VW Golf GTI Clubsport im Alpenpass-Test

Wieviel Mehrwert steckt im Über-GTI?

Blühende Landschaften? Gibt es oben in den Dolomiten nicht immer – was ein Glück, denn sonst schlichen wohl zu viele Touristen über die Passstraßen rund um das Sella-Massiv. So aber kann sie allein der 265 PS starke Golf GTI Clubsport unter seine schütter profilierten Cupreifen nehmen.

VW Golf GTI Clubsport, AMS1316 Foto: Hans-Dieter Seufert 20 Bilder

Gäbe es Schulsport für Jahreszeiten, wäre es vermutlich der Winter, der bei der Wahl der Mannschaftsaufstellung am längsten auf der Bank säße. So richtig haben mag ihn niemand; wenn er herbeigesehnt wird, dann bestenfalls in Form weißer Weihnachten – und wenn die dann wieder nur dunkelgrün-matschbraun ausfallen, soll er sich möglichst schnell trollen. Dann muss das Frühjahr her, blühen und sprießen, alle wollen raus. Schnee? Bitte nicht. Bitte gerne! Ein paar wenige Zentimeter kamen sogar noch in der vergangenen Nacht dazu, schmelzen gerade in der schon recht kräftigen Sonne wieder dahin.

VW Golf GTI Clubsport optional mit Semislicks

Die Straßen rauf von der A 22 über St. Ulrich, St. Christina und Wolkenstein sind trocken, immerhin, die Temperatur liegt mit fünf Grad allerdings noch in einem Bereich, in dem ein straßenzugelassener Semi-Slick-Reifen noch mal laut gähnt und sich wieder umdreht. VW bietet den Michelin Cup Sport 2 als Option für die neueste Eskalationsstufe des Golf GTI an. Clubsport heißt sie, will dementsprechend auf der Rennstrecke brillieren, bleibt aber selbst dann ein Golf. Einer mit Schalensitzen (serienmäßig, man mag es kaum glauben), doch die bieten einen hervorragenden Langstreckenkomfort. Einer mit zehn Prozent härteren Federraten und neuer Dämpferhydraulik, doch der Federungskomfort klopft niemanden mürbe. Die geänderte Aerodynamik wandelt den Auftrieb an Vorder- und Hinterachse in leichten Abtrieb um, sagt VW, daher könne nun das Set-up von leichtem Untersteuern in Richtung Neutralität verschoben werden.

VW Golf GTI Clubsport, AMS1316 Foto: Hans-Dieter Seufert
Für alle, die mehr Handarbeit wünschen: Ein manuelles Getriebe ist Standard.

Gut angewärmt schwingt sich der GTI die ersten Spitzkehren hinter Wolkenstein hinauf, beschleunigt weiter im langen Linksknick, kurz bevor sich die SS 243 von der 242 am inzwischen arg patinierten Straßenwärterhaus trennt und zum Grödnerjoch hinaufwindet.Tja. In welcher Richtung frühstücken wir heute die vier Pässe der Sellaronda ab? Auf Skiern gilt eigentlich immer gegen den Uhrzeigersinn, einfach um die Abfahrt vom Ciampinoi zu genießen, der meist ein Schlenker über die Weltcuppiste Saslong vorausging (inklusive Espresso im Vorbeigehen zur Seilbahn in St. Christina). Eine vergleichbare Tradition existiert fürs Autofahren noch nicht, doch der Hinweis, dass das Grödnerjoch heute von 13 bis 21 Uhr gesperrt würde, hilft bei der Entscheidung. Also Blinker links, ein forscher Impuls am kleinen Dreispeichenlenkrad mit strubbeligem Alcantara-Bezug samt roter Mittenmarkierung, zum zweiten der sechs Gänge des Doppelkupplungsgetriebes herunterflippern, früh ans Gas, denn der Zweiliter-TSI-Motor muss hier auf einer Höhe von etwa 1.600 Metern schon etwas intensiver Luft holen.

Overboost – für noch mehr Spaß

Das Vierzylinder-Triebwerk leistet 265 PS, außerdem hält VW eine Overboost-Spielerei für nötig, dabei liefert der Direkteinspritzer kurzzeitig 290 PS, das maximale Drehmoment steigt von 350 auf 380 Nm. Wie es die Kraft zelebriert? Nun, zunächst überraschend zurückhaltend, dafür ab 2.500/min umso jubelnder. Dann wirft sich das vom Golf R übernommene Aggregat den 1,4 Tonnen schweren GTI lässig über die Schulter, rennt mit ihm den ersten Pass hinauf. Die beiden Endrohre blaffen bei jedem Gangwechsel den unter ihnen ausfransenden Asphalt triumphierend an, der umliegende Schnee scheint jetzt noch etwas schneller schmelzen zu wollen. Ambitioniertes Anbremsen der Kurven bringt etwas Wärme in die Reifen, der VW parshipt liebestoll mit jeder Kehre, detektiert beinahe schon Lenkbefehle im Voraus, wandelt das hohe Haftungsniveau in ein neutrales Fahrverhalten um.

Um jetzt die elektronisch geregelte Differenzialsperre optimal zu nutzen, darf ihr der Fahrer nicht blind vertrauen und im Scheitelpunkt voll auf dem rechten Pedal stehen. Was dann passiert? Dann untersteuert der GTI eben doch, unter Last, überfährt die Vorderräder mit seiner irrsinnigen Kraft, und der Fahrbahnrand nähert sich mit verblüffendem Tempo, vor allem in den gleichmäßigen Kehren des Campolongo, hinauf nach Arraba. Colfosco und Corvara liegen bereits hinter dem wuchtigen Heckflügel, ein Espresso in der „Bar Sadla“ hinter dem Fahrer – wenigstens die hat jetzt noch geöffnet.

GTI Clubsport 6 Zehntel schneller auf 100 als die Werksangabe

Das Saisonende kam diesmal früh und mit hohen Plusgraden, danach fällt die Region kurzzeitig in Schockstarre, die plötzliche Ruhe überfordert die Einheimischen, reist sie aus der Routine des fünfmonatigen Wintersporttrubels. Sie verharren nur kurz. Hotels, eben noch bis unter den Giebel ausgebucht, stehen nun als entkernte Gerippe, werden renoviert. Der Turbomotor dreht derweil kurz über die 6.000/min, jetzt passiert nicht mehr viel, Gangwechsel, räuspern, schnauben, anbremsen, einlenken in eine enge Rechts, der Belag ist ausnahmsweise faltenfrei. Wieder ans Gas, progressiv, die Sperre zieht den Golf schön auf die kurze Gerade hinaus, fordert wackere Haltekräfte am Lenkrad.

VW Golf GTI Clubsport, AMS1316 Foto: Hans-Dieter Seufert
Optional kommt der GTI Clubsport mit Michelin Cup Sport 2-Reifen. Bei unseren Bedingungen kommen die nur schwer auf Temperatur.

Seine Akustik lässt den massigen Piz Boé wohl kaum bröckeln, basslastig, dumpf grantelt der Vierzylinder ein wenig gekünstelt. Ja, die Leistung des Triebwerks packt einen, der Vorteil lässt sich messen: Mit einer Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in 5,7 Sekunden sortiert sich der Clubsport brav zwischen GTI Performance (6,6 s) und R (5,0 s) ein, unterbietet die Werksangabe um sechs Zehntel. Auf 200 km/h tobt der Fronttriebler in 20,1 Sekunden, aber sicher nicht hier, denn hier wichtelt der heiße Kompaktwagen zwischen den riesigen und bedrohlich schroffen Sedimentgesteinsformationen die Pässe auf und ab. Der Rhythmus? Passt längst, der Golf lässt sich prima auf einer Fahrbahnbreite entlangscheuchen, wo exaltierte Supersportler mindestens anderthalb bräuchten.

Das Destillat der GTI-Idee

Er fühlt sich wie ein Destillat der GTI-Idee an, gedopt mit dem Motor des R, erleichtert um dessen Allradballast (macht 84 kg weniger), verdichtet mit entschlossener Agilität, die bewusst Kompromisse bei der Alltagstauglichkeit fordert – ohne sie völlig auszusperren. Den Campolongo ringt der VW locker nieder, er endet bei 1.875 Metern, doch es geht noch höher: Das Pordoijoch liegt auf 2.239 Metern. Die Straße hangelt sich dagegen wieder auf der Belagsgüteskala nach unten. Die adaptiven Dämpfer dürften selbst im Komfort-Modus nicht mehr härter sein, es fehlt nicht viel, und der GTI würde bocken. So allerdings findet er sich nach jeder spitzen Welle schnell wieder, bleibt stabil, spurtreu, kommuniziert über die präzise Lenkung klar mit dem Fahrer.

VW Golf GTI Clubsport, AMS1316 Foto: Hans-Dieter Seufert
Herrliche Bergstraßen gehören nicht zum Clubsport-Paket. Der kräftige Motor, eine Sportabgasanlage das verbesserte Fahrwerk schon.

Die letzte Kuppe, die Sonne strahlt auf die Haube des GTI, das Hotel und die Seilbahnstation faulenzen in der Restwärme. Stille. Kein Verkehr, kein Skigeklapper, kein Touristengegröle, kein Frühling. Noch Winter, zumindest, was die Vegetation betrifft. Ein Pass fehlt noch, die grell hinterleuchtete Langkofelscharte deutet die Richtung an. Unten, an der Kreuzung von SS w48 und 242, weist ein Schild sicherheitshalber den Weg nach Mailand. Hier ist Italien, Trentino, um genau zu sein. Südtirol endete bereits kurz vor Arraba. Das Finale wartet eigentlich erst oben auf 2.244 Metern Höhe, doch nach den ersten zwei Kehren im Wald öffnet sich das Panorama. Hier kommst du dir am zwergigsten vor, das Sella-Massiv wächst direkt vor deinen Füßen senkrecht in den Himmel.

Der Straßenbelag faltet sich kaum noch, die Kehren schwingen in weiteren Radien, großzügig in der Fahrbahnbreite, hängen leicht. Gut, dass die Schalensitze kräftig zupacken, dich konzentriert am Lenkrad hantieren lassen. Noch einmal kochen sich Kraft, Agilität und Masse auf ein maximal anregendes Konzentrat ein, der Clubsport putscht auf, höchst legal, du brauchst weder Rennstrecke noch Renntempo, um seine Wirkung auszukosten. Und eigentlich auch keine Cupreifen. Egal. Auf den letzten Metern zur Passhöhe bringen ihn mächtige Verwerfungen doch kurz aus dem Tritt. Pause. Die Sonne verkrümelt sich hinter der Langkofelscharte, die Steinerne Stadt liegt im Schatten, auf dem Ziehweg durch sie hindurch schaben längst keine Carver und Snowboards mehr. Es war ein guter Winter, der einen würdevollen Abschied verdient. Schön, dass der Golf GTI Clubsport diese Würde mit einbringt.