Alfa Romeo Berlina 2000 und Triumph Dolomite Sprint

England gegen Italien

Italien hat die komplettere Mannschaft, aber England hält mit Stolz und Mut dagegen. So ähnlich sich Alfa Romeo Berlina 2000 und Triumph Dolomite Sprint von den Rahmendaten her sind, so unterschiedlich sind sie im Wesen.

Alfa Romeo Berlina 2000, Trimph Dolomiti Sprint, Frontansicht Foto: Hardy Mutschler 19 Bilder

Wie müssen sie sich mit dieser Lüge nur gefühlt haben? Er sei „nett, ruhig, luxuriös und absolut kultiviert“. Das behaupteten sie in Werbeprospekten. Auf die Alfa Romeo Berlina 2000 trifft das zu. Doch die Rede ist vom Triumph Dolomite Sprint. Und der ist weder nett, noch ist er ruhig und kultiviert. Luxuriös ist er nur dann, wenn man darunter eine erdtonige Kombination aus Wurzelholz, hochflorigem Teppich und breitem Cord versteht. Aber so mag es der Engländer offenbar. Auch in den Kneipen hat man schließlich gerne Teppichböden und Velours. Das muss man nicht mögen, nobody’s perfect.

Triumph Dolomite Sprint ist ein Hooligan

Der Triumph Dolomite Sprintauch nicht. Gut. Sonst wäre er langweilig. So: immer für Überraschungen gut. Denn eigentlich ist der Sprint ein Hooligan, der sich in braver Limousinen- Garderobe tarnt. Das kleinkarierte Hemd sauber gebügelt, hochgeknöpft getragen, höflich, gut erzogen, redegewandt, gebildet, aber unterm Kragen am Hals tätowiert und jederzeit bereit fürn Fight. Mit wem er sich anlegt, auch darin ist der Triumph Dolomite Sprint ganz Engländer, hat mit seinen Erfolgsaussichten nichts zu tun.

Gegen Alfas 2000 Berlina dürften die Wetten für den Triumph Dolomite Sprint schlecht stehen. Könnte gut passieren, dass diese augenscheinlich freundliche Limousine ihn niederringt, wenn es hart auf hart kommt. Soll sich von ihrem dezenten Auftreten niemand täuschen lassen. Soll sich keiner in die Irre führen lassen, weil sie auch so zahm und komfortabel sein kann.

Weil sie einem diesen großen Lenkradkranz anbietet, dessen lackiertes Holz so schön klimpert, wenn sich in engen Kurven beim Umgreifen beringte Finger darum schließen. Weil sich auf den konturierten und weich gepolsterten Sitzen, sie sind mit demselben Kunstleder bezogen, das auch die Türen kleidet, unter ihrem geraden und klein gelochten Himmel gleich so ein luftiges und leichtes Gefühl einstellt. Fast schon möchte man sich nach Lammfellbezügen umsehen.

Grundgutmütigkeit der Alfa Romeo Berlina 2000

Die Alfa Romeo Berlina 2000 hetzt nicht. Trocken stößt die Hinterhand über kurze Absätze und schunkelt sonst geschmeidig rund in ihren Bewegungen mit den Unebenheiten der Straße. Diese Grundgutmütigkeit des Fahrverhaltens behält sie sich erstaunlich lange, sie zu bewegen macht Freude, sie auch in durcheilten Kurven zu beherrschen kaum Mühe.

Der Doppelnocker der Alfa Romeo Berlina 2000 befeuert die gemütliche wie auch die ambitionierte Fahrweise wohltemperiert. Der Drehzahlmesser mahnt mit enger Schraffur zwar schon bei 5.500 zum Hochschalten. Doch mehr Touren braucht der Zweiliter auch nicht. Schon bei knapp der Hälfte ändert das Alu-Aggregat die Stimmlage und knurrt gegen jedes Missverständnis an, das sich im Drehzahlkeller breitgemacht haben könnte, weil es sich auch so ambitionsfrei cruisen lässt mit diesem Antrieb. Weil die Gänge sanft durchs Getriebe gehen. Früh schon fallen sie wie von selbst in Position, geführt an diesem langen Stock, der aus seinem üppigen Schaltsack herauswächst.

Der Vierzylinder der Alfa Romeo Berlina 2000 debütierte schon 1955 in der Giulietta, da hatte er noch 1300 Kubik, verwendet hat Alfa ihn noch, mit Doppelzündung versehen, im 164. Wer will da noch behaupten, es lohne sich nicht, ordentlich Geld zu investieren, um ordentliche Produkte zu entwickeln? Die Geschichte des Triumph Dolomite Sprint-Antriebs gibt die Antwort.

Triumph Dolomite Sprint mit erstem Großserien-Vierventiler

Der erste Großserien-Sechzehnventiler ist ein weiteres englisches Paradebeispiel dafür, wie mit Einfallsreichtum akuter Geldmangel kompensiert werden musste. Gegängelt an der kurzen Leine des British Leyland Managements erübrigte sich für die Triumph-Ingenieure um Spen King die Neuentwicklung eines Antriebs, als sie Anfang der 70er Jahre beinahe ohne Budget über einem Problem brüteten: Wie ließe sich der brave Triumph Dolomite, eine Kompaktlimousine für Hutfahrer, in etwas Anderes, etwas nicht Braves, verwandeln?

Formal geht der Triumph Dolomite zurück auf das von Triumphs Hausdesigner Giovanni Michelotti gezeichnete, schon 1965 eingeführte Modell 1300. Über einige gestalterische und konstruktive Änderungen entwickelte sich Triumphs Angebot in der unteren Mittelklasse zum Toledo und dem 1500, den der Dolomite 1972 ablöste.

Angetrieben von einem 1.854 Kubik großen Achtventiler, der eigentlich als Entwicklungsauftrag für Saab entstanden war, tat der Triumph Dolomite der deutschen und italienischen Konkurrenz weniger weh als Triumph selbst.

Nur eine Nockenwelle steuert die 16 Ventile

Optisch zumindest eigenständig und mutig, wenn nicht gar sehr gelungen, blieb der Triumph Dolomite ein Wagen für in die Jahre Gekommene, die es sich zu Hause hinter Spitzengardinen auf Plüschsofas zum Afternoon-Tee heimelig machten. Aus dem Guss des braven Dolomite-Motorblocks ließen sich problemlos zwei Liter bohren. Von der erwünschten Leistung waren die Ingenieure damit allerdings noch genau so weit weg wie von der Kohle, die man gebraucht hätte, um einen Kopf mit zwei Nockenwellen zu konstruieren.

Da machte Lewis Dawtrey, Triumphs eigener Motorenentwickler, den Vorschlag, die 16 Ventile, die man für mehr Leistung brauchte, über eine einzige Welle zu bedienen: Auf der Einlassseite laufen die Nocken direkt über Tassenstößel. Dieselben acht Nocken steuern über Kipphebel auch die Auslassventile. So drückt der erste Großserienmotor mit 16 Ventilen an die 130 PS locker und macht den Triumph Dolomite Sprint zum Sportwagen. Zur rabaukenhaften Variante respektive Alternative zur viertürigen Durchschnittlichkeit des normalen Triumph Dolomite.


Heikles Fahrwerk im Triumph Dolomite

Den Triumph Dolomite Sprint kaufte man entweder, weil man ihn als Wolf im Schafspelz schätzte, oder man fand eben das sehr schnell heraus. Die Vorderräder, geführt an zwei unterschiedlich langen Querlenkern, neigen dazu, in engen Kehren geradeaus zu schieben. Ein kurz vom Gas gehobener Fuß wirkt dem entgegen. Wohl aber so, dass die Reaktion nicht nur auf nasser Straße erschreckend ausfallen kann.

Die Farbbezeichnung der ersten Charge des klingt da fast wie eine Ironie: Mimosa. Besser passt, dass Andy Rouse im Triumph Dolomite Sprint 1975 die Britische Tourenwagenmeisterschaft für sich entschied.

Nie ist der Triumph Dolomite Sprint verlegen, gerade diejenigen Seiten an seinem Lenker hervorzukitzeln, vor denen der sich vielleicht am meisten fürchtet – wild, unbeherrscht, rotzig, stets mit einem Gasstoß mehr als nötig. Der Alfa Romeo Berlina 2000 gönnt jeder gern frühzeitig den nächsten Gang, vom Triumph Dolomite Sprint sollen es immer noch ein paar Umdrehungen mehr sein, bevor bei 6.500 ein roter Haken auf dem spärlich beschrifteten Smith-Instrument den Griff zum Schalthebel erzwingt. Der geht hart durchs ausgeprägte H des Getriebes, das Triumph weiter gestuft auch im TR 6 installierte. Der Schaltstock, so ist das schöne Gefühl bei jedem Wechsel, drückt einem die Mechanik direkt in die Hand. Zweiter, Dritter, Vierter, Overdrive.

Alfa Berlina ist Understatement pur 

Dabei ist es nicht unbedingt die Drehfreude, sondern vielmehr die Bestimmtheit, Autorität und Unmittelbarkeit, mit der der Motor seine Kraft in den Antriebsstrang und den Triumph Dolomite Sprint nach vorn drückt. Provozierend tänzelt der Wagen dabei über jede Welle. Mit deutlich Sturz an der Vorderachse läuft er kaum einen Meter ruhig geradeaus, wenn es ihm zu langsam geht. Die Alfa Romeo Berlina 2000 hingegen kann tatsächlich so nett und ruhig sein, wie Triumph den Dolomite Sprint einst beworben hat, so luxuriös auch und absolut kultiviert.

Wenn man die Alfa Romeo Berlina 2000 nicht reizt, bleibt sie eine distinguierte Absage an Krawalligkeit. Sonst verrät schon die Tonlage des Zweiliter-Antriebs, mit dem Alfa die 105er-Baureihe krönte, dass auch sie sportlichen Herausforderungen nicht aus dem Weg gehen muss. Dass sie die im direkten Vergleich elegantere und komfortablere Option ist, heißt wohlgemerkt nicht, dass sie eine in der Hauptsache elegante und komfortable Option ist. Und dass der Triumph Dolomite Sprint das rauere, direktere, ungehobeltere Auto ist, heißt nicht, dass er sich um seine Insassen nicht kümmert.

Smart und polite leuchtet er mit einem Lämpchen im sanft geschwungenen Instrumentenbrett: „Fasten Belts“. Bitte den Gurt anlegen. Oder heißt das eher: An meinem Steuer, Freundchen, schnallst du dich besser an?

Fazit zu Triumph Dolomite Sprint und Alfa Romeo Berlina 2000

Die Alfa Romeo 2000 Berlina ist das rundere der beiden Autos, ja, das nettere, wenn man so will. Der Alfa leistet sich keine nennenswerte Schwäche, kann zwar schnell, fördert aber eher Gelassenheit und bietet ein luftiges Raumgefühl. Der Triumph Dolomite Sprint ist rauer, radikaler, kompromissloser auf Sport. Er ist der komische Außenseiter, der wenige anspricht, weil  klar ist, dass viele ihn nicht verstehen. Artig ist er nur im Sinne von eigenartig. Berlina: na gut. Dolomite Sprint: oh, yeah.