bleiben Sie trotzdem damit in dieser Klasse?

Källenius: Bis 2025 gehen wir nach unserer Markteinschätzung von einem Absatzanteil von etwa 15 bis 25 Prozent rein elektrischer Modelle aus der EQ-Familie aus. Der Rest, also 75 bis 85 Prozent der Modelle, wird einen Verbrennungsmotor haben, natürlich oft als Plug-in. Also brauchen wir sparsame, emissionsarme und performante Diesel- und Benzinmotoren. Jenseits von 2030 könnten wir eine signifikante Veränderung haben, ohne zu wissen, wie es wirklich kommt. Jetzt, in den nächsten acht, zehn oder zwölf Jahren, können wir da nicht einfach einen Ast absägen und sagen, das machen wir nicht mehr.

Bereitet Ihnen die Einhaltung der CO2-Ziele bis 2021 Sorgen?

Källenius: Es ist eine große Herausforderung. Wir sind fest entschlossen, sie zu erreichen, aber das ist harte Arbeit.