Austin Mini 850 HL & Citroen 2 CV 6 Club

Reine Wenigkeit mit Mini und Ente

Austin Mini und Citroën 2 CV galten nie als Konkurrenten. Dazu hatten sie viel zu unterschiedliche Charaktere. Dabei lag ihnen dieselbe Idee zugrunde – ein Auto, auf das Wesentlichste reduziert.

Austin Mini und Citroën 2 CV 6 Club Foto: Uli Jooß 28 Bilder

Vielleicht kann man sie beide mögen. Auch wenn das ähnlich schwierig sein dürfte, wie sich für Britpop und französische Chansons gleichermaßen zu begeistern. Beide, Austin Mini wie Citroën 2 CV, sollten kleine und einfache Massenautos werden. Doch unterschiedlicher hätten Mini und Ente dieses Ziel kaum erreichen können.

    Die Ente ist die Unschuld vom Lande
    Die Ente ist die Unschuld vom Lande. Ihr schüchternes, schlichtes Wesen zeugt von der entbehrungsreichen Nachkriegszeit, in die sie hineingeworfen wurde. Sie war nie cool oder sexy. Der Mini, automobile City-Mode seit den Swinging Sixties, war nie etwas Anderes.

Für Austin bedeutet das von Alexander Issigonis entworfene Antriebs-Layout des Mini eine Revolution. Da hat Vorderradantrieb bei Citroën schon lange Tradition. Dennoch weist der Mini 1959 mit seinem den Raum maximierenden Konzept weit in die Zukunft. Damals gilt die Ente nur noch als besonders, aber nicht mehr als besonders fortschrittlich.

Der 2 CV geht auf den T.P.V.- Toute petite Voiture – von 1939 zurück. Das erklärt das geschwungene Vorkriegsdesign mit frei stehenden Kotflügeln, das sich mit der Ente bis zum Ende des Kalten Krieges retten kann. Der Ur-Döschewo von 1948 leistet zwar nur 9 PS, doch schmückt ihn schon sein wichtigstes Detail: das große Rolldach. Mit ihm beherrscht der 2 CV wie eine echte Ente Luft und Wasser, kann das eine Element zur Erfrischung der Insassen nutzen und sie vor der Nässe des anderen schützen. Dem Rolldach verdankt die Cabrio-Limousine ihren größten Ruhm.

Vier Passagiere heißt die Ente freundlich willkommen

Jeder hat sein eigenes kleines Türchen. Alle vier Luken patschen von selbst mit der Wucht eines zu Boden trudelnden Blattes ins Schloss. Ein bisschen zwickt das Auto dann in den Schultern. Aber das wirkt eher gemütlich als beengt. Die weichen Polster laden zum Flätzen ein. Und das ist schon die erste Regel für das Entenfahren. Denn wer zu aufrecht sitzt, hat den oberen Scheibenrahmen im Blick.

Dann also lungert der Fahrer bequem und erschrickt ein wenig, wenn er unklug, wie der Autor, von einem 740er-Volvo direkt in die Ente umgestiegen ist. Vom Fahrersitz aus erblickt man einige Ritzen, durch die sich der Asphalt zeigt. Auch wer mehrere Jahre 2-CV-Erfahrung vorweisen kann, benötigt doch einen Moment, bis ihn der etwas windige Fassadenbau der Ente nicht mehr ängstigt. Dann bemerkt man langsam, welch ungeheure Last man so zurücklässt. Und dreht den Zündschlüssel.

Sehr zärtlich rüttelt der Anlasser den längs eingebauten Zweizylinder-Boxermotor wach. Zur Not gäbe es auch noch eine Anlasskurbel. Die wurde bis zum Schluss noch beigelegt, tarnte sich aber als Kurbel für den Wagenheber. Sie bleibt ungenutzt im Kofferraum. Beim zweiten Schlüsseldreh springt der Boxer dann aber brav an und schnattert ein wenig aufgeregt im Leerlauf.

Die wichtigsten Regeln für Enten-Fahrer

Es dauert fünf Kilometer, bis auch die anderen Entenregeln wieder in den Sinn kommen: Immer offen fahren, sonst hängt das Dach wie eine Haartolle im Blickfeld. Weich schalten, die Gänge locker aus dem Handgelenk über die Kugel am Schaltstock schütteln. Sonst knarzt es im Getriebe. Beim Runterschalten freut sich die Viergangbox über einen Tappser Zwischengas. Nie versuchen, so schnell zu fahren, wie die anderen wollen. Das geht nicht. Das zerstört die Freude an der Ente. Also ertragen, dass TDI-bewaffnete Halbamateur-Rennfahrer bis ans Kofferraumschloss heranbremsen und ungehörig den Entenhintern beschnuppern.

Endlich allein, gautscht die Ente sanft wiegend auf ihren schmalen 15-Zoll-Rädern über schlechte Straßen. Oft nennt man den 2 CV einen rollenden Regenschirm, dabei ist er viel eher ein fahrender Strandkorb. Oder eben zwei, hintereinander auf einem besonders weich gefederten Rahmen verschraubt. Solch eine Konstruktion lässt kaum auf übermäßige Kurvenbegabung hoffen.

In Biegungen zeigt sich die Ente denn auch als widerspenstiges Federvieh. Sie wehrt sich gegen jede Richtungsänderung nach Kräften untersteuernd. Also heftig am Einspeichenlenkrad reißen. Dann kippt der Wagen geradezu in die Kurve. Was von außen wegen der starken Schlagseite viel dramatischer aussieht, als es sich innen anfühlt.

Die Ente mag dennoch das gerade, weite Land, abseits von Eile und Trubel. Was ist das für ein wunderbares Autowandern über einsame, kurvenarme Straßen. Der Wind wirbelt durchs Auto. Schon das Erklimmen kleiner Hügel bedeutet ein erhebendes Erlebnis. Die Ente ist ein sinnliches Fahrzeug, weil sie dem Fahrer Genuss schenkt. Mit ihr will man unterwegs sein, nicht ankommen. Jetzt aber  trotzdem nicht zu lange fahren. Sonst verliebt man sich nur wieder völlig in die Ente. Und der Mini hat es dann schwer.

Einen Mini kauft man, weil man sich die Kürze leisten kann und will

Der reicht dem Citroën gerademal ein Stückchen über die Taille. Ein Kollege fragte jüngst, warum der Mini denn so furchtbar klein sein müsse? Das lässt sich nicht erklären. Das kann man nur verstehen. Wer das nicht tut, erkennt auch die Vorzüge eines Mini-Rocks nicht.

Wie der Rock wird ein Mini nicht gekauft, weil sein Besitzer sich nichts Größeres leisten kann. Einen Mini kauft man, weil man sich die Kürze leisten kann und will. Denn der Spaß, den der Mini macht, lässt sich nicht mit Raum und Komfort aufwiegen. Eine gewisse Enge bleibt unvermeidbar. So sollten im Kofferraum keine größeren Tiere wie Bernhardiner oder Schafe transportiert werden. In der Ente dagegen dürften bei herausgenommener Rücksitzbank auch ein paar große Ziegen mitfahren.

Es können aber wirklich vier Erwachsene mit dem Mini reisen. Obwohl der Innenraum so kurz ist, dass sich die hinteren Ausstellfenster vom Fahrersitz aus öffnen lassen. Probleme bereitet es nur, in den Fond zu schlüpfen. Das geht ab und zu nicht ohne kleinere Knie- und Schulterblessuren.

Anders als in der Ente, bei der ja immer die halbe Elektrik – also drei Kabel – unter dem Instrumentenbrett hervorbaumelt, erscheint der Mini innen wie ein kleines Schmuckkästchen. Auch British Leyland hat die Nullfuge nicht erfunden. Aber der Mini wirkt solider als der 2 CV.

Der Mini braucht einen engagierten Piloten

Der Austin-Vierzylinder unterstützt den erwachseneren Auftritt. Er hockt quer im Motorraum und direkt auf dem Getriebe. Zwar nur 6 PS stärker als der 2 CV-Zweizylinder, klingt der 850er rauchig, sonor, extrovertiert. Und sorgt damit für ein völlig anderes Fahrerlebnis. Denn konträr zum 2 CV ist der Mini für seine Größe nicht besonders leicht und filigran. So dürfte es vom Gefühl her beim Mini immer gern etwas mehr Leistung sein, während man bei der Ente stets auch mit etwas weniger gut auskäme.

Der Mini braucht einen engagierten Piloten. Für die Erfordernisse Großbritanniens ist sein Fahrwerk perfekt abgestimmt. Dort besteht das Straßennetz – zumal in den Städten – ja fast ausschließlich aus Kreisverkehren. Um Roundabouts pfeift der Kleine, garstig einlenkend, so schnell und sicher, als sei er auf einem Karussell festgeschraubt. Bei solcher Begabung: Was soll man dem Mini da die schwergängige Lenkung, die hakelige Schaltung und den konsequenten Verzicht auf jeden Federungskomfort vorhalten. Das wäre undankbar.

Denn die Straßenlage ist sensationell. Nur wenn er mit beiden Rädern einer Achse gleichzeitig in eine Bodenwelle plumpst, ändert sich das. Dann springt der Mini so schlagartig heraus, dass es bei höherem Tempo etwas Zeit und eine große Portion Schwerkraft braucht, bis er wieder Boden unter den Reifen hat.

Der Mini liebt den schnellen Beat der Großstadt

Da ist er immer ganz vorn dabei – wuselnd statt cruisend. Aus jeder Fahrt ins Kino macht er eine Sonderprüfung. Egal, ob er als sportlicher Cooper oder als edler HL antritt.

In den 90ern rüscht Rover das Spar-Auto mit Holz und Leder zum Spaß-Accessoire auf.2001 kommt der New Mini, ein aufwendiges, unpraktisches Premiumauto mit gleichem Namen, aber ganz anderem Charakter als der Mini.

Einige Jahre vor dem Retro-Hype endet die Karriere der Ente ohne Aussicht auf einen Nouvelle Deuxchevaux. Vielleicht ist das ein Grund, die Ente etwas mehr zu mögen als den Mini. Weil sie ging, als sie noch sie selbst war.

Historie Austin Mini

    • 1959 Präsentation als Austin Seven (843 cm3, 37,5 PS)
    • 1960 Van und Kombi
    • 1961 Cooper (997 cm3, 56 PS), Pick-up
    • 1963 Cooper S (1071 cm3, 70 PS)
    • 1964 Cooper S (1275 cm3, 75 PS), Vorstellung Mini Moke
    • 1967 Mini MK II
    • 1968 Moke eingestellt
    • 1969 MK II durch die ADO 20-Modelle 850 und 1000, Cooper durch 1275 GT mit 77 PS ersetzt, Start Clubman
    • 1971 Cooper S eingestellt
    • 1976 Mini MK IV
    • 1980 Produktionsstop Pickup, Clubman und 1275 GT
    • 1982 Stop Kombi und Van
    • 1984 Mini MK V: Scheibenbremsen vorn, 12-Zoll-Räder
    • 1990 Neuer Cooper mit 1273 cm3 und 61 PS
    • 1991 Restart Moke in Italien
    • 1992 MK VI: 1,3-Liter mit 53 PS ersetzt Einliter-Motor
    • 1993 Serienstart Mini Cabrio, Einstellung Moke
    • 1996 MK VII: Airbags


    • 2000 Produktionsstop Mini


  • 2001 Serienstart New Mini
      Historie Citroën 2 CV
    • 1948 Präsentation auf dem Pariser Salon mit 375 cm3 und 9 PS
    • 1951 Produktionsstart Kastenente 2 CV AK Fourgounette
    • 1958 Zweimotoriges Allradmodell Sahara
    • 1964 Vordertüren jetzt statt an B-Säule vorn angeschlagen
    • 1967 Präsentation Dyane
    • 1970 Neues Modellprogramm: 2 CV 4 mit 431 cm3 und 23 PS, 2 CV 6 mit 602 cm3 und 28 PS
    • 1974 Eckige Scheinwerfer
    • 1976 Basisversion 2 CV Special
    • 1981 Sondermodell Charleston
    • 1982 Fourgounette eingestellt
    • 1982 Scheibenbremsen vorn
    • 1983 Produktionsstopp Dyane
    • 1984 Große Heckklappe gegen Aufpreis
    • 1988 Produktionsstop im Stammwerk Levaillos
    • 1990 Produktionsstop im Werk Mangualde/Portugal