Mercedes W 124 Wertentwicklung
Trend-Youngtimer wird immer teurer

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Früher fuhr ihn Opa, heute schraubt die Jugend daran: Der Mercedes 124 ist vor allem als T-Modell beliebt. Der Mittelklasse-Kombi bevölkert In-Bezirke wie Prenzlauer Berg und wird immer teurer. Warum?

Mercedes-Benz W124 S124 T-Modell (1989-1993)
Foto: Mercedes-Benz

Zeitloses Design, solide Machart, unfassbar praktisch und ein bisschen bieder – würde der Manufactum-Katalog auch Autos anbieten, es könnte ein Mercedes W 124 sein. In Berlin und Hamburg stehen vorwiegend T-Modelle an den Straßen hipper Stadtteile, auf Treffen sind die Fahrer gut erhaltener Limousinen häufig jünger als ihre Autos. Das bei Porsche gefertigte Achtzylinder-Topmodell 500E ist längst ebenso in Sammlerhand wie die eleganten Viersitzer-Cabrios. Der Mercedes-Benz W-124-Club freut sich über das Interesse: "Schön ist, zu sehen, dass immer mehr junge Leute Gefallen an dieser Baureihe finden."

Unsere Highlights

Was macht aber die mittlere Baureihe von Mercedes-Benz zu einem gefragten Klassiker? Vielleicht weil er "der letzte echte Mercedes-Benz" in einer langen Reihe "echter, letzter Mercedes-Benz" ist? Abseits des Philosophischen gibt es ganz praktische Gründe, die für einen 124er-Mercedes sprechen. Ein paar davon mögen auch Nostalgie sein – doch genau das ist für einige Kinder der 80er- und 90er eben ein guter Kaufgrund.

Die praktischen Gründe

Ein Auto zum Schrauben

Ein W 124 ist "das ideale Schrauber-Fahrzeug". Wer sein Auto selbst repariert, schätzt vor allem den unkomplizierten Zugang zu allen Aggregaten. Vor allem die Modelle mit den Zweiventil-Motoren M102 (Vierzylinder) und M103 (Sechszylinder) gelten als robust und auch für jene beherrschbar, die zuhause schrauben. "Ein W 124 bleibt praktisch nie liegen" mag übertrieben klingen, doch es ist was dran: Die Technik ist robust und Defekte kündigen sich an. Außerdem ist das Meiste, was am W124 dran ist, leicht zu reparieren.

Ein Auto zum Fahren

Reinsetzen und Losfahren klappt bei kaum einem Auto so gut wie bei einem W124. Die Karosserie ist übersichtlich, die wenigen Schalter in der kantigen Mittelkonsole erklären sich von selbst und die Rundinstrumente sind perfekt ablesbar. Im Vergleich zu modernen Autos fällt auf, wie komfortable so ein W124 mit seinen hochflankigen Reifen abrollt und wie beruhigend ein Cockpit ohne Bildschirm sein kann. Mit 4,77 Meter Länge und 11,3 Metern Wendekreis ist übrigens selbst ein T-Modell nicht zu sperrig für die Stadt.

Mercedes-Benz S124 T-Modell (1987-1989)
Mercedes-Benz
So ein T-Modell ist ziemlich praktisch - und wurde in den vergangenen Jahren teurer.

Ein Auto zum Laden

Selbst Limousine und Coupé reichen locker für vier Personen und deren Reisegepäck. Noch besser wird das mit dem "T-Limousine" genannten Kombi: Der ist mit 530 bis 1.770 Litern Kofferraumvolumen und 2,1 Tonnen Anhängelast auch größeren Gepäckstücken gewachsen.

Mercedes-Benz S124 T-Modell (1987-1989)
Mercedes-Benz
Mit dem Kultextra Klappsitzbank wird das T-Modell zum Siebensitzer.

Ein Auto zum Leben

Die ersten Jahrgänge des W124 können schon längst ein H-Kennzeichen bekommen, sind damit also offiziell Oldtimer. Doch die Sicherheit, die der 80er-Jahre-Benz bietet, liegt weit über dem, was von einem Oldtimer erwartet werden kann: Das beginnt mit dem sicheren Fahrverhalten und endet noch längst nicht beim ABS, das ab 1989 serienmäßig war. Ab 1992 war ein Fahrerairbag Serie und auch die späten Modelle mit serienmäßigem Beifahrerairbag (ab 1995) sind nicht mehr sehr weit vom H-Kennzeichen entfernt.

Die nostalgischen Gründe

Der letzte echte Mercedes

Sicher war der Wechsel vom W123 zu seinem Nachfolger für treue Mercedes-Kunden ein, tja, Umstellung: grauer Kunststoff statt Chrom, vom Windkanal geprägte Sachlichkeit statt klassischer Rundungen. Doch Mercedes kannte seine Kunden, bot gewohnte Farben und Muster an: Velours gab es noch genauso wie beim W123, ebenso einen Teil der gewohnten Farbauswahl. Rauchsilber/Creme gehört ist eine der harmloseren Kombinationen. Später konnten Käufer mit Almandin, Beryll oder Bornit ihrem W124 einen dezent trendigen Anstrich verpassen.Eine Anzeige gehört übrigens unbedingt einen einen letzten, echten Benz: Jene Nadel, die den Öldruck in bar anzeigt. Keine der folgenden E-Klassen hat eine Öldruckanzeige.

Die Verbreitung

Mercedes baute in Sindelfingen 2,058 Millionen Limousinen und in Bremen 340.503 T-Modelle. Dazu kamen 141.498 Coupés, 33.952 Cabriolets und 2.342 Limousinen in Langversion. Gut 2,5 Millionen Autos in 13 Jahren – da wird in jeder Familie irgendjemand mal irgendeinen W124 gefahren haben – und sei es als Taxi.

Die Wertentwicklung

Wertentwicklung Mercedes-Benz S124 300 TE (1987-1992)
Classic-Analytics
Geht steil: Wertentwicklung des Mercedes-Benz 300 TE S124.

Der Mercedes-W124-Club erhält "immer wieder Anfragen nach Kombis, die leider immer rarer werden." Die T-Modelle wurden als Arbeitstiere der Baureihe "gefahren, bis sie auseinanderfielen." Gute Autos sind in den vergangenen Jahren deutlich teurer geworden. Nicht ganz so stark war die Wertentwicklung bei den Coupés – Limousinen steigen meist ohnehin weniger stark im Wert.

Der Marktbeobachter Classic-Analytics bestätigt den starken Wertzuwachs bei T-Modellen in der Vergangenheit und geht weiterhin von einer positiven Wertentwicklung aus – die dann aber nicht mehr ganz so stark ausfallen wird wie in der Vergangenheit. Am stärksten war die Wertsteigerung in der Vergangenheit beim Topmodell 500E und bei den Cabrios.

Zeittafel W 124
Zeittafel Mercedes-Benz W 124
1984Verkaufsstart am 8. Dezember. Zu Beginn gibt es den W 124 nur als Limousine, die Coupé- und T-Modell-Versionen des W 123 bleiben bis 1985 im Angebot. Als revolutionäres W 124-Detail gilt zu Beginn der cW-Wert von 0,30.
1985Debüt des T-Modells und der Allrad-Version 4-Matic auf der Frankfurter IAA – der Vierradantrieb kostet, als er 1987 in Serie kommt, rund 15 000 Mark Aufpreis und leitet bis zu 35 Prozent der Antriebskraft an die Vorderräder weiter.
1986Geregelter Katalysator ab September serienmäßig für alle Benziner.
1987Premiere des Coupés nach Rezept des Vorgängers: kürzerer Radstand, voll versenkbare Seitenscheiben, deutlich höherer Preis. Das Coupé ist ausschließlich als 230 und 300 CE zu haben. Auf der IAA im Herbst stellt Mercedes die Turbodiesel-Versionen des 250 und 300 vor.
1988Den 200 gibt es auch in Deutschland als Einspritzer (118 statt 105 PS), zuvor blieb er dem italienischen Markt vorbehalten.
1989Zweite Serie ab Herbst: massive Kunststoff-Blenden an den Flanken („Sacco-Bretter“, bereits vom Coupé und den 190-Typen bekannt), Radzierblenden mit Chromrand, straffere Sitze, neue Sitzbezüge, mehr Holzzierat im Innenraum, ABS ohne Aufpreis. Den 300 E gibt es gegen 7500 Mark Aufpreis auch als Vierventiler namens 300 E-24 mit 220 PS; der Motor stammt aus dem SL der Baureihe 129. Als Option führt Mercedes das Sportline-Paket ein, zu dem ein geringfügig tiefer gelegtes Fahrwerk, straffere Federn und Dämpfer, breitere Felgen mit 205er-Reifen, Sportsitze vorn und hinten, Lederlenkrad und spezielle Embleme zählen.
1990Mit dem 200 (ohne E) verschwindet der letzte Mittelklasse-Mercedes mit Vergasermotor aus dem Programm. 250 D und 260 E erscheinen als Achtsitzer-Limousinen mit verlängertem Radstand (3600 Millimeter). Auf dem Pariser Salon im Oktober stellt Mercedes den 500 E mit 326 PS starkem V8-Motor vor. Der 500er wird in Kleinserie bei Porsche montiert und kostet 134 200 Mark; Insider erkennen ihn an der veränderten Frontschürze mit kleinen Nebelleuchten, serienmäßigen 16-Zoll-Rädern und stärker ausgestellten Radhäusern.
1991Der große Erfolg des 500 E lässt Mercedes den 400 E mit 4,2-Liter-Motor und 279 PS nachschieben. Der 400 E wird in Sindelfingen montiert, steht auf 15-Zoll-Rädern (16 Zoll und größere Bremsen ab März 1993) und kostet 92 000 Mark. Allerdings gibt es ihn anfangs nur für den Export, der Inlandsverkauf beginnt erst im Herbst 1992. Auf der IAA 1991 ist erstmals das viersitzige W 124 Cabriolet zu sehen, dessen Auslieferung im Frühjahr 1992 startet: Anfangs ist es nur als 300 CE-24 erhältlich.
1992Neue Vierventilmotoren: Der 200 E leistet nun 136 PS, den 230 E ersetzt der 150 PS starke 220 E, an Stelle des 300 E-24 erscheint der durchzugsstärkere 320 E (nach wie vor 220 PS). Der 280 E (197 PS) löst den 260 E ab. Auch die Vierzylinder mit Schaltgetriebe gibt es ab Herbst aufpreisfrei mit fünf Gängen, zum Serienumfang aller Modelle gehört der Fahrer-Airbag.
1993Letzte große Modellpflege: Der Erfolgstyp wird offiziell zur E-Klasse, der Kennbuchstabe wird der Typenbezeichnung vorangestellt. Wichtigste Modellmerkmale sind die neue Kühlermaske („Plakettengrill“), Sacco-Bretter und Stoßstangen in Wagenfarbe, weiße Blinker, weißgraue Rückleuchten sowie hinteres Kennzeichenfeld mit Kunststoffblende (nur für Limousine und Coupé). E 250 D und E 300 D erscheinen mit neuen Vierventil-Dieselmotoren. Die Produktion des 500 E endet im Juli des Jahres.
1994Ab März: Beifahrer-Airbag, Infrarot-Fernbedienung, Wegfahrsperre und elektrische Fensterheber serienmäßig.
1995Die letzten W 124-Limousinen werden im Juni gebaut.
1996T-Modell und Coupé bleiben bis Frühjahr 1996 im Programm. Coupé/Cabriolet auch als E 200 lieferbar.
1997Das Cabriolet ist bis Mitte 1997 lieferbar.
Produktionsbilanz2.058.777 Limousinen, 340.503 T-Modelle, 141.498 Coupés, 33.952 Cabriolets, 2.342 Limousinen in Langversion.
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Fazit

Erstaunlich vernünftige Argumente sprechen für den Mercedes W124: er ist solide, sicher und praktisch. Ein faszinierender Klassiker sieht bestimmt anders aus. Doch mit Vierventil-V8 und Porsche-Entwicklungsgenen wie im 500E, vier Sitzplätzen unter freiem Himmel – oder einem soliden, leisen Stoffverdeck – oder der eleganten Linie des Coupés ist die mittlere Baureihe eben alles andere als mittelmäßig. Und ist es nicht auch in der Mode so, dass ehemals Spießiges zum Trend wird?

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Motor Klassik 05 / 2024
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Erscheinungsdatum 11.04.2024

148 Seiten