Garagen-Porträt Ralf Martin

Royal Flush

Ralf Martin lebt das Oldtimer-Glück des Tüchtigen. Was 1992 mit einem mäßigen Triumph TR 6 begann, hat sich zu einer stolzen Briten-Kollektion entwickelt. Zur Freude am fahren kam der Spass am schrauben. Auch Sohn Alexander liebt die Autos von der Insel.

Garagen-Porträt, Ralf Martin Foto: Frank Herzog, Ingolf Pompe 10 Bilder

Inzwischen sind es fünf, der Royal Flush ist komplett. Ralf Martin beweist mit seiner britischen Klassiker-Partie ein gutes Händchen. Alle Spielarten sind vertreten - vier, sechs, acht und jetzt auch zwölf Zylinder und fast alle Symbole: Triumph, Jaguar, ein MG mit Rover-Motor und ein Daimler. Der Double Six kam kürzlich dazu und krönt die Passion.

Zur Belohnung ein Glas Guinness

British Corner nennen die Martins ihr geräumiges Schrauber-Domizil. Das klingt beinahe wie ein Pub, und als Belohnung gibt es nach dem Kupplungstausch auch mal ein Glas Guinness in der Garage.

Der Mann hat ein klares Konzept, das kann auch bei einem so leidenschaftlichen Thema wie der Liebe zur Oldtimerei nicht schaden. Ralf Martin, 49 Jahre, Projekt-Manager bei einer großen Versicherungsgesellschaft, gibt sich in seiner Klassiker-Wahl betont anglophil. Kein Alfa Bertone, keine Mercedes Pagode und keine Renault Alpine stören die Union-Jack-Parade seiner kleiner britischen Klassikerflotte. In der gulf-gestrichenen Großraum-Garage, einst Domizil für die Mercedes-Kurzhauber eines Stuttgarter Bauunternehmers, wird englisch gesprochen.

Verzetteln ist Martins Sache nicht. Nur zwei Mal hat er ein Liebhaberauto wieder verkauft, seinen ersten TR 6, weil es einen besseren gab und viel später einen MG B Vierzylinder, mit dem er den Autokauf in England übte - das Experiment gelang.

Der reisefreudige Oldtimer-Enthuasist, "ich nehme gern an Oldtimer-Rallyes in ganz Deutschland teil, fahre auch jedes Jahr mit Gleichgesinnten zur Mille Miglia nach Italien", hat einmal mehr das Glück des Tüchtigen, Sohn Alexander - gar nicht selbstverständlich -, findet Vaters Hobby großartig. Der 18-jährige Führerschein-Neuling fährt den Faltdach MG B GT V8 bereits mit souveräner Routine, obwohl er das Lenkrad auf der falschen Seite hat.

Auch Sohn Martin fährt britisch

Trotz seines Faibles für Rechtslenker und Linksverkehr gelingt es Martin - ein angenehmer Mann mit sanfter, überzeugender Stimme -, dennoch, einer gewissen Monotonie vorzubeugen. Es gibt nämlich gleich mehrere Handlungsstränge in seinem durchdachten automobilen Lebensentwurf. Erstens: Die elementaren Karosserie-Spielarten Roadster, Coupé und Limousine finden leibhaftig statt. Der MG B GT V8 könnte mit seinem Hatchback notfalls sogar als Shooting Brake gelten. Fehlt eigentlich nur noch ein Morris Minor Woodie.

Zweitens gelingt Martins-Sammlung auch noch ein didaktisch wertvoller Querschnitt durch die angloamerikanische Motorentechnik: Ein OHV-Reihenvierzylinder, die Ferguson-Maschine, im bärbeißigen TR 2. Ein OHV-Reihensechszylinder im technisch aufwendig optimierten TR 6 PI, vierfach gelagert mit Lucas-Einspritzung. Ein wie nach Lehrbuch konstruierter DOHC-Reihensechszylinder im unrestaurierten Jaguar Mark II 2,4-Litre, Walter Hassan lässt grüssen. Schließlich ein von Buick geschaffener und im britischen Rover-Internat erzogener Leichtmetall-V8 im dynamischen MG. Oben thront der Jaguar V12 im feudalen Daimler Double Six.

Perfektionismus ja, Originalitäts-Fetischismus nein

"Den hat ein Freund günstig verkauft, den konnte ich nicht stehenlassen, Westminsterblue, Leder Magnolia, unter Hunderttausend, nur vereinzelt etwas Rost. Alexander und ich kümmern uns gerade drum, die Stellen zu sanieren." Trotz seiner populären Sammlung erfüllt Ralf Martin nicht das Klischee der üblichen Oldtimer-Verdächtigen. Er ist keineswegs einseitig, sondern differenziert in seiner Hobby-Philosophie. Seine Autos verkörpern viele Neigungen. Auch die, Technik zu begreifen und selbst zu schrauben. Nach dem Abschied vom Motorrad kam der emotionale Wunsch auf, "einen knorrigen Klassiker" zu besitzen, die Antithese zu modernen Leichtlaufautos.

In Martins Nähe trennte sich jemand von einem TR 6. Er übernahm das Auto, war ein paar Jahre glücklich damit, sehnte sich aber nach einem besseren Exemplar, einem nahezu perfekten frühen Einspritz-TR 6 mit 143 PS. Den optimierte er zum substanziell einwandfreien Auto mit behutsamem Motor-Tuning, verbessertem Spax-Fahrwerk und feiner Veredelung von Karosserie und Interieur. Perfektionismus ja, Originalitäts-Fetischismus in diesem Fall nein.

Mainstream-Verdacht unbegründet

Der rustikale TR 2 mit Zelt-Verdeck, Steckscheiben und hammerharter Landmaschinentechnik entspricht Martins Neigung zum Purismus, der auch Patina verträgt. Der MG B V8 in Damask-Red war sein erster Eigenimport von der Insel, alles schön auf Achse, alles lief nach Plan. Martin ist kein Typ, bei dem der Zufall eine Chance hat. "Der MG birgt für mich den Schlüsselreiz eines souveränen Motors in einem kleinen, leichten Auto. Eine spannende Mischung, die auch Alexander gut gefällt, vom böse brabbelnden Sound ganz zu schweigen."

Und der Mark II? Auch er gewiss kein Mainstreamer, schon wegen der kleinen Maschine mit nur 120 PS. "Ein rührendes, ja auch ein nahezu unberührtes Auto aus Familienbesitz, Carnish-Grey mit rotem Leder, nur 45.000 Miles." Martin gerät ins Schwärmen, seine Hände folgen den Rundungen des aristokratischen Wagens. Wenn er ihn bewegt, denkt er an Cornwall, an Häuser mit großen Schornsteinen und Rosenspaliere.