BYD Yangwang U8 Elektro-SUV

Erste Probefahrt im China-Landy

BYD stellt mit Yangwang eine neue Premium-Submarke vor. Eines der ersten beiden Modelle ist der Power-SUV U8. Fahrbericht.

BYD Yangwang U8 Foto: BYD 21 Bilder

BYD hat sich längst als einer der weltweit größten Auto- und Nutzfahrzeugbauer sowie Batteriehersteller für Elektroautos etabliert. Mit Modellen wie dem Atto 3, dem Seal oder dem Dolphin sind die Chinesen bisher allerdings fast ausschließlich in Brot-und-Butter-Segmenten unterwegs. Doch das soll sich ändern: Mit der neuen Submarke Yangwang, die im Frühjahr 2023 im Rahmen der Shanghai Auto Show offiziell debütierte, will der BYD-Konzern in deutlich luxuriösere und leistungsstärkere Gefilde vorstoßen. Beim diesjährigen Genfer Autosalon (26. Februar bis 3. März 2024) stellte sich die Marke erstmals in Europa vor.

Grau is' im Leben alle Theorie – aber entscheidend is' auf'm Platz", sagte der Fußballer und Trainer Adi Preißler einmal so treffend im schönen Ruhrgebiets-Idiom. Nachdem wir nun den Yangwang U8 nach seiner Premiere auf dem Genfer Automobilsalon nun "auf´m Platz" fuhren, können wir diesem weisen Satz nur zustimmen.

Der Platz ist ein kleiner Handlingkurs in einer Ecke des Flughafens Baden-Baden, und so richtig freie Wildbahn ist hier nur wenig. Keine Wasserdurchfahrten (die der 3,5-Tonner nicht nur durchwaten, sondern auch im Stil eines adipösen Amphicars durchschwimmen könnte), keine üblen Steigungen und Gefälle, an denen der mannshohe SUV seine Böschungswinkel von 36,5 (hinten: 35,4) Grad in die Waagschale werfen könnte. Stattdessen ein eher langsamer Handlingkurs mit nur kurzen Geraden und zumeist engen Kurven, von denen sich eine gemein zum Ende hinzuzieht. Ideale Bedingungen für einen kleinen, leichten Sportler, nicht aber für so ein Trumm, das – dazu kommen wir später – im Grunde das Blech gewordene Bernsteinzimmer ist.

Normal oder brutal: alles eine Frage des Fahrmodus

Das Kennenlernen spielt sich also auf mustergültig ebenem Asphalt ab. Doch das Im-Kreis-Fahren ist schon aufschlussreich genug. Wählt man zum Warmwerden einen der zahmen Fahrmodi, etwa Eco oder Normal, gibt sich der Yangwang U8 lammfromm und verbindlich. Klar, es geht ordentlich voran, aber die Beschleunigung liegt durchaus noch im Rahmen des Gewohnten. Nicht unerwartet ist auch, dass der Dicke es nicht so hat mit Kurven. Im Normalfall folgt er der leichtgängigen, dabei rückmeldefreundlichen Lenkung brav und präzise. Ist das Tempo allerdings etwas zu hoch für den Radius, merkt man plötzlich die gigantische Masse nicht nur an der deutlichen Schlagseite des hohen Autos. Der U8 schiebt mit deutlich wimmernden Reifen sanft Richtung Außenrand, derweil die Elektronik sich einen Wolf regelt, um den Fahrer beim Kurshalten zu unterstützen. Da zupft es mal an diesem und mal an jenem Rad, was den Flow ziemlich stört, den Kurs aber sicher stabilisiert. Weitere Erkenntnis: Die Federung muss eine von der sanften Sorte sein, denn selbst das Räubern über die Curbs bügelt sie dezent weg.

Brutal, geradezu explosiv, wird es in Sport oder Sport plus. Dein Gasfuß zittert ein wenig? Prompt macht der U8 einen Satz nach vorn. Jeder Millimeter Pedalweg führt zu eruptivem Geschwindigkeitszuwachs, der umso eindrucksvoller ist, weil außer dem dumpfen Brummen des nun angeworfenen Vierzylinder-Benziners nichts weiter zu hören ist. Der Zweiliter-Turbo dient – wie bei den e-Power-Modellen von Nissan – lediglich als Range Extender ohne Durchtrieb zu den Rädern und lädt den 49 kWh-Akku. Bei bedachtsamer Fahrweise sollen zu den rund 180 Kilometern aus dem Akku noch gut 800 Kilometer auf Benzin kommen, doch bei 75 Litern Tankvolumen wäre das angesichts der Umwandelverluste Benzin-Strom wohl die Quadratur des Kreises. Als technischer Unterbau des 5,32 Meter langen, 2,05 breiten und 1,93 Meter hohen Yangwang U8 (Radstand: 3,05 Meter) dient die neue E4-Plattform des BYD-Konzerns, die alle künftigen Modelle der Submarke nutzen werden.

Willkommen im Bernsteinzimmer

Zurück hinters Lenkrad: In 3,6 Sekunden geht es offiziell aus dem Stand auf 100 km/h, und der Druck in den Sport-Modi fühlt sich mindestens so fix an. Dabei und auch bei weit mehr als Landstraßentempo zieht es schon spürbar im Lenkrad, vor allem, wenn maximales Pushen in Kurven angesagt ist. Irgendwie auch klar, immerhin wirken an jedem Vorderrad fast 300 PS und 320 Newtonmeter. Da darf die Regelelektronik nicht mit Samthandschuhen ans Werk gehen. Die finden sich eher im Innenraum, der hochklassig und geschmackvoll eingerichtet eine Neuinterpretation des Bernsteinzimmers sein könnte. Weiches Leder mit akkurat gesetzten Nähten, Holz, flauschiges Alcantara, tief glänzende Kunststoffflächen und natürlich brillant auflösende Displays verströmen hochklassiges Flair – und das verschwenderische Platzangebot passt dazu. Vorn wie hinten gibt es Massage, Sitzheizung und -kühlung und natürlich elektrische Verstellung. Die Fondpassagiere haben, klar doch, auch Touchscreens, die unterschiedliche Inhalte abspielen können und so im Grunde ein Multiplex-Kino auf Rädern darstellen. Der große Mittelmonitor vorn ist das Tor zum Glück des Tech-Gläubigen.

Um alle Funktionen auf Anhieb bedienen zu können, wäre eine zweitägige Einweisung sicher hilfreich. Der erste Eindruck ist jedenfalls, dass alles logisch sortiert und aufgebaut ist. An Prozessorleistung wurde nicht gespart: Das Blättern und Wischen vollzieht sich in Echtzeit, ohne Ruckeln, ohne Verzögerungen. Vieles lässt sich dann auf dem Monitor live verfolgen, etwa das Erhöhen der Standard-Bodenfreiheit von 285 um weitere 150 Millimeter. Oder das Schließen der Fenster oder des Glasschiebedaches, das natürlich nicht ohne animierten Nachthimmel mit allerlei Sensationen auskommen muss.

Helfer im Parkhaus? Der Tank Turn

Wenige Befehle starten auch den "Tank Turn", das Drehen auf der Stelle. Gewünschten Rotationsgrad einstellen, Start drücken und los geht es. Die Räder einer Seite drehen vorwärts, die der anderen rückwärts – und schon zieht die Umgebung, hin und wieder leicht ruckend, an dir vorbei; derweil die Reifen über den Asphalt rubbeln. Vielleicht ganz praktisch in engen Parkhäusern oder wenn man in einer unwirtlichen Gegend in einen Hinterhalt gerät.

Wer nun auf den Geschmack gekommen ist, dem sei gesagt: Dass dieses Auto gewordene Schweizer Offiziersmesser bald nach Deutschland kommt, ist noch nicht sicher. Zu groß ist der Verkaufserfolg in China; die Produktion ist auf lange Sicht ausverkauft. Wenn das Bernsteinzimmer auf Rädern aber kommen sollte, dürfte es knapp unter 150.000 Euro kosten. Mit Blick auf die bekannten Luxus-SUV geradezu ein Schnäppchenpreis.

Der Yangwang U8 im Detail

Der U8 ist ein kernig gestylter SUV, der mit vielen eckigen Linien auftrumpft. Zentral in der Front sitzt ein angedeuteter Kühlergrill, der seitlich jeweils nach oben und unten ausläuft und dort diverse Leuchteneinheiten beherbergt. Unterfahrschutz-Elemente sollen ebenso wie Kunststoff-Planken an den Radläufen Offroad-Kompetenz symbolisieren. Die farblich abgesetzte Dachpartie mit breiter C- und verkleideter D-Säule erinnert an den aktuellen Land Rover Defender. Ein außen auf der Heckklappe angebrachtes Ersatzrad gehört bei einem Offroader natürlich zum guten Ton.

Yangwang behauptet, Plattform und Karosserie vollständig gegen das Eindringen von Wasser abgedichtet zu haben. Dem Hersteller zufolge schafft es die Standardversion mit dem Beinamen "Luxury" durch etwa ein Meter tiefes Wasser, während die Off-Road-Enthusiast-Edition dank ihres Schnorchels (für den Range Extender) sogar bis zu 1,40 Meter eintauchen können soll.

Köpfchen ins Wasser

Ein Video (ganz oben im Artikel) verdeutlicht, wie das funktioniert und aussieht: Demnach aktiviert der Fahrer im zentralen Display einen entsprechenden Fahrmodus, bevor er den U8 vorsichtig in ein Wasserbecken steuert. Das Fahrwerk befindet sich nun in der höchsten Stufe, der Verbrenner hat Sendepause, die Klimaanlage läuft auf Umluft und während alle Türen und Fenster geschlossen sind, öffnet sich automatisch das Schiebedach, um im Ernstfall einen Fluchtweg zu bieten. Im Wasser drehen sich die Räder immer weiter, wodurch sich der E-SUV mit bis zu drei km/h und maximal 30 Minuten durch das kühle Nass bewegt. Und zwar nicht nur geradeaus: Auf halber Strecke dreht die Besatzung um, woraufhin der Schwimmwagen zurück zur Rampe steuert. Dabei befindet sich der Bug immer etwas tiefer im Wasser als das Heck.

Ein anderes Versprechen des Herstellers veranschaulicht ein weiteres Youtube-Video: Dass der U8 zu einer 360-Grad-Panzerwende ("tank turn") selbst auf haftstarkem Asphalt fähig ist, demonstriert er auf einem Hotelparkplatz. Dass der Clip ohne Ton veröffentlicht wurde, lässt vermuten, dass diese Aktion recht geräuschvoll ausfällt. Bei Tempo 100 soll der E-SUV zudem wegen des negativen Drehmoments beim Rekuperieren auch dann innerhalb von 40 Metern zum Stehen kommen, wenn die Bremsanlage ausfällt. Gleich drei Sensor- und Lidar-Einheiten an der vorderen Dachkante sprechen für ein umfangreich bestücktes Assistenz-Paket. Den Wendekreis gibt Yangwang mit weniger als zwölf Metern an.