Delahaye 235 Coupé d'Elfe im Fahrbericht

Der letzte Schrei

Der Delahaye 235 Coupé d'Elfe, der letzte von Joseph Figoni karossierte Delahaye, markiert das Ende einer Epoche: Mit ihm starb vor 50 Jahren die französische Tradition des individuell von Hand gefertigten Luxuswagens. Das Delahaye Coupé d’Elfe verbindet exquisite Eleganz und Komfort mit Technikkomponenten aus dem Rennsport.

Foto: Jooß, Uli 15 Bilder

Die letzten Wochen vor der Präsentation des Delahaye 235 Coupé d'Elfe auf dem Pariser Salon waren die schlimmsten. „Wir arbeiteten Tag und Nacht, mein Vater brachte der Mannschaft Sandwiches und Kaffee“, erzählt Claude Figoni. Der Sohn des berühmten, 1978 verstorbenen Karossiers Joseph Figoni hat es selbst miterlebt: „Wenn ein Arbeiter über Müdigkeit klagte, schickte ihn mein Vater in den Bois de Bologne zum Luftschnappen.“

Figoni, der Perfektionist – 2.000 Arbeitsstunden für ein Delahaye

Der Meister der französischen Formenkunst war schwer zufrieden zu stellen. Über Nacht änderte er immer wieder Details an den Gipsformen für den Delahaye 235 Coupé d'Elfe im Maßstab 1:10, die als Modelle für die Karosserien dienten. „Am furchtbarsten war es, wenn mein Vater dann mit viel Mühe gedengelte Teile wie Kotflügel oder Radabdeckungen kritisch anschaute und einfach auf den Schrott warf, weil sie ihm nicht perfekt gefielen.“

Diese Zeremonie wiederholte sich in jedem Jahr – auch 1953, als Joseph Figoni den
Delahaye 235 einkleidete. Der Aufwand war enorm: Rund 600 Arbeiter-Stunden fielen pro Auto allein für die Blechherstellung an. Die Lackierung verschlang mit allen Vorarbeiten weitere 150 Stunden. 400 Stunden brauchten die Werker für die Komplettierung der
Karosserie einschließlich Bestückung des Armaturenbretts sowie der Chrom- und Fenstermontage. Die Polsterer saßen ebenfalls 150 Stunden an jedem Exemplar. Unterm Strich kamen so rund 2.000 Arbeitsstunden zusammen.

Drei Exemplare des Figoni 235 wurden von Hand gebaut, darunter das Exemplar mit der Fahrgestellnummer 818.028. Es sollte sein letztes bleiben. Dieses wegen seiner elfenhaften Eleganz „L'Elfe“ getaufte Coupé unterschied sich von seinen beiden Vorgängern durch einen sportlicheren Kühlergrill, in die Karosserie eingelassene Türgriffe und zusätzliche Nebellampen. Im Gegensatz zu den barockeren Delahaye der späten Dreißiger mit ihren schwellenden Formen (Spitzname: Narwal) wirkt der L’Elfe schlichter und sportlicher, ohne die gewohnte Eleganz vermissen zu lassen.

Patina aus 50 Jahren

Joseph Figoni fuhr den Delahaye 235 Coupé d'Elfe eine ganze Weile selbst und präsentierte ihn bei einem Concours d’Elégance, bevor er ihn an einen Freund verkaufte. Das Coupé wurde danach noch vier Mal weiter veräußert, bis es in die Hände von Christoph Grohe gelangte.

„An vielen Stellen ist noch der erste Lack zu sehen“, begeistert sich der Schweizer Oldtimer-Spezialist. Im Innenraum trägt der Delahaye 235 Coupé d'Elfe mit Würde die Patina seiner 50 Jahre. Das Cockpit wird von zwei großen Jaeger-Runduhren für Geschwindigkeit und Drehzahl dominiert, welche den Geschmack der Zeit nicht weniger eindrucksvoll widerspiegeln als die neun bernsteinfarbenen Bakelitknöpfe, mit denen die elektrischen Funktionen des Delahaye in Betrieb genommen werden. Ein Druck auf den mit D gekennzeichneten Knopf betätigt den Starter.

Elektromagnetisches Getriebe aus dem Rennsport

Der dreieinhalb Liter große Reihensechszylinder des Delahaye 235 Coupé d'Elfe springt sofort an und verfällt im Leerlauf bei 900 Umdrehungen in ein sympathisches, tiefes Blubbern. Der Klang erinnert ein wenig an einen V8 aus US-Produktion, nur feiner und konturierter. Gibt man ein wenig Gas, akzentuiert der Auspuff zusätzlich einen sportlich-kräftigen Unterton.

Das ungewöhnlichste im Delahaye 235 Coupé d'Elfe ist das Getriebe samt Schaltmechanismus. Betätigt der Fahrer den winzigen Wählhebel am linken Lenkstock, wird der jeweilige Gang, ohne zu kuppeln, elektromagnetisch eingelegt. Dieses so genannte Cotal-Getriebe stammt aus dem Rennsport, in dem Delahaye einige Erfolge einfahren konnte. 

Eines der Highlights war der Gewinn des „Prix du Million“, für den der Automobile Club de France eine Million Franc als Siegprämie ausgesetzt hatte – für denjenigen, der die damals von den Deutschen gehaltenen Streckenrekorde im Autodrome Linas-Montlhéry brechen sollte. Es war ein 200 PS starker Delahaye, der mit einem Spitzentempo von 235 km/h und einem Schnitt von 145 km/h auf der 200 Kilometer langen Prüfung den Sieg einfuhr. Und damit nicht genug. 1938 gelang es dem Rennfahrer René Dreyfus auf Delahaye sogar, beim Grand Prix von Pau Rudolf Caracciola im doppelt so starken Dreiliter-Silberpfeil mit Kompressor zu schlagen. 

Spiegelverkehrtes Schaltschema

Wichtig im Rennsport waren schnelle Gangwechsel mit möglichst kurzer Zugkraftunterbrechung – und die garantierte das innovative Cotal-Getriebe. Der Pilot muss sich allerdings auf ein spiegelverkehrtes Schaltschema einstellen. Der erste Gang liegt rechts oben, der zweite darunter, für den dritten geht es nach links oben und für den Vierten wieder nach unten.

Das winzige Hebelchen lässt sich frappierend leicht bedienen: Man umfasst am besten mit der linken Hand den Lenkstockhebel und schaltet dann lediglich mit dem Daumen. Bei scharfer Fahrweise empfiehlt sich allerdings zusätzlich der Druck auf die Kupplung: Das schont das Getriebe und hilft dem komplizierten Mechanismus, die gewünschte Gangstufe ohne Rucken und Kratzgeräusche einzulegen. Ansonsten kann der Fahrer das entsprechende Pedal links liegen lassen.

Das ungewöhnliche Schaltgefühl ohne jeden Kraftaufwand trägt viel zu dem komfortablen Gesamteindruck des Delahaye bei. Auch die Lenkung geht überraschend leicht. Dies ist vor allem der indirekten Auslegung zu verdanken. Zu der spielerischen Anmutung trägt auch die stattliche Größe des wundervollen Holz-Volants mit seinem Metallkern und den griffgünstigen Fingermulden bei.
 

Zweistufiges Schiebedach

Auch die Federung fällt eher sänftenartig-weich aus und passt ebenso wie die breiten bequemen Ledersitze ausgezeichnet zum komfortbetonten Charakter des Coupés. Dass sich der Delahaye 235 Coupé d'Elfe in der Kurve deutlich zur Seite neigt und die Reifen schon bei geringem Tempo zum Quietschen neigen, tut dem Wohlgefühl an Bord keinen Abbruch.

Bei sommerlichen Temperaturen ist auch das zweistufige, auf Knopfdruck aufspringende große Schiebdach des Delahaye 235 Coupé d'Elfe ein Genuss. Bei zusätzlich geöffneten Seitenfenstern stellt sich fast ein Frischluft-Gefühl wie im Cabrio ein. Ironie der Geschichte: Mit dem Patent für diese Schiebedach-Konstruktion verdiente Figoni mehr als mit seinen Autos. 

Dennoch reichte es nicht zum Überleben: Modernere Sportwagen aus Italien und England machten den schweren und teuren Einzelstücken zunehmend Konkurrenz. 1954 mussten Joseph und Claude Figoni den Karosseriebau schließen und wurden Lancia-Händler, Delahaye wurde im selben Jahr von Hotchkiss geschluckt. Von da an waren die Autosalons in Paris um eine Attraktion ärmer.