Autos, die man nicht vergisst (17)

Piëchs Porsche 914 mit Achtzylinder-Boxer

Eine Schönheit ist der 914, den Volkswagen in Zusammenarbeit mit Porsche auf die Räder gestellt hat, nie gewesen. „Der sieht ja aus, als habe er seinen Unfall schon hinter sich“, bemerkt Paul G. Hahnemann, oberster Verkäufer bei BMW, kurz nach dem Debüt des eigenwillig geformten und mit einer herausnehmbaren Dachplatte versehenen Mittelmotor-Sportwagens.

Foto: Archiv 4 Bilder

Wir befinden uns am Ende der sechziger Jahre. Das unelegante Wesen, das zum Entsetzen seiner Schöpfer auch Volksporsche genannt wird, bezieht seine Dynamik aus dem zuerst 80, dann 100 PS leistenden Vierzylinder des VW 411. Zu erheblichem Aufpreis gibt es auch den gedrosselten Zweiliter-Sechszylinder der Sportwagen-Ikone 911.

110 PS – viel zu wenig für Ferdinand Piëch

110 PS hat dieser 914/6 – nicht schlecht im damaligen Leistungsumfeld. Aber es ist auch eine klägliche Zahl aus der Sicht von Ferdinand Piëch, damals Porsche-Entwicklungschef und verantwortlich für den legendären 917-Rennsportwagen, der mit seinem Titanpleuel-Zwölfzylinder in Le Mans 386 km/h erreicht. Diese Höllenmaschine wählt Piëch nicht, als er seinen ganz persönlichen 914 bauen lässt. Aber auch darunter findet sich noch etwas aus der Rennabteilung. Es ist der Achtzylinder-Boxer aus dem 908, mit dem Porsche 1968, 1969 und 1970 die Markenweltmeisterschaft erringt.

Im Rennauto hat das Dreiliter-Aggregat 350 PS bei 8.400 Umdrehungen. Zwei obenliegende Nockenwellen pro Zylinderbank und Doppelzündung mit insgesamt 16 Zündkerzen sind mitverantwortlich für die hohe Literleistung. Alt-Porschianer Herbert Linge, ehemals im Porsche-Rennteam, erinnert sich an den seltsamen Auftrag, von dem offenbar nicht alle wissen durften. „Der 914 mit dem Achtzylinder entstand im Verborgenen in einem Kabuff der Rennabteilung.“

Genau genommen entstehen sogar zwei Unikate. Den einen bekommt Firmenchef Ferry Porsche 1969 zu seinem 60. Geburtstag. Eineiige Zwillinge sind die beiden Monster-914er dennoch nicht. Der Porsche-Porsche hat zahmere Nockenwellen und Ventilkappen, die den in Rennversion geduldeten hohen Ölverbrauch bekämpfen sollen. Er besitzt die Fahrgestellnummer 001, Straßenzulassung, und angeblich ist der Chef tatsächlich im Lauf der folgenden Jahre rund 10.000 Kilometer mit ihm gefahren.

Unauffällige Granate mit Renn-V8

Anders der Piëch-Porsche (Fahrgestellnummer 111). Er ist der giftigere der beiden, der Rennmotor des 908 bleibt hier im Originalzustand. Einziges Zugeständnis für den Betrieb im öffentlichen Straßenverkehr ist eine dämpfendere Auspuffanlage, bei der aber auf Wärmetauscher verzichtet wird. Warm wird einem ganz gewiss auch ohne sie.

Technisch ist es kein allzu großes Problem, den 178 Kilogramm schweren, flach bauenden Achtzylinder-Boxer (Serien-Vierzylinder: 145 kg) hinter dem Rücken des Fahrers unterzubringen. Um Raum für das Vertikalgebläse zu schaffen, muss die Rückwand zum Fahrgastraum modifiziert, die Motorlagerpunkte müssen neu angepasst werden. Der Kofferraum bleibt von den Veränderungen verschont. Der 914/8 hat hier Serienmaße. Er bleibt also ein Reise-Auto mit nicht allzu großen Fahrwerksveränderungen.

Titan-Federn hinten und Bilstein-Dämpfer mit härterer Abstimmung genügen den Porsche-Technikern – auf extrabreite Felgen, wilde Kotflügelverbreiterungen und grelle Lackierung wird bewusst verzichtet. Piëch möchte mit einer unauffälligen Granate für Verblüffungseffekte sorgen. Ganz normal ist der 914/8 optisch dennoch nicht. An der Wagenfront zeigen Doppelscheinwerfer und ein großer Lufteinlass für den Ölkühler, dass etwas nicht stimmt.

Fahrleistungen auf Niveau des Ferrari Daytona

Spätestens nach dem Anspringen verschwinden die letzten Zweifel. Der Achtzylinder verzichtet auf einen Luftfilter und deckt seinen Sauerstoffbedarf über acht riesige offene Plastiktrichter. Schon das Ansauggeräusch ist von bösartiger Lautstärke und lässt ahnen, dass dieser 914 leistungsmäßig in einer ganz anderen Kategorie zu Hause ist als die Serienbrüder. Unter 2.500 Umdrehungen läuft das 908-Aggregat mit seinen starken Ventilüberschneidungen unrund und zeigt auch akustisch die Aufgeregtheit und Ungeduld reinrassiger Rennmaschinen. Doch dann folgen perfekter Rundlauf mit bestem Massenausgleich und ein bestialischer Beschleunigungsdruck. Die ungewöhnliche Kultiviertheit und Elastizität des 908-Triebwerks kommentiert Jürgen Barth von der Porsche- Sportabteilung und 908-Pilot auf der Rennpiste mit den Worten: „wie ein VW-Motor“.

Messwerte darf die Testabteilung nicht ermitteln, zu kostbar ist der Über-Porsche. Aber man bewegt sich etwa im Bereich eines Ferrari Daytona, mit einer Beschleunigungszeit von null auf 100 km/h in weniger als sechs Sekunden und einer Vmax von rund 260 km/h. Am eindrucksvollsten zeigt sich der Achtzylinder, der schon bei 4.000 Touren 150 PS bereitstellt, an Autobahnsteigungen. Sie existieren nicht mehr. Auch die Gangbereiche, die sich beim vollen Ausdrehen ergeben, sind außergewöhnlich. Der Erste reicht bis 80 km/h, der Zweite bis 130, der Dritte bis 170, und in der vierten von fünf Stufen ist der 914/8 schon so schnell wie der 914/6 in der Endgeschwindigkeit – 210 km/h.

Zu der heiß ersehnten Begegnung mit einem 911 auf der Autobahn kommt es leider nicht. Wenn man den Elfer mal braucht, ist er nicht da. Die vielen anderen Überholten, die an den wie kleine Pilze abgesetzten blauen Ölwolken der brüllenden Tempomaschine schnuppern dürfen, denken das nahe Liegende. Eine Schönheit ist der VW-Porsche ja nicht, aber wenigstens läuft er einigermaßen.

Das Einzelstück überlebt. Museumschef Klaus Bischoff hat dem restaurierten Boliden schon einen Ehrenplatz im neuen Museum in Stuttgart-Zuffenhausen reserviert. Für ihn ist der Piëch-Porsche der „Top-914“. Wohl wahr.