Nissan Laurel 2.8 D SGL im Fahrbericht

Droht ihm die Abschiebung nach Afrika?

Der Nissan Laurel 2.8 D galt seinerzeit als Königsdiesel. Sechszylinder, entspannte 90 PS, unkaputtbar und ohne High-Tech-Klimbim. Dieser hier hat erst 250.000 Kilometer runter. Motor Klassik hat eine Probefahrt mit dem Nissan gemacht.

Nissan Laurel 2.8 D SGL, Typ C32, Baujahr 1988 Foto: Frank Herzog 10 Bilder

Christa Margarete Hedwig Romeike aus Solingen ist 49 Jahre alt, als sie sich im April 1988 einen neuen Nissan Laurel 2.8 D SGL kauft. Sie wählt ein warmes Samtgrün-Metallic, dazu die Dreigang- Vollautomatik mit Overdrive, das macht insgesamt 30.745 Mark.

Der Nissan Laurel ist ein treuer Weggefährte

Vier elektrische Fensterheber, getöntes Glas und ein elektrisches Schiebedach sind bereits serienmäßig. Ein Autoradio lässt sie Jahre später einbauen. Erst mit knapp 70 wird sie sich von ihrem Laurel trennen. Es gibt Ehen, die nicht so lange halten. Sie wollte nichts Alltägliches, sondern ein Auto mit Charakter. Eines, das mit Ecken und Kanten gegen den Mainstream anschwimmt. Später wird sie mir in einem langen Brief voller Gefühl schreiben: "Ja, ich war bis zuletzt richtig stolz auf diese Form, diesen Schick, der heutzutage zwischen all den Eiern auf vier Rädern, wie sie allenthalben zu sehen sind, so etwas Besonderes geworden ist."

Sie wollte einen sparsamen Full-Size-Wagen für Vielfahrer, eine große Reiselimousine, die ihr Geborgenheit auf den zahlreichen Fahrten in ihre Heimatstadt Berlin vermittelt. Von Solingen bis Berlin sind es 550 Kilometer. Fast 20 Jahre lang bleibt Frau Romeike ihrem Diesel treu, bei Kilometerstand 247.369 tauscht sie "ihren lieben alten Laurel, treuer Weggefährte so vieler Jahre", wie es im Brief heißt, für ein Handgeld von 300 Euro bei einem VW-Händler in Erlangen gegen einen VW Golf Variant ein. Er bleibt zweite Wahl, den ersehnten Subaru Outback gibt es nicht als Diesel mit Automatik. Fünfte Generation Golf, ein Benziner obendrein. Sie kapituliert gegen "die Strafsteuer in Höhe von 827 Euro und die Verbote, in die Innenstädte zu fahren". Auch die Ersatzteillage entwickelte sich zunehmend dramatisch. "Auspuffanlage, Batterie und Scheibenwasserbehälter, waren schon nicht mehr original, mussten angepasst werden", schreibt Frau Romeike in ihrem vier Seiten langen Brief an mich, den neuen Besitzer des Laurel.

Für 600 Euro wechselte der Nissan Laurel den Besitzer

Sechshundert habe ich bezahlt, TÜV und AU gerade abgelaufen. Bei einem Straßenhändler in Fürth, er war freundlich, sprach mit russischem Akzent. Erst beim zweiten Anlauf habe ich den Laurel genommen. Beim ersten Mal war er mir ehrlich gesagt zu schlecht - zu viele Beulen und schlampig retuschierte Lackschäden, vergilbte Aufkleber, sich auflösende Fensterdichtungen, Schmutzfänger, alte braune Schonbezüge, Baumarkt-Radkappen. Mein properer 400-Euro-Mercedes 190 E 2.6 hat die Value-for-Money-Messlatte weit in den roten Bereich des Unmöglichen gerückt.

Auch die gelbe Umweltplakette des Laurel konnte mich nicht überreden, eher schon der wunderbare Klang seines Sechszylinder-Diesels, der das hohe Lied auf den alten archaischen Maschinenbau sang. Nissan war seinerzeit ein großer Lastwagenhersteller, man hörte und sah am stolzen Motorblock förmlich die aus vollem Guss gefräste Diesel-Kompetenz. Selbst den Zahnriemen habe ich ihm verziehen, er gehört da nicht rein. Er ist, wie Turbolader und Ladeluftkühler, modernes Teufelszeug. Wer über den Landweg von Solingen nach Saigon fahren will, kann so etwas nicht brauchen. Dem Nissan würde ich diese Reise zutrauen. Sofort.

Der Nissan Laurel ist sparsam im Verbrauch

Eine Woche lang habe ich mir den grünen Laurel aus der Ferne schön geredet, den Originalprospekt samt Preisliste auf eBay ersteigert, dann gab es kein Halten mehr. Die Fahrt von Nürnberg verlief problemlos - 120 km/h sind gerade einmal 2.500 Touren im Overdrive, der kehlige Dieselklang geht dann in ein wohliges Rauschen über, wir kennen den Sound von früher, vom VW LT. Auch ein Diesel-Volvo klingt so, die Turbos nageln etwas schärfer, es ist schließlich der gleiche Motor. Der Laurel und ich, wir freunden uns schnell an. 7,5 Liter Verbrauch erfreuen Herz und Geldbeutel, er ist mein Autobahn-Taxi zwischen Stuttgart und München, Langsamfahren wird mit ihm zum Ritual.

Doch anders als beim Mercedes 200 D Automatik vor zwei Jahren klingt es viel schöner, man fühlt sich üppig motorisiert, weiß um den massiven Klotz vorn unter der kantigen Haube, die vom Fahrersitz gut einzusehen ist. Es ist nicht das Kleinbus-Gefühl heutiger Bio-Design-Automobile, wo man glaubt, da vorn ist nichts mehr. Mit Bordmitteln kriege ich auch die angekratzte Optik langsam hin. Das Aufbereiten bedeutet viel Pfriemelarbeit, die alten Tierschutz- und Berlin-Aufkleber gehen kaum runter. Das Kundendienstheft ist kunterbunt durchgestempelt - Nissan-Partner in Berlin, in Mittelfranken und im Bayerischen Wald, zahllose freie Werkstätten, sogar ein VW-Händler hat den artfremden Exoten gewartet. Ich spürte, der Wagen erzählt eine Geschichte, das Scheckheft spiegelt ein Mobilitäts- Profil. Ich musste nur aufmerksam zuhören. Zwanzig Jahre mit einem Auto, das ist der Stoff, die rußgeschwärzte Tinte aus der Diesel-Ölwanne, mit dem das Leben schreibt.

Brief an die Vorbesitzerin des Nissan Laurel

Ich schrieb Frau Romeike einen wie ich glaube ziemlich netten, einfühlsamen Brief. Lange ließ sie sich mit ihrer Antwort Zeit, aber die übertraf in Sachen Autoverstand, Sprachgewandtheit und Wortwitz alle Erwartungen. Auf dem PC fehlerlos getippt, ein Bild vom Nissan eingescannt: Frühlings-Idyll mit dem Laurel, südlich von Bremen, Frau Romeike ist eben viel unterwegs. "Meist glitt ich mit 140 km/h dahin, da hatte er seine beste Form", schreibt sie und ergänzt später bewegt: "Er war zu meinem Leidwesen überhaupt nicht so stark, wie ich das hoffte. Wie sollte er auch mit seinen dürftigen 90 PS? Dafür verbrauchte er immer traumhaft wenig Diesel. Mit 90 dahintrödelnd, schaffte ich es im Sommer auf fünf Liter pro 100 Kilometer. Das soll ein heutiger Wagen erst einmal nachmachen.

Der Nissan Laurel kam nicht gerade gut an

Mir gefällt der Laurel. Aber mein soziales Gefüge zeigt sich reserviert, gar ablehnend. Manche wollen erst gar nicht einsteigen, halten mich nun für völlig durchgeknallt, wenn ich den optisch angezählten Japaner preise. Den feinen, kultivierten Motor, die tolle Sitzposition, das erfrischend große Schiebedach, die immer noch fast ruckfrei schaltende Automatik und die amerikanische Form mit einem Schuss Cadillac in der Linie. All das macht ihn so liebenswert wie einen großen zotteligen Hund aus dem Tierheim. Okay, man muss was machen. Innen ist er top, dank der Schonbezüge, aber außen trägt er die Kampfspuren aus zwei Jahrzehnten. Die abgebrochenen Wischerarme der Scheinwerfer-Dusche gibt es nicht mehr, die Original-Radkappen sind längst vergriffen. Auch eBay versagt.

Irgendwann will ich nicht mehr erklären, warum ich das Auto gut finde, es ist mir zu mühsam. Ich nehme mir einen Tag frei, wild entschlossen, den Laurel gegen etwas Besseres in Zahlung zu geben. Die Stoßdämpfer fühlen sich noch ausgeleierter an als sonst, die weiße Rauchwolke im Innenspiegel hält sich länger als nach dem Kaltstart üblich, und ein seltsames Knarzen kommt aus Richtung Vorderachse. Das Thermometer zeigt etwas heißer an als normal, und es gluckst bei Kurvenfahrt befremdlich unter der Motorhaube. Platzt jetzt gleich ein Kühlwasserschlauch, will mich der Laurel für meine Trennungsabsichten bestrafen? Auch Autos haben eine Seele, vor allem wenn sie 20 Jahre in erster Hand waren.

Muss der Nissan Laurel nach Afrika?

Meine Orientierungslosigkeit lässt mich an der B 27 nicht weit hinter Tübingen stranden. Dort auf dem Cosi Cars getauften Kiesplatz von Cosimo Bramato steht ein silberner BMW 525 tds, Baureihe E 34, 218.000 km, Scheckheft, feine Ausstattung, 2. Hand, für 1.800 Euro. Zweifellos ein vorzeigbarer großer Diesel. Cosimo, der freundliche Italiener, hat keinerlei Berührungsängste mit dem Laurel. Er kennt das Auto von früher, lobt den robusten Motor. "Geht nicht kaputt, ist der gleiche wie im Patrol. Das Auto ist ideal für Afrika - ich gebe dir 600, wenn du den BMW nimmst."

Nervös gehe ich auf und ab. Ich denke an Frau Romeike und ihren Brief: „ Dass der Lack nicht mehr grad ansehnlich war, machte mir Kummer, aber die Runderneuerung hätte sich nur gelohnt, wenn ein H-Kennzeichen in Sicht wäre." Weiter höre ich sie sagen, als ob sie wüsste, dass wir uns trennen: "Als ich mich beim Erlanger Nissanhändler zu Primera-Zeiten mal umguckte, sprach mich ein sehr dunkelhäutiger Mann an, der das Auto für Nigeria zwecks Taxifahrten vom Flughafen zum Hotel wollte. Aber mehr als hundert Euro wollte er damals auch schon nicht geben. Ich fuhr lächelnd davon..."

Ich kann mich nicht entscheiden, kann den Laurel nicht weggeben. Unter gar keinen Umständen. Auf keinen Fall für den Export nach Afrika. Das Schicksal ist ihm, dem starrachsigen Stoiker, doch schon zweimal erspart geblieben. Ein deutscher Liebhaber hingegen, ein Automechaniker, Lackierer oder Karosseriebauer, der sich selbst helfen kann, jederzeit, da hätte ich keine Skrupel. Ich lasse die schwere Motorhaube ins Schloss fallen und fahre achselzuckend, aber entschlossen von Cosimos Hof. Der Motor ist noch warm. Beim Gasgeben rauscht er zufrieden und einlullend wie einlaufendes Badewasser. Kiesel spritzen klirrend aus dem Reifenprofil. Es geht nicht. Seine gesamte Biografie liegt im Schnellhefter auf dem Rücksitz. Frau Romeike hat mir alle Rechnungen geschickt, die TÜV-Berichte und noch zwei Ersatzschlüssel. Das verpflichtet.