Mercedes W124 Cabriolet (1991-1994) Kaufberatung

SL-Alternative mit vier Sitzen

Mit Stoffverdeck steigt der Glamourfaktor des geradlinigen Mercedes W 124 um einige Zehnerpotenzen. Schön zu wissen, dass das A 124 genannte Cabrio fast ganz ohne typische Schwächen auskommt. Die kleinen Altersgebrechen sprechen wir in dieser Kaufberatung an.

Mercedes A124 Cabriolet Kaufberatung Foto: Hans-Dieter Seufert 28 Bilder

Was ist 1971 eigentlich schiefgelaufen? Die offenen Versionen des W 111, der 280 SE und der 280 SE 3.5, wurden in diesem Jahr eingestellt und bekamen keinen Nachfolger. Dabei gehörten große, viersitzige Cabrios seit den Tagen des 220 Cabriolet B (W 187) fest zum Modell-portfolio bei Mercedes-Benz. Seit 1971 also herrschte auf unabsehbare Zeit Flaute in diesem Segment der Mercedes-Palette. Der R 107 mit seinen auf Wunsch bestellbaren hinteren Notsitzen ("Fondsitze für zwei Kinder anstelle Gepäckablage") konnte den Verlustschmerz der Cabriofreunde nicht wirklich lindern. Viel später kam wieder Bewegung in das Thema offene Viersitzigkeit mit Stern.

Erst Ende der 80er-Jahre spielten die Mercedes-Strategen mit dem Gedanken, dem offenen Dreier BMW einen Konkurrenten gegenüberzustellen. So entstanden W-201-Cabrio-Prototypen, das Projekt kam jedoch nicht über ein Versuchsstadium hinaus. Wohl auch, weil der offene Baby-Benz kaum vor 1990 serienreif gewesen wäre. Ein kurzer Cabrio-Lebenszyklus bis zur Ablösung 1993 durch den W202 hätte die hohen Entwicklungskosten nicht einspielen können.

Für das Cabrio änderte Mercedes über 1000 Teile am W124 Coupé

Mercedes A124 Cabriolet Kaufberatung Foto: Daimler
Als der A124 auf der IAA 1991 Premiere hatte, sorgte das elegante Cabrio für Aufsehen. Das gelingt ihm auch heute noch.

Dennoch war die bereits investierte Arbeit der Ingenieure nicht vertan. Mercedes übernahm viele Lösungen des A 201 für das W-124-Cabrio, mit dem eigenen Code A 124. Der stoffbedachte Viersitzer basiert auf einem kräftig überarbeiteten W-124-Coupé: 1000 Teile wurden angepasst oder neu entwickelt. Mit dieser Zielvorgabe waren gleich mehrere Vorteile verbunden. Die Lebensdauer der Baureihe wurde bis ins Jahr 1997 projektiert, Zeit genug, so viele Autos abzusetzen, dass sich der Entwicklungsaufwand rechnen würde. Außerdem waren die Margen in der gehobenen Mittelklasse größer, und es gab keinen direkten Konkurrenten.

IAA-Premiere vor 30 Jahren

Dem staunenden IAA-Publikum wurde im September 1991 der jüngste Ableger der W-124-Modellreihe präsentiert, zwei Monate später stand er bei den Niederlassungen. An Bord ein imposanter DOHC-Vierventil-Sechszylinder mit drei Litern Hubraum und 220 PS zum Startpreis von stolzen 99 636 Mark – mit Karo-Polstern, Fünfganggetriebe und manuellem Verdeck. Vierzylinder waren zunächst nicht lieferbar. Eine abschreckende Modellpolitik? Nein, bereits im ersten Jahr konnte Mercedes über 5000 Käufer mit dem A 124 glücklich machen. Das große Mercedes-Cabrio hatte den Nerv der Zeit getroffen.

Komfort und Sicherheit gehen vor Sportlichkeit

Mercedes A124 Cabriolet Kaufberatung Foto: Daimler
Das dreilagig gefütterte Verdeck mit Glasheckscheibe macht das 124-Cabrio allwettertauglich.

Komfort und Sicherheit standen in Großbuchstaben im Lastenheft des A 124, Sportlichkeit dagegen eher als Fußnote. Nun ja, das Cabrio ist ein großer Gleiter, der lange Strecken mühelos überwindet, die Passagiere dabei mit Ruhe und Sanftheit verwöhnt. Das ändert sich selbst dann nicht grundlegend, wenn man den nur 68-mal gebauten E 36 AMG fahren darf. Vortrieb ja, Kurvenfreude können andere besser. Das Cabrio darf eben nicht mit einem Roadster verwechselt werden, Cruisen sorgt hier für Begeisterung. Alpentouren machen großen Spaß, auch abseits der Autobahnen. Zu haarnadelig sollten die Kurven freilich nicht ausfallen, dagegen sprechen die recht gefühllose Lenkung und erhebliche Aufbaubewegungen.

Für die lange Tour zu zweit ist der offene W 124 aber auf jeden Fall zu empfehlen, schon weil der Kofferraum so groß ist, dass das Gepäck vor begehrlichen Blicken gut geschützt verstaut werden kann. Und der 70-Liter-Tank gewährt auch bei Sechszylinder-Verbräuchen um zwölf Liter eine ordentliche Reichweite.

Karosserie-Check

Die gute Nachricht zuerst: Der Korrosionsschutz des A 124 Cabriolets ist besser als jener der Limousine oder der T-Modelle. Rosten können die offenen Viersitzer trotzdem, und sie tun dies an den klassischen W-124-Schwachstellen: Einen kritischen Blick verdienen daher vor allem Schweller, Wagenheberaufnahmen, Radläufe hinten, Kotflügel vorn unter den Blinkleuchten, Querlenkeraufnahmen am vorderen Achsträger und die Hinterachsaufnahmen. Vorsicht bei übergroßen Rädern und starker Tieferlegung; wenn hier die Radläufe angepasst wurden, kommen weitere Rostnester dazu. Das Verdeck, ursprünglich für eine Lebensdauer von zehn bis 15 Jahren ausgelegt, kann Scheuerstellen aufweisen, durch die Feuchtigkeit in die Zwischenlagen eindringen kann. Wenn der Innenhimmel Stockflecken zeigt, ist ein Austausch nötig, reinigen lässt er sich kaum noch. Bei Cabrios sind die Interieurteile den UV-Strahlen der Sonne stärker ausgesetzt, sie bleichen schneller aus oder bekommen Risse im Klarlack. Neue Ersatzteile sind bei Mercedes kaum zu bekommen, Experten können Holz und Leder aufarbeiten, teilweise zu hohen Preisen. Fahrertüren sind Mangelware, hier passen die vom Coupé, die als leidlich verfügbare Gebrauchtteile noch zu bekommen sind.

Technik-Check

Selbst die jüngsten A 124 sind heute 22 Jahre alt. Fragt man die Experten des W 124-Clubs, hört man dennoch überwiegend Positives. Die Karosserie ist sehr solide und verwindungssteif gebaut. Sie wird selbst dann nicht weich, wenn sie eine Zeitlang tiefergelegt und mit Breitreifen gequält wurde. Das ab Werk lieferbare härtere Sportfahrwerk mit 20 mm Tieferlegung aus der Sportline-Ausstattungslinie steckt sie locker weg.

Der konstruktive Aufwand ist groß. Gleich drei Schwingungstilger verhindern Karosseriezittern auf schlechten Straßen. Hochfeste Stähle und ein in den Windschutzscheibenrahmen integrierter Überrollbügel geben zusätzliche Steifigkeit. Das Verdeck ist allwettertauglich und gefällt dank geringer Windgeräusche. Drei Lagen Stoff plus heizbare Glasheckscheibe halten die Windgeräusche draußen. Mechanisch ist das Dach ebenfalls ohne Schwächen, sieht man von den zentralen Bolzen ab, auf denen die komplette Kinematik ruht.

Lösen sich hier die selbstsichernden Haltemuttern, droht der Mechanismus abzurutschen und beschädigt wichtige Bauteile der Dachsteuerung. Zum Glück tritt dieser Schaden selten auf und ist durch ein beim Öffnen und Schließen schief ziehendes Dach zu erkennen. Die übrige Mechanik ist für Laufleistungen über 300 000 km gut. Zicken machen gelegentlich die Gurtbringer, und es sind Fälle bekannt, bei denen die SRS-Warnleuchte einen Fehler im umfangreichen Sicherheitspaket anzeigt.

Es ist schon viel über den M-104-Dreiliter-Sechszylinder mit Vierventiltechnik als 300 CE-24 geschrieben worden, mit ihm erblickte der A 124 das Licht der Welt. Ein Motor, der von der Drehzahl lebt und der brav warm gefahren werden muss, bevor er gefordert werden darf. Wer dies nicht tut, riskiert einen Zylinderkopfschaden. Gibt man dem Reihenmotor aber das, was er braucht, beschert er einem einen Antrieb, der die sportliche Seite des Cabrios betont.

Zu seiner ungewöhnlich sportlichen Charakteristik passt auch das Fünfgang-Schaltgetriebe mit dem ersten Gang links hinten, das sich für Mercedes-Verhältnisse sehr präzise schalten lässt. Meist wurde jedoch die Automatik geordert, es gab sie wahlweise mit vier und fünf Fahrstufen. Der modifizierte 3,2-Liter-Motor hat mehr Bohrung und Hub, er verwöhnt mit mehr Drehmoment und war im Verkauf die Nummer eins. Auch die Vierzylinder können glücklich machen. Der E 200 mit 136 PS ist der Entschleuniger, er passt besonders zu sanften Gemütern. Einen guten Mittelweg stellt der E-220-Vierzylinder dar. Seine 150 PS fühlen sich im 1,6-Tonnen-Cabrio erfreulich kräftig an. „Es gibt keine schlechten Motoren“, so fasst es W 124-Clubpräsident Thomas Fietzke treffend zusammen.

Preise

Für 10.000 Euro werden recht verbrauchte A 124 im Internet angeboten, mit Vier- und Sechszylindermotoren und Laufleistungen jenseits der 250.000 km. Für einen gepflegten E220 oder E320 mit einem Kilometerstand um 40.000 muss man mit bis zu 35.000 Euro rechnen. Bei Laufleistungen um 100.000 km kostet ein E220 etwa 19.000 Euro, ein E320 wird 3000 bis 4000 Euro darüber liegen.

Bei Einführung 1991 (Mercedes-Benz 300 CE-24 Cabriolet) :
99.636 DM
Bei Produktionsende 1997 (Mercedes-Benz E 320 Cabrio) :
118.976 DM

Ersatzteile

Die Situation ist nicht gerade entspannt, gibt es doch Teile, die kaum oder gar nicht zu bekommen sind. Sitzbezüge oder Zierteile kann Mercedes laut Aussage der Clubexperten nicht mehr liefern. Hier können freie Händler zum Teil helfen. Vieles wird bereits nachgefertigt. So musste Mercedes jüngst den Infrarotschlüssel mit Fernbedienung wieder auflegen. Aktuell sind vordere Kotflügel kaum als MB-Neuteile zu bekommen. Der Cabrio-Tankgeber ist auch nicht lieferbar. Motorkabelbäume finden sich bei Spezialisten in sehr guter Qualität. Ein wirklich passendes neues Verdeck kostet ab 2300 Euro (dreilagig), wenn das Gestänge in Ordnung ist. Von Wiesmann gab es sogar im After Sales ein Hardtop für den A124. Teuer wird es, wenn eines der zahlreichen Holzzierteile aufbereitet werden muss: rund 250 bis 300 Euro.

Schwachpunkte

  1. Dämpferbeinaufnahmen
  2. Vorderkotflügel, Achsträger
  3. Wagenheberaufnahmen
  4. Türunterkanten
  5. Radläufe und Endspitzen
  6. Steuergeräte, Motorkabelbaum
  7. Zylinderkopf (M104 u. M111)
  8. Bosch KE- und LH-Jetronic
  9. elektrohydraulisches Verdeck
  10. Traggelenke und Spurstangenköpfe
Mercedes A124 Cabriolet, Schwachstellen, Igelbild

Wertungen

Alltagstauglichkeit
Ersatzteillage
Reparaturfreundlichkeit
Unterhaltskosten
Verfügbarkeit
Nachfrage