Jaguar E-Type und F-Type im Vergleich

Neuer Roadster trifft Urahn

Legenden dauern etwas länger, fast 40 Jahre nämlich. Aber in diesem Sommer bekommt der Jaguar E-Type einen Nachfolger, den F-Type. Hier sind beide.

Jaguar E-Type, Jaguar F-Type, Frontansicht Foto: Achim Hartmann 36 Bilder

Der Teppich des Jaguar F-Type kann mit Bürsten, aber auch mit dem Staubsauger gereinigt werden, und für Fahrten mit normalen Geschwindigkeiten bis 250 km/h beträgt der Reifendruck 2,5 bar. Wenn Sie diesen Texteinstieg sofort verstehen, dann haben Sie so lange auf einen Nachfolger für den E-Type gewartet wie wir. Und sich die Jahre, ja fast Jahrzehnte, die es dauerte, bis er von einem Gerücht über eine Absichtserklärung zu einem Konzept und schließlich zu einem Serienauto reifte, auch mit der „Geschrubbten Flunder“ vertrieben. Das ist die vielleicht größte Autogeschichte aller Zeiten, geschrieben über den E-Type vor gut 51 Jahren von Fritz B. Busch, hier bei uns, in auto motor und sport 24/1961.

Jaguar hat lange auf den F-Type warten müssen

Es hat so lange gedauert mit dem Jaguar F-Type, weil noch das eine oder andere kleine Problem bei Jaguar zu lösen war. Und danach das andere oder eine große. Dabei zählten die Jahre unter Ford-Herrschaft, hm, sagen wir mal: nicht zu den ausgelassensten. Doch seit der Laden Tata gehört, können die Jungs Autos so entwickeln, wie sie sich moderne Jaguar vorstellen. Wobei ein offener Zweisitzer zwar keine revolutionäre Idee ist, dafür aber die Essenz dessen, wofür die Marke steht. Und Designchef Ian Callum findet es ganz in Ordnung, die Sache mit Form und Funktion mal zu überdenken, „denn die Funktion eines Jaguar ist doch, fantastisch auszusehen“.

Das konnte auch der E-Type immer am besten. Allerdings rücken nicht wir uns die Ahnenreihe für diese Geschichte zurecht, Jaguar erledigt es selbst, versteht den F als Thronfolger in der Dynastie von C-, D- und E-Type. Wobei die von Flugzeug-Aerodynamiker Malcom Sayer entwickelten C- und D-Modelle, die in den Jahren 1953, 55, 56 und 57 die Konkurrenz in Le Mans durch Siege demoralisieren, nur Vorgeplänkel für den E-Type sind. Der kommt 1961, wirkt in den prüden Sechzigern nicht nur wegen seiner langen Haube fast obszön. Er rennt 240 km/h, zu einer Zeit, in der ein Käfer mit 115 km/h über die Autobahn keucht, ein Mercedes 180 D nur 112 schafft, der BMW 2600 V8 162 läuft und ein Porsche 356 Carrera 2 mit 200 Spitze als Rennwagen gilt. Über drei Serien und 13 Jahre, von den Swinging Sixties bis zur Ölkrise, ist der Jag der begehrenswerteste Sportwagen der Welt.

Jaguar F-Type ist steif, aber komfortabel ausgelegt

Projekt X152 sollte nicht weniger werden, nicht nur wegen seiner Form, auch wegen der Leistungsfähigk..., sorry, doofes Wort, wegen seiner Performance. Dabei geht es um weit mehr als die drei mit Roots-Kompressor aufgeladenen Motoren – zwei Versionen des Dreiliter-V6 mit 340 und 380 PS sowie ein Fünfliter-V8 mit 495 PS. Sondern vor allem um Fahrdynamik. Dafür hat Fahrwerks-Chefingenieur Mike Cross den Jaguar F-Type auf der Nordschleife abgestimmt. Und auf noch anspruchsvolleren Strecken in Wales.

Sie bestehen aus welligen, schmalen Landstraßen, die sich zwischen Hecken durch Hügel und über Kuppen fädeln. „Für solche echte Straßen darf das Auto nicht zu straff abgestimmt sein, es muss in der Lage sein, Komfort zu bieten und schlechte Straßen zu kompensieren“, erklärt Cross, der nach 28 Jahren bei Jaguar endlich den Sportwagen konstruieren konnte, den er sich selbst immer wünschte. Ein Auto für alle, die Autos lieben: „Es muss sich sofort agil anfühlen, dem erfahrenen Piloten Möglichkeiten und Freiheiten bieten, dabei aber sicher sein. Das wichtigste: Präzision.“ Die kommt von der Lenkung.

„Auf die sind wir wirklich stolz“, wechselt Cross Kollege Erol Mustafa mal vom britischen Under- ins leichte Overstatement. „Denn es ist ein weiter Weg von der Straße bis zu den Fingerspitzen des Fahrers: Reifen, Räder, Aufhängung, Aufnahmepunkte an der Karosserie, Lenkgetriebe, Lenkstange, schließlich das Lenkrad selbst – alles muss steif sein, um die Präzision zu erreichen.“

Um die kümmert sich im Jaguar F-Type natürlich auch das Setup des Fahrwerks, mit Einzelradaufhängung rundum und adaptiven Dämpfern (Serie beim V8 S) sowie speziellen Fahrprogrammen. So reduziert der Dynamic-Mode die Servounterstüzung der Lenkung, hebt die Toleranzschwelle des ESP, mindert die Servounterstützung der Lenkung und weist die Automatik an, den Motor in den Begrenzer rattern zu lassen, wenn es dem Fahrer nicht beliebt, rechtzeitig an den Schaltpaddeln hinter dem Lenkrad zu zupfen.

Auch den Antriebsstrang haben sie sehr steif ausgelegt, damit die Automatik ihre acht Stufen schnell nachlegen kann – dazu umgeht eine Überbrückungskupplung den Drehmomentwandler nach dem Wechsel in den zweiten Gang. So soll der Automat effizient und sportlich wie ein Doppelkuppler sein – auch dank 25 Kennlinien für eine optimale Schaltstrategie und einer Salve Zwischengas beim Herunterschalten.

E-Type beeindruckt noch heute

Die Schaltstrategie für das manuelle Vierganggetriebe des E-Type dagegen entsteht zwischen den Koteletten des Fahrers, dessen Fußspitzengefühl sorgt für den nötigen Tapser Zwischengas vom 4,2-Liter-Reihensechszylinder. Auch unseren Serie II-Foto-Roadster zerrt der Doppelnocker, dessen Grundkonstruktion von 1948 stammt, vehement voran, weniger durch Leistung als Kraft des Drehmoments: original 36 Meterkilogramm.

Bis heute beeindruckt die Geschmeidigkeit, mit welcher der Roadster voranstürmt. Unter seinem hübschen Nichts an Karosserie trägt er im Bug ein Gitterrohr-Negligé, mehr als 1.265 Kilo Gesamtgewicht kommen so nicht zusammen. Der E ist ein Auto aus einer anderen Zeit, als Männer nicht nur Pfeife rauchten, sondern auch Zigarren – so erwartet es zumindest der Aschenbecher, der mit „Cigar“ gekennzeichnet ist -, und sich trauten, den Wagen zu bändigen. Bis 200 km/h genügt dazu womöglich Mut, darüber hinaus braucht es wahren Leichtsinn.

Der Jaguar F-Type macht es seinem Fahrer heute ungleich leichter, im V8 S regelt neben ESP auch ein proaktiv eingreifendes, elektronisches Sperrdifferenzial das Fahrverhalten, zudem erhebt sich zur Richtungsstabilisierung ab Tempo 120 ein Flügel aus der Kofferraumklappe. Doch folgt der F dem E zu Recht, mit ihm schließt sich ein Kreis: Schon die dritte, ab März 1971 gebaute Serie des E-Type, zwölfzylindrig und mit Gumminippeln auf den Chromstoßstangen der US-Modelle, bewarb Jaguar wegen der vielen Änderungen mit dem Slogan „Vielleicht hätten wir ihn Jaguar F-Type nennen sollen“.

Zum Schluss noch eine kleine Enttäuschung für unsere langjährigen Leser: Gina Lollobrigida ist inzwischen 85, da wird sie sich nicht mehr neben dem F-Type räkeln.

V6 für die Rennstrecke, V8 für die Show

Es gibt ungemütlichere Orte als Snetterton im frostnassen Südosten Englands – aber die Liste ist kurz. Jedenfalls dreht Jaguar dort auf der Rennstrecke einen Film mit dem F-Type, präsentiert von Ex-Formel 1-Fahrer, Kommentator und Jaguar-Markenbotschafter Christian Danner, der den Roadster als einer der ersten außerhalb des Werks fahren darf. Und, wie ist er? „Es gibt wirklich einen spürbaren Unterschied im Fahrverhalten zwischen V6 und V8. Der V6 ist leichter, hervorragend ausbalanciert, lenkt super ein und kommt unglaublich gut aus der Kurve raus. Der V8 hat dagegen enorm Rauch an der Kette, tendiert zum Übersteuern. Aber du kannst das Auto im Grenzbereich super mit Gas und Lenkung trimmen. Der V6 ist für die Rennstrecke, aber es kauft ja keiner einen Jaguar, um in Snetterton in der Kurve namens Brundle schnell zu sein. Der V8 ist für die große Show.“