Mit dem Opel Kadett B Coupé Rallye durch den Schnee

50 Jahre Sondermodell Rallye Kadett

Was für ein Jubiläum: Vor 50 Jahren ist der Kadett B Rallye so was wie der erste GTI. Es gibt eigentlich keinen Anlass, mit dem Opel durch den Schnee zu toben. Aber hat uns das je gestört?

Opel Kadett B Coupé Rallye, Frontansicht Foto: Gudrun Muschalla 16 Bilder

Harsch, der; -[e]s„ ist das Wort, das wir hier gleich brauchen werden. Doch zuerst ein herzliches “Willkommen„, “Grias eich„ und “Holleri du dödel di„ aus Saalfelden im Salzburger Land. Vom Eise befreit plätschert neben uns die Saalach als Bächlein, ist erst ein kurzes Stück auf ihren 103 km bis Salzburg vorangekommen, wo die Salzach sie verschluckt. Wir sind hier, weil es zuvor keinen Schnee gab. Jetzt liegt welcher. Wenn tagsüber die Sonne mal durch die Wolken lugt, schmilzt er an, um dann nachts zu vereisen. Vereister Schnee mit sechs Buchstaben. Da ist er: Harsch.

Opel Kadett B Coupé Rallye, Frontansicht Foto: Gudrun Muschalla
Von 1965 bis 1973 wurde die zweite Generation des Opel Kadett produziert.

Heda, was tun Sie denn da?

Wir haben aber noch immer nicht geklärt, was wir hier treiben: Die Opels hatten vor kurzen angemerkt, es sei mal wieder Zeit, ein wenig Unfug mit heroischen Exponaten der Classic-Abteilung zu veranstalten. Unfug, fragten wir, mit uns? Und betonten, dass wir schließlich seit 71 Jahren ein seriöses deutsches Automobilmagazin seien. Dann rannten wir los, warfen uns auf den Kadett B Coupé Rallye und brüllten „unsrer!“.

Zur IAA 1965 startet die Produktion des Kadett B, der zehn Zentimeter breiter und 18 länger ist als sein Vorgänger. Innerhalb kurzer Zeit gelingt es Opel, eine erstaunlich unübersichtliche Modellpalette des Kadett hervorzubringen, bei der es zwischen acht Karosserieversionen, vielerlei Ausstattungen und Motoren den Überblick zu behalten gilt. Das Rallye Coupé erscheint 1967 nach der Modellpflege, die den Kadett von den Blattfedern an der Hinterachse befreit, ihm Schraubenfedern, dazu eine Sicherheitslenksäule und eine Prallplatte im Lenkrad einbringt. Wobei wir trotz dieser Errungenschaften im Bereich der Sicherheit so dringend nicht verunfallen mögen in dem Coupé, das sich gerade mit einem Fingerbreit Choke gemütlich warmqualmt.

Opel Kadett B Coupé Rallye, Frontscheinwerfer Foto: Gudrun Muschalla
Zusatzscheinwerfer dürfen bei einer Rallye-Version natürlich nicht fehlen.

Gelb, mattschwarze Haube, Rallye-Streifen und Scheinwerferbatterie vorn gehören zum Rallye Coupé, das so was wie der erste GTI ist. Denn als Erste kommen sie bei Opel auf die Idee, mal einen dicken Motor in ein kleines Auto einzubauen. So bekommt das Kadett Coupé – sowohl die Version mit Kiemen an der C-Säule wie das ab 1967 gebaute LS Coupé hier – den 90 PS starken Motor aus dem Rekord. Was dann gleich zu Irritationen führt. Denn, so der geschätzte Kollege Manfred Jantke in Heft 3/1968, man hatte sich „unter einem Zweiliter-Auto in Deutschland bisher einen BMW 2000, Ford 20M oder Mercedes 200 vorzustellen“. Man finde „die Kombination Kadett und 1,9- Liter-Motor verwegen ... viele denken sicherlich an einen verrückten ‚Frisierten‘“. Ach, denken wir da, das müssen nette Zeiten gewesen sein, in denen ein 90 PS starker Kompaktwagen genügte, um verwegen oder verrückt frisiert zu wirken, und stapfen derweil durch den Schnee zu einem, der da vielleicht mehr weiß.

Joachim Winkelhock fährt den Opel quer

Genau, der Joachim Winkelhock, Le-Mans-Sieger und Held der besten DTM-Zeiten. Seine Tätigkeit würden andere Firmen mit Senior Executive Testimonial oder Premium-Markenbotschafter beschreiben. Bei Opel ist er „der Jockel“. Statt Marketinggeschwurbel aufzusagen, schlägt er vor, mir zu zeigen, wie man mit dem Coupé über den Eisparcours drifte. Aber er sei mit dem B nie Rallyes gefahren, es „ist dem Kulläng sein Auto“. Und der, nun ja. Der ist tot.

Womöglich spürt der Schwede als solcher in einer tiefen Winternacht, welches Talent in ihm wohnt – ob er Regale zusammenbauen, Fleischklöpschen braten, mit drei anderen Schweden singen, über trunksüchtige Kommissare schreiben oder mit wilden Autos durch dunkle Forste fräsen soll. Der freundliche Pfarrerssohn Anders Göran Kulläng startete mit 19 auf einem Volvo zum ersten Mal bei einer Rallye. Er fuhr nationale, Europa- und Weltmeisterschaften. 13 Jahre war er bei Opel, fuhr vier mit dem B Rallye, gewann schließlich 1980 die Schwedenrallye und bei seinen 44 anderen WM-Starts mehr so die Herzen. Der Kulläng, sagen die, die ihn kannten, war ein Guter.

Opel Kadett B Coupé Rallye, Joachim Winkelhock Foto: Gudrun Muschalla
In 13 Sekunden beschleunigt der 90 PS starke Vierzylinder den Kadett auf Landstraßentempo.

Kein Abzug in der B-Note

Jetzt aber: Winkelhock links, ich rechts. Es geht los, und auf dem kleinen Kurs zeigt die Haube des Kadett nie in Fahrtrichtung. Wie Rennfahrer das immer machen, erzählt er, wie leicht das alles geht und wie einfach sich der Kadett im Drift beherrschen lässt. Das hat mir zuletzt der, na, der Dings gesagt und dann sehr herzhaft gelacht, als ich mich drehte.

Ich versinke im knautschigen Fahrersitz. Schlüsseldreh, und der eintoupierte Doppelvergaser schlürft los, auf dass es ein paar mehr als 90 PS werden. Der erste Gang klonkt ein, der Motor nuschelt los, und mit dem dürren Spickkranz an den 155er-Reifen scharrt der Kadett los. Mechanisch-präzise rastet der zweite Gang. Gas, 2.500/min, und ganz langsam beginnt die Erde, sich um den Kadett zu drehen. Schnell gegenlenken, na, eher gegenkurbeln bei drei Lenkradumdrehungen von Anschlag zu Anschlag, und das Heck mit sachten Gasstößen über Eis schliddern lassen.

Den ersten Konter fange ich ein, den zweiten zu meiner Überraschung auch. Dritter Gang, der Motor zieht wuchtig von unten heraus, die Tachonadel streift gemächlich Richtung 40, und wieder bis zum Anschlag quer. Einfangen, vor der Haarnadel anpedeln, mit Gas quer aus der Kurve.

Das geht alles so leicht. Ich fahre, bis die Nacht vom Himmel fällt und der Frost über den Schnee kriecht. Sie wissen, was jetzt kommt: Harsch. Das war’s. In diesem Sinne ein herzliches „Pfiad eich“ und „Diri diri dudl dö“.