3. Schloss Bensberg Classics

Rallye-Ausfahrt: Das Blaue vom Himmel

Die Rallye am ersten Tag der Schloss Bensberg Classics 2011 war erstklassig besetzt. Motor Klassik-Mitarbeiterin Birgit Priemer ging mit einem Bugatti T35 T dieses Mal selbst an den Start.

1926er Bugatti T 35 T Foto: Achim Hartmann 30 Bilder

Zugegeben - ich bin mit sehr gemischten Gefühlen zur 3. Schloss Bensberg Classics gefahren. Als Beifahrerin bin ich schon mit vielen Raritäten unterwegs gewesen. Aber  ich habe noch niemals selbst ein Vorkriegsauto gesteuert - schon gar nicht ein so seltenes Exemplar.
 
Der Bugatti T35 T von 1926 wartet in der Tiefgarage auf mich und mit ihm Malcolm, der wichtigste Mann an meiner Seite - zumindest für die nächsten 24 Stunden. Malcom geht die Sache mit britischem Humor an: "Das wird schon", ermuntert er mich, als er anfängt, mir diverse Knöpfe zu erläutern. "Frauen lernen das sowieso viel schneller als Männer", erklärt er mir noch lachend.
Mir ist noch nicht so recht nach Lachen zumute. Welcher Knopf war noch einmal fürs Öl, welcher für die Batterie und welcher fürs Licht? Tacho? Fehlanzeige - na, macht ja nichts bei einer Rallye im Rahmen der 3. Schloss Bensberg Classics, wo es auf Gleichmäßigkeitsfahren ankommt. Kilometerzähler? Gibt es im Bugatti T35 T nicht. Okay, mein Beifahrer George Keller ist schon viele Rallyes gefahren, wir werden auch das Problem lösen.

Erste Sitzprobe im Bugatti T35 T

Malcolm beugt sich vor das Auto und kurbelt und kurbelt und kurbelt. Endlich schreit der Achtzylinder auf, ready to go. Ich fädele mich in meinem hellblauen Bugatti-Anzug hinter das Holzsteuer, Malcom springt ebenfalls mit auf. Es geht los. Die Tiefgarage ist eng, voller Kostbarkeiten, die man keinesfalls touchieren möchte, falls man, pardon, in diesem Falle Frau, doch einmal Bremse und Gaspedal verwechseln sollte. Die liegen nämlich verdammt eng beieinander. "Ganz schmale Schuhe anziehen", hatte mir deshalb mein Chef schon vor der Rallye geraten. Der muss es wissen: Bernd Ostmann war mit dem Auto schließlich schon einmal auf der Silvretta Classic unterwegs.
 
Aber das Ganze funktioniert erstaunlich gut. Raus aus der Garage, rauf auf die Straße, und schon sind wir auf den Strecken von Bergisch Gladbach unterwegs. Okay, das Getriebe ist wirklich gewöhnungsbedürftig. Der Hebel ist außen an der Karosserie angeordnet, der erste Gang sitzt hinten, der zweite darüber, der dritte rechts unten, der vierte genau darüber. Bei den unteren Gängen verläuft die Sache einwandfrei, aber als ich von vier auf drei zurück will, kreischt der Bugatti auf. "Zwischengas", ruft Malcom. Klar, wir sitzen ja in einem Vorkriegswagen. Also auskuppeln, kurz Gas geben, einkuppeln, schalten. Geht im Prinzip butterweich, wenn auch die Drehzahl gerade stimmt. "Das dauert etwa drei Tage, bis man sich richtig daran gewöhnt hat", tröstet mich Malcolm. Okay, vor mir liegen nur ein Tag und 190 Kilometer im Rahmen der Schloss Bensberg Classics, aber es wird schon hinhauen.

Startaufstellung zur Schloss Bensberg Classics-Rallye

Zeit für eine längere Probefahrt bleibt nicht, wir müssen zurück zur Startaufstellung. Um Punkt elf Uhr soll das erste Auto über die Rampe fahren, wir sind um 11.08 Uhr dran. Es ist eng im Auto. Platz für eine Tasche ist keine. Dafür lässt sich kleine Zweisitzer erstaunlich leicht rangieren - kein Wunder eigentlich, denn der himmelblaue Rennwagen bringt mit seiner Alu-Karosserie  nur 750 Kilogramm auf die Waage. Das tröstet mich, denn auch der Gedanke, ein schweres Auto ohne Servolenkung durch die vielen Kehren des Bergischen Landes zu wuchten, hat mich schlecht schlafen lassen.
 
Beifahrer George Keller macht es sich neben mir bequem. Wir haben Glück - wir sind beide relativ schlank. Im Gegensatz zu vielen anderen Bugatti-Teams brauchen wir während der Fahrt die Arme nicht hintereinander zu verschränken, weil sonst einfach kein Platz mehr wäre. Die erste Hürde bei der Schloss Bensberg Classics, die Startrampe, nehmen wir auch ohne Probleme. Motor nicht abgewürgt, Gott sei Dank! Nichts wäre bei einer so hochkarätigen Veranstaltung peinlicher. Wobei: Malcom wartet sicherheitshalber in der Nähe. Falls er doch noch einmal kurbeln müsste.

Geblinkt wird mit den Armen

Die erste Wertungsprüfung liegt direkt vor Schloss Bensberg: 80 Meter in 15 Sekunden, das sollte machbar sein, auch wenn das Ziel versteckt in einer Kurve liegt. George zählt sauber runter, alles bestens. Ich fange an, mich in meiner ungewohnten Rolle langsam wohl zu fühlen. Rechts, links, jedes Mal, wenn wir abbiegen, halten wir wie Fahrradfahrer die Arme heraus. Blinker gibt es nicht. "Denkt dran, alle drei bis fünf Minuten nach dem Öl zu schauen", hatte Malcolm uns vor dem Start eingeschärft. Machen wir - alles bestens. Das Team Priemer/Keller kurvt nun gut gelaunt durch das Bergische Richtung Hückeswagen bis zur Wertungsprüfung Jörgensmühle. Die verschachtelte Prüfung beginnt auf einem Parkplatz und endet für das Team im Nichts. Rote Zielfahne? Fehlanzeige. "Das gibt es doch nicht", ruft Keller mit seinem charmanten Schweizer Akzent. "Die muss doch irgendwo sein". Ist sie aber nicht. Wir wenden den Bugatti hin und her und geben diese Prüfung bei der Schloss Bensberg Classics-Rallye irgendwann auf. Es ist, als ob sich ein wenig Sand ins Getriebe eingeschlichen hätte, denn der Bugatti quittiert Schaltwechsel zwischenzeitlich immer vernehmlicher. Mist, Malcolm ist nicht weit entfernt und hört den kleinsten Fehler. Wer sich aber auf Roadbock, Stoppuhr und Strecke konzentrieren muss, bringt den dritten und vierten Gang schon einmal durcheinander. "Reiß Dich zusammen", sage ich mir selbst und schaffe es zur nächsten Zeitkontrolle auf die laufende Minute.

Jacky Ickx aus dem Schlaf gerissen

Vor mir wartet bereits Rennfahrerlegende Jacky Ickx in einem Porsche 550 A Spyder von 1956, den ich aus seinem Sekundenschlaf reiße, indem ich im Bugatti kurz Gas gebe. Ein infernalischer Lärm, wobei das Geräusch eher wie Musik in den Ohren klingt. Schwer vorstellbar, dass mit dem Bugatti vor dem Krieg Rennen gefahren wurden, und das sie auf der Geraden mit dem 2,3-Liter-Achtzylinder fast 200 km/h erreichen können. Das schaffen wir bei der Schloss Bensberg Classics nicht. Doch die Kollegen von sport auto sind mit dem Bugatti 35T über die Nordschleife gefahren.

Bei der Schloss Bensberg Classics-Rallye geht es vorbei an Orten wie Lindlar, Wermelskirchen, Wipperfürth und Kürten, die vor allem vielen ausländischen Teilnehmern vor Augen führte, wie stark das Bergische Land in seiner Schönheit unterschätzt wird. Der Bugatti wächst mir besonders in den engen Kehren ans Herz. Er zerrt zwar etwas in der Lenkung und drängt mit den Vorderrädern zum Kurvenaußenrand. aber er ist trotzdem gut zu beherrschen. Die Lenkung ist extrem direkt und präzise.
Nach sechs Stunden Fahrt rollen wir zurück nach Schloss Bensberg. Die Rallye ist zu Ende - und mir tut das rechte Bein höllisch weh. Bremsen ist in diesem Auto Schwerstarbeit. Malcolm wartet schon auf dem Hof. "Well done", grinst er. "Ich sag ja, Frauen können so etwas einfach besser." Nur gut allerdings, dass er nicht nach dem Gesamtergebnis gefragt hat.