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Hyundai Ioniq 5 N im Detail

Mit diesen Tricks explodieren die Emotionen

Hyundais Sportabteilung "N" greift bei ihrem ersten Elektroauto tief in die Technik-Trickkiste. Wir haben Getriebe-Simulator, Drift-Optimierer und Co. getestet und sind verwirrt und begeistert zugleich.

Hyundai Ioniq 5 N Foto: Hyundai 23 Bilder

Hyundai? Die meisten Menschen denken da sicherlich an praxisorientierte, etwas biedere und relativ kostengünstige Allerweltsautos. Nur Kenner wissen, dass die Koreaner auch automobile Brandstifter bauen können – nämlich dann, wenn eines ihrer Modelle das Zusatz-Label "N" trägt. Im nun anbrechenden Elektrozeitalter wollen sich Hyundai und die eigene, schlicht nach dem 14. Buchstaben des Alphabets benannte Sportabteilung endgültig auch für echte Auto-Enthusiasten und ambitionierte Fahrerinnen und Fahrer interessant machen.

Deshalb weist das elektrische Erstlingswerk der N-Abteilung, der Hyundai Ioniq 5 N, einige interessante Technik-Details auf, die im Paket für E-Autos einzigartig sind und dem Modell mehr als einen Hauch Verbrenner-Fun einimpfen sollen. Dass das tatsächlich funktioniert, haben wir am eigenen Leib erfahren. Hier stellen wir sie im Detail vor.

1. Drift-Unterstützung

Die N-Ingenieure haben in die Steuerungselektronik des Hyundai Ioniq 5 N gleich mehrere Drifthilfen integriert. Zum Beispiel die "Torque-Kick-Drift-Funktion": Wünscht die Fahrerin oder der Fahrer, einen sofortigen Drift einzuleiten, simuliert das System einen Kupplungskick, wie man ihn in einem heckgetriebenen Verbrenner anwenden würde, um das Hinterteil ausbrechen zu lassen. Zusätzlich ist der "N Drift Optimizer" an Bord. Mit ihm lassen sich Driftwinkel länger beibehalten, indem er in Echtzeit auf mehrere Fahrzeugsteuerungen reagiert und unter anderem die Leistungsangabe, Fahrwerksdämpfung und Bremswirkung für diesen Zweck optimal aufeinander abstimmt.

Aber auch ohne "Clutch-Kick" lässt sich der rund 2,2 Tonnen schwere Koreaner im Driftmodus spielerisch querfahren. Denn für das Übersteuern nutzt der Ioniq 5 N vor allem den potenten E-Motor an der Hinterachse. Damit die Drehzahl am Rad nicht unnötig explodiert, wird nur so viel Kraft genutzt, wie für einen Drift nötig sind. Erst wenn der Winkel zu groß wird und die Fuhre droht abzufliegen, unterstützt das Aggregat an der Vorderachse und stabilisiert das Spektakel.

2. E-LSD, Torque Vectoring, N-Pedal und Co.

Als technische Basis für die Drift-Unterstützung dienen mehrere Hard- und Software-Komponenten des Hyundai Ioniq 5 N. Der Elektro-Sportwagen verfügt einerseits über eine vollständig variable Drehmomentverteilung (Torque Vectoring) vorne und hinten, die sich elfstufig feinjustieren lässt. Hinzu kommt ein elektronisches Sperrdifferenzial (e-LSD) an der Hinterachse, das Traktion und Kurvenstabilität optimieren soll. Während beide Technologien nichts Neues sind, scheint die N-Pedal-Funktion eine erfrischende Spielerei zu sein. Diese Software-Funktion nutzt die Verzögerungskraft des Autos, um durch automatische Gewichtsverlagerung ein besonders dynamisches Einlenkverhalten am Kurveneingang hervorzurufen. Das soll das bisher unbekannte, aber sicherlich stattliche Gewicht – bereits ein Ioniq 5 in Standard-Konfiguration wiegt etwa zwei Tonnen – kaschieren.

3. "Branchenführende" Rekuperation

Auch das N-Pedal ist eine weiterführende Funktion einer anderen Technik, die den Hyundai Ioniq 5 N auszeichnet. Es nutzt das regenerative Bremssystem, über das freilich fast jedes Elektroauto verfügt. Die N-Ingenieure haben hier allerdings eine spezifische Rekuperation entwickelt, die eine maximale Verzögerungskraft von 0,6 G erreicht – Hyundai zufolge ist das ein "branchenführender Wert". Sobald ABS einsetzt, soll die Rekuperation aktiv bleiben, wenn auch nur noch mit bis zu 0,2 G. Die Koreaner versprechen einen nicht wahrnehmbaren Übergang zwischen Rekuperation und hydraulischem Bremsen. Zudem soll das System Bremsvorgänge mit dem linken Fuß unterstützen, womit Brems- und Gaspedal gleichzeitig betätigt werden können, was in bestimmten Situationen die Rundenzeit auf der Rennstrecke optimieren kann.

4. N E-Shift, das Getriebe-Imitat

Die vor der offiziellen Präsentation des Hyundai Ioniq 5 N wohl meistdiskutierte Fahrdynamik-Feature war die simulierte Gangschaltung. Zwar verfügt er, wie die meisten Elektroautos, über ein Ein-Gang-Getriebe. Indem die Funktion "N E-Shift" das Motor-Drehmoment anpasst, wird jedoch eine Zugkraftunterbrechung simuliert, wie sie bei einem Schaltvorgang beim Verbrenner entsteht. Dieser "Schaltruck" bringt weder Geschwindigkeit noch Rundenzeit; wahrscheinlich macht er den Ioniq 5 N sogar einen Hauch langsamer. Doch hier handelt es sich um ein reines Spaß-Feature, das sogar einen Drehzahlbegrenzer und eine Motorbremse imitiert, die in "höheren Gängen" weniger stark und in "niedrigeren Gängen" deutlicher spürbar ausgeprägt sein soll.

5. N Active Sound+

So richtig spaßig ist diese Funktion nur in Kombination mit einem an die jeweilige Fahrsituation angepassten Antriebs-Sound. Natürlich verfügt der Hyundai Ioniq 5 N über einen solchen, der "N Active Sound+" heißt und mit insgesamt acht Lautsprechern (acht in- und zwei externen) arbeitet. Die Fahrerinnen und Fahrer können eine von drei Klangwelten wählen: "Ignition" simuliert den Sound jener Zweiliter-Turbobenziner, die bisher in Hyundais N-Modellen zum Einsatz kommen. "Evolution" soll einen Hochleistungsklang bieten, der vom Konzeptfahrzeug RN22e inspiriert ist. Als weitere Alternative steht "Supersonic" zur Verfügung. Damit soll der Hyundai Ioniq 5 N klingen wie ein zweimotoriger Kampfjet und seine Lautstärke bei Kurvenfahrten variabel anpassen.

6. Achtung, spaßige Straße voraus

Doch damit nicht genug der Spielereien. Es gibt nämlich noch die "N Road Sense"-Funktion, die den Sinn der eigentlich als Sicherheits-Feature gedachten Verkehrszeichenerkennung umdreht. Erkennen die Kameras das Straßenschild "Doppelkurve", empfiehlt der Hyundai Ioniq 5 N automatisch, den N-Fahrmodus einzulegen – und damit eine forcierte anstelle einer vorsichtigen Fahrweise. Erstaunlich, dass die Sicherheitsapostel der EU diese Funktion akzeptiert haben. Jene in den USA offenbar nicht: Dort ist "N Road Sense" nämlich nicht verfügbar.

7. N-Race-Fahrmodus

Wollen Sie auf der Rennstrecke einen Sprint oder einen Marathon mit Ihrem Hyundai Ioniq 5 N absolvieren? Möglich ist beides, und über den N-Race-Fahrmodus lässt sich das Auto mit wenigen Knopfdrücken entsprechend vorkonditionieren. Wählen die Fahrerin oder der Fahrer die Option "Endurance", begrenzt der Koreaner die Spitzenleistung, was die Temperaturen in Grenzen hält und die Energieeffizienz maximiert. Geht es dagegen um nur wenige Runden bei maximalem Speed, haut der Ioniq 5 N alles an Leistung raus, was ihm zur Verfügung steht – was folgerichtig die 84-Kilowattstunden-Batterie schneller leersaugt.

Damit der Hyundai rechtzeitig zum Ladestopp in die Boxengasse abbiegen kann, berechnet die Funktion "Track SoC" (State-of-Charge) automatisch den Batterieverbrauch pro Runde. Natürlich gibt es auch eine Launch-Control, mit der der Allrad-Stromer wie vom Katapult befeuert aus dem Stand in 3,4 Sekunden auf Tempo 100 und darüber hinwegschießt. Wer nicht vom Gas geht, darf bis 260 km/h weiter beschleunigen.

8. Fahrmodi für alle Lebenslagen

Doch damit nicht genug. Abhängig davon, ob der Hyundai Ioniq 5 N kurz mit voller Power beschleunigen oder mehrere Runden auf der Rennstrecke absolvieren soll, lässt sich ein "Drag"- oder ein "Track"-Modus wählen, der jeweils den Akku passend vorbereitet. Zudem bietet die Launch Control drei verschiedene Traktionsstufen und ist zusätzlich die "N Grin Boost"-Funktion an Bord, die das Beschleunigungsvermögen für zehn Sekunden maximiert. Nur wenn dieser Overboost mit bis zu 478 statt 448 kW (650 statt 609 PS) aktiviert ist, pfeilt der Ioniq 5 N in 3,4 Sekunden von Null auf Hundert. Die Standardeinstellungen Normal, Eco und Sport sowie zwei individuelle Abstimmungs-Varianten, bei denen alle genannten Modi nach Herzenslust miteinander kombiniert werden können, gibt es obendrein.

9. Optimierte Hardware

Wie jeder andere Hyundai Ioniq 5 auch baut die N-Version auf der E-GMP-Plattform auf. Allerdings war den Entwicklern wichtig, die Verwindungssteifigkeit zu erhöhen, weshalb Unterbau und Karosserie 42 weitere Schweißpunkte und 2,10 Meter zusätzlich verklebter Teile aufweisen. Die Halterungen für die beiden Motoren und den Energiespeicher sowie die Lenksäule zeigen sich ebenfalls verstärkt. Die Servolenkung arbeitet zudem mit einer höheren Übersetzung und soll sich durch eine verbesserte Drehmoment-Rückmeldung auszeichnen. Wie Hyundais WRC-Bolide verfügt der Ioniq 5 N über sogenannte integrierte Antriebsachsen (IDA), die ein höheres Drehmoment (maximal 770 Newtonmeter) aushalten. Die Schmiederäder fallen mit 21 Zoll zwar recht groß aus, sollen aber leicht genug sein, um die ungefederten Massen zu reduzieren. Zudem tragen sie speziell entwickelte und besonders griffige Pirelli-P-Zero-Reifen der Dimension 275/35 R21. Darüber hinaus kommt eine größere Bremsanlage zum Einsatz, die auch richtig bissig anpacken kann.