AMC Pacer Limited V8 im Fahrbericht

Run AMC - unterwegs in einer Käseglocke

Der AMC Pacer sollte den Weg in die Zukunft ebnen. Das klappte nicht ganz. Übrig blieb eine einzigartige Design-Ikone, die Spitznamen wie Käseglocke oder Kugelfisch über sich ergehen lassen musste. Die Rehabilitierung des AMC Pacer kam durch Auftritte in Kultfilmen wie Waynes World.

AMC Pacer Limited V8 - Frontansicht in Fahrt Foto: Hardy Mutschler 20 Bilder

Drei Karosserieformen ragten Ende der siebziger Jahre wie die höchsten Gipfel der Rocky Mountains aus den grauen Wolkenmassen der US-Cars heraus: Chevrolet Corvette, Jeep CJ7 und AMC Pacer. Alle drei sind noch heute aufgrund ihrer einzigartigen Silhouetten schon von weitem sofort zu erkennen. Der unbekannteste der drei ist der AMC Pacer, den wir hier vorstellen.

Rasendes Spaßmobil aus Waynes World

Der AMC Pacer besitzt eine kurze Motorhaube, eine niedrige Gürtellinie und ein großzügig verglastes, rundliches Wagenheck, das stark an eine Käseglocke erinnert. Das machte den kompakten Zweitürer von AMC unsterblich und zum gern gezeigten Filmauto. Unvergesslich, wie zum Beispiel die vier Kumpels aus "Wayne's World" in einem 77er AMC Pacer die "Bohemian Rhapsody" von Queen aufführen (siehe und höre auf You Tube).

Und es geht noch weiter mit den optischen Eigenarten des AMC Pacer: Die riesigen Türen, aus denen der Pacer in der Hauptsache besteht, sind unterschiedlich lang. Damit zwei Passagiere leichter auf der schmalen, zwischen den Radhäusern platzierten Rückbank Platz nehmen können, ist die Beifahrertür nochmals rund 10 Zentimeter länger als die bereits üppig dimensionierte Fahrertür. Bei der gigantischen Außenbreite von 1,95 Meter riskiert man in schmalen Parklücken, dass der dicke AMC Pacer zum gläsernen Gefängnis wird. Zuletzt wirken die beiden unter zwei Wölbungen herausschauenden Scheinwerfer – besonders bei den früheren Modellen ohne angehobene Motorhaube – wie der Blick einer Kuh, wenn es donnert.

Das alles war pure Absicht. AMC-Präsident Robert Evans sagte Anfang der siebziger Jahre angesichts der mächtigen Konkurrenz durch Chrysler, Ford und General Motors: "Wir können nicht einfach ein weiteres hübsches Gesicht auf der Straße sein, wir müssen deutlich anders sein." Entsprechend dieser Vorgabe spezialisierte sich die American Motors Corporation, die 1954 aus der Fusion von Hudson und Nash hervorging, auf Klein- und Geländewagen. Offroader kamen erst 1970 durch die Übernahme von Jeep in den Konzern; die oft skurril geformten Straßenautos waren dagegen selbstgemacht.

Der kompakte Gremlin von 1970 sah wie ein mit der Spaltaxt bearbeitetes Familien-Coupé aus, dessen halbes Dach mitsamt dem Heck einfach abgehackt wurde. Das Heckfenster des Langschnauzers diente als gläserne Öffnung für den Gepäckraum. Dennoch wurde der Gremlin ein Hit und verkaufte sich 700.000 Mal.

Ursprünglicher Plan: Ein Wankelmotor für den AMC Pacer

Die damals populäre US-Marke konnte sich 1974 sogar einen doppelten Filmauftritt in dem James Bond-Streifen "Der Mann mit dem goldenen Colt" leisten: Roger Moore fährt in einem roten AMC Hornet X den legendären Holzbrücken-Spiralen-Stunt, während sich Bösewicht Christopher Lee mit einem transformierten Matador Coupé in die Lüfte erhebt. AMC setzte sich damit ein Denkmal, doch der 1975 vorgestellte AMC Pacer übertraf mit seiner eigenwilligen Optik die Show-Einlagen der beiden Filmautos um mindestens drei Beifahrertürlängen.

Ursprünglich waren für den AMC Pacer Frontantrieb und ein Wankelmotor vorgesehen, den die AMC-Techniker von General Motors zukaufen wollten. Man versprach sich dadurch ein geringes Fahrzeuggewicht und einen geräumigen Innenraum. Doch GM stoppte 1974 aufgrund der schlechten Ro-80-Erfahrungen in Europa die Wankel-Entwicklung für den Pacer. AMC musste deshalb auf die hauseigenen, schweren und behäbigen Reihensechszylinder zurückgreifen, die unter anderem im Jeep Wagoneer Verwendung fanden und aus 3,8 Liter Hubraum gerade mal 90 PS im AMC Pacer produzierten.

Die AMC-Techniker vergrößerten nachträglich den für einen kompakten Wankelmotor konzipierten Motorraum des Pacer, indem sie die Spritzwand auf Kosten des Innenraums nach hinten verschoben. Deshalb sitzt jetzt das Getriebe im AMC Pacer unter dem Instrumentenbrett und verhindert die einigermaßen bequeme, in den USA sehr beliebte Mitfahrt eines dritten Front-Passagiers.

It's not a trick, it's a Pacer – Werbeslogan für den skurillen Wagen

Der dunkelbraune AMC Pacer von Axel Grothausmann besitzt als sportlich-luxuriöse Topversion mit V8-Motor einen auf der Mittelkonsole platzierten Automatikwahlhebel mit kugelförmigem Knauf, der eine Handschaltung suggeriert. Zwei bequeme, lederne Einzelsitze und ein formschönes, knuffiges Lederlenkrad mit drei perforierten Metallspeichen machen große Lust auf eine Probefahrt. Die geschmackvoll aufeinander abgestimmten beigen und hellbraunen Farbtöne des Innenraums im AMC Pacer einschließlich des holzgemaserten Instrumentenbretts und der dicken Bodenteppiche schaffen eine ländlich-gediegene Atmosphäre.

Nach dem Zuschwingen der schweren, reichlich mit Schaltern, Chromleisten und sogar Bodenteppich dekorierten AMC Pacer-Tür entsteht der Eindruck, in einem schicken Oldsmobile Delta 88 oder Plymouth Fury zu sitzen – beide mindestens fünfeinhalb Meter lang. In Wirklichkeit sitzen wir jedoch in einem gerade mal 4,4 Meter langen AMC Pacer, dessen Länge exakt dem aktuellen Opel Astra entspricht: It's not a trick, it's a Pacer (in Abwandlung des Sony-Slogans).

Ungünstige Raumausnutzung

Na ja, ein bisschen haben die AMC-Entwickler doch getrickst; das spüren vor allem die, die im AMC Pacer hinten sitzen. Dort rücken sie auf der schmalen Bank schon zu zweit ziemlich eng zusammen, was in klaren Sternennächten hinter weit in das Dach reichenden Fenstern noch als romantisch durchginge, sonst aber schlicht als Platzmangel empfunden wird.

Die AMC Pacer-Sitzbreite auf der zwischen den Radkästen platzierten Rückbank beträgt nur knapp 120 Zentimeter – ein hoher Tribut, den der kurze Radstand des AMC Pacer von den Fond-Passagieren fordert. Auch der flache Kofferraum bietet wenig Platz. Zusammen mit den antiken und durstigen Motoren (siehe "Der alte Test", vorherige Seite) verlor der AMC Pacer rasch seine anfangs große Popularität. Die Verkäufe rutschten von 117.224 Stück im Jahr 1976 auf 10.215 in 1979. Ein Jahr später war Schluss.

Das US-Car wirkt wie ein Aquarium

Vorn Sitzende genießen im AMC Pacer jedoch die Annehmlichkeiten einer ausgewachsenen US-Limousine aus den späten Siebzigern: den leise zischelnden, aufmerksam am Gas hängenden Fünfliter-Motor; die leichtgängige, ziemlich entschleunigend wirkende Lenkung und den guten Federungskomfort. Allerdings wirken die Insassen des AMC Pacer auf die Umwelt wie Exoten in einem Aquarium, besonders auf der Rückbank. Sitzt dort hübsches weibliches Personal, sollte man nachts die Innenbeleuchtung anmachen, damit auch andere etwas davon haben.

AMC Pacer-Besitzer Grothausmann fährt jedoch lieber mit seiner Familie durch die Gegend, mit Ehefrau Sybille und Töchterchen Ann Charlotte. Eigentlich gehört der AMC Pacer Sybille – wie es dazu kam, ist eine grandiose Geschichte: Eines Tages erblickte sie in Stuttgarts Innenstadt den Oldtimer ihres Lebens – "fast nur aus Glas, ein völlig verrücktes Design." Den Hersteller und das Modell konnte sie an dem geparkten AMC Pacer nicht identifizieren, weshalb alte Auto-Kataloge und auto motor und sport-Hefte Aufschluss über die Identität geben sollten. Vergeblich.

Ihr Mann Axel, ein erfahrener Oldtimer-Kenner und – Schrauber, tippte deshalb zusammen mit Freunden auf einen Volvo P 1800 ES "Schneewitchensarg", den Gattin Sybille halbwegs akzeptieren konnte.

Perfektes Geburtstagsgeschenk – umwickelt mit einer roten Schleife

Doch dann erkannte sie zufällig im Kino-Remake von "Starsky & Hutch", wie die beiden Helden von einem roten AMC Pacer aus beschossen wurden. "Das ist er", rief Sybille, "den hab' ich damals in Stuttgart gesehen." Daraufhin machte sich Axel auf die Suche nach dem Traumwagen seiner Frau und erstand 2005 zunächst eine gerade noch fahrbare AMC Pacer-Rostlaube in Weiß, die es sich nicht zu richten lohnte. Damit war das Thema "Pacer" für Ehefrau Sybille vorläufig beendet.

Doch Axel ließ nicht locker. Einen neuen, gut erhaltenen Luxus-AMC Pacer aus Erstbesitz – unser Fotomodell – importierte der Ehemann aus Toulouse nach Ulm. Heimlich, "auf Geschäftsreise", damit Sybille davon nichts erfuhr. Dann erhielt sie endlich ihren Traumwagen, den AMC Pacer – umwickelt mit einer roten Schleife als Geburtstagsgeschenk.