BMW 5er Alpina und Hartge

Limousinen mit Zusatz im Fahrbericht

Tuning war in den Achtzigern das große Thema. Sogar brave BMW 5er blieben nicht verschont. Wir fuhren zwei 230-PS-Kanonen von Alpina und Hartge.

Alpina-BMW 528, Hartge-BMW 528, Frontansicht Foto: Jörg Künstle 20 Bilder

Neben Porsche ist BMW der deutsche Automobilhersteller mit der größten Motorsporttradition nach 1945. Besonders der Bereich Renntourenwagen war eine Domäne der Bayern. Es begann mit dem Sondermodell BMW 1800 TI/SA, dann kamen die mächtigen 3.0 CSL-Coupés und die flinken 2002er-Limousinen der Gruppe 2, die monströsen Breitspur-320 der Gruppe 5, schließlich die optisch fast der Serie entsprechenden 635 CSi und E30-Dreier bis zum M3, dem nach Siegen und Stückzahl erfolgreichsten Renntourenwagen der Welt. Weder Audi noch Mercedes traten bis Ende der Achtziger als ernsthafte Konkurrenten in Erscheinung, während Ford mit den Modellen Escort, Capri und Sierra zum deutschen BMW-Hauptgegner aufstieg.

Für die Entwicklung spezieller Rennsportmodelle war ab 1972 die BMW Motorsport GmbH zuständig, die auch als lukrativen Geschäftszweig die Versorgung mit Ersatzteilen für den Rennbetrieb übernahm. Daneben gab es eine Vielzahl an privaten Tunern, die bis heute untrennbar mit der Marke BMW verbunden sind. Sie besitzen Namen, die in den Ohren wahrer BMW-Fans wie Händels „Halleluja“ klingen: Alpina, Eggenberger, Hartge, Lindner und Schnitzer. Ihre modernen Autos fahren zum Teil noch heute sowohl auf der Rennstrecke als auch auf der Straße an der Spitze mit.

BMW 5er: Probefahrt mit Tuning-Modellen von Hartge und Alpina

Von deren Vorgängern haben jedoch die wenigsten überlebt. Manche der heiß gemachten BMW endeten als Unfall-Totalschaden, manche mit defekter Technik, die sich aufgrund des einst hohen Wertverlusts nicht zu reparieren lohnte. Umso mehr freuen wir uns heute, wenn uns ein originaler Tuning-BMW aus den späten Siebzigern begegnet. Oder besser gleich zwei BMW 5er-Limousinen von verschiedenen Firmen mit grundverschiedener Philosophie: BMW Alpina B8 3.2 und BMW 528 Hartge 3.0 H5. Beide haben mit 239 beziehungsweise 230 PS die fast gleiche Leistung, und beide stammen aus dem Jahr 1976. Das Beste daran: Sie stehen für eine ausgiebige Probefahrt bereit.

Wir beginnen mit den Gemeinsamkeiten der seltenen Tuning-BMW. Da ist zunächst die von 1972 bis 1981 als E12 produzierte BMW 5er-Karosserie, die auch heute nichts von ihrer Attraktivität verloren hat. Obwohl viele Stilelemente der „Neuen Klasse“, etwa die vorspringende Wagenfront und die schlanken A- und B-Säulen, vorhanden sind, wirkt der BMW 5er etwas stämmiger. Das gilt besonders für unsere Tuning-Autos mit den identischen Reifenformaten 205/55-16 vorn und 225/50-16 hinten.

Wer schließlich hinter dem Lenkrad Platz nimmt, erlebt in beiden BMW 5er eine Reise zurück in jene Zeit, als der Mensch noch unmittelbar und direkt mit seinem Fahrzeug kommunizieren durfte. Beschriftungen an den Schaltern wie „Nebel vorne“ und „Nebel hinten“ sowie am Heizungsdrehregler die eindeutigen Optionen „oben“, „zu“, „unten“, „normal“ ersetzen das manchmal mühsame Abtauchen in die iDrive-Menüs.

BMW 5er mit einer Breite von 1,70 Metern

Außerdem bedrängen unsere beiden BMW den Fahrer nicht von allen Seiten mit mattschwarzen Kunststoffoder falschen Aluminiumauswüchsen. Der BMW 5er beglückt uns vielmehr mit einem Raumgefühl, das man heute nur noch in einem kantig geschnittenen SUV erleben darf: Die schlanken A-Säulen, das hohe Dach, die niedrig bauende Motorhaube und das uns nicht entgegenwuchernde Armaturenbrett wirken so wohltuend luftig wie ein Mentholbonbon. Befreit vom Ballast des heutigen Innendesigns erleben wir die Straße und Landschaft wie im 3-D-Kino und atmen im BMW 5er befreit durch – bei einer Fahrzeugbreite von gerade mal 1,70 Metern, das ist aktuelles Ford-Fiesta-Format.

Die knuffigen Lederlenkräder mit dem Firmennamen auf den Naben, einige Zusatzinstrumente auf (Hartge) und in (Alpina) der Mittelkonsole sowie die perfekt geformten Recaro-Sitze erinnern uns wieder daran, in zwei ganz besonderen BMW 5er-Limousinen zu sitzen. Doch mit dem ersten Dreh am Zündschlüssel enden auch schon die Gemeinsamkeiten der beiden BMW-Limousinen.

Spontan startet der Hartge-Fünfer und röhrt in seiner Warmlaufphase nervös wie ein Rennpferd vor sich hin. Die 230 PS, das sind immerhin 65 PS mehr als im Serien-528, resultieren in erster Linie aus dem auf drei Liter vergrößerten Hubraum und aus den drei großvolumigen Weber-Doppelvergasern. Sie verwandeln den Reihensechszylinder optisch in eine Maserati-Maschine aus den Sechzigern. Akustisch fast ebenso. Besonders oberhalb von 3.500/min, wenn beim Beschleunigen die Vergaser mit ihrem Schnorchelsound das hinten ertönende Auspufftrompeten unterstützen, entsteht für den Fahrer ein derart anmachender Soundeffekt, dass er nur noch eines will: schalten, immer wieder schalten und Gas geben.

Zusammen mit der grandios übersichtlichen Karosserie und einem auch für heutige Maßstäbe ordentlichem Handling lässt sich der Hartge-BMW fast so wieselflink durch den Verkehr dirigieren wie ein aktueller Mini – und das mit einem Dreiliter- Reihensechszylinder unter der Motorhaube.

Auch unser Fotomodell und Fahrerin Laura, die sich sofort für den knorrigen Hartge mit sonnengebleichtem Dach und Motorhaube entschieden hat, kann sich für diesen BMW 5er begeistern: „Mit dem optimal abgestimmten Fünfganggetriebe hat der Motor in allen Drehzahlbereichen richtig Dampf. Die Bremsen und die Straßenlage sind fast so gut wie bei einem modernen Auto.“

Dass der optisch leicht patinierte, aber technisch komplett überholte BMW 5er von Hartge sich nur durch seine Räder und den Ölkühler zu erkennen gibt, gefällt Laura ebenso: „Wenn es darauf ankommt, geht dieser unscheinbare 5er ab wie ein 911er. Das traut ihm keiner zu.“

Susen hat sich beim Losfahren für den Alpina-BMW entschieden: „Mir gefällt die schicke Farbkombination im typischen Alpina-Stil.“ Außerdem findet Susen es großartig, dass dieser top restaurierte BMW 5er wie neu aussieht: „Da schauen die Leute natürlich schon zweimal hin und fragen oft, wie alt der Wagen ist und warum der noch so gut aussieht.“ Ihr gefallen auch die giftgrünen Alpina-Zierstreifen an den Flanken und auf dem Frontspoiler, die heute ziemlich aus der Mode gekommen sind.

Tuning als Upgrade

Auch der himmelblaue Alpina-5er stammt aus dem Jahr 1976, wurde jedoch genauso wie sein Hartge-Pendant erst später mit der optimierten Technik ausgestattet. Die Spezialisten aus Buchloe vergrößerten den Hubraum sogar auf 3,2 Liter und spendierten dem Reihensechser eine elektronische Benzineinspritzung.

Die Bosch L-Jetronic kam ab 1977 auch im Serien-BMW 528i zum Einsatz, wurde aber bei Alpina an den B8-Motor mit Sportnockenwelle angepasst. Während der 528i im Serien-Trimm 176 PS leistete und 208 km/h Spitze erzielte, kommt unsere Alpina-Version vom BMW 5er auf 239 PS und eine Vmax von 240 km/h.

Zugegeben: Wir haben das mit dem wertvollen BMW 5er natürlich nicht ausprobiert, das erst kürzlich mit viel Aufwand von einem Enthusiasten in diesen Neuwagenzustand zurückversetzt wurde. Aber so viel war bei den Fotofahrten bereits festzustellen: Der Alpina geht mindestens genauso gut wie der Hartge, macht aber weniger Krawall und wirkt insgesamt deutlich kultivierter. Im Alpina läuft der Reihensechser wie Samt und Seide und giert noch mehr in Richtung roter Bereich, der bei 6.500/min beginnt. Daneben prahlt der Alpina-Tacho mit der sagenhaften Endziffer 300.

Das wie im Hartge mit Bilstein-Stoßdämpfern modifizierte Fahrwerk wirkt im BMW 5er von Alpina etwas geschmeidiger, was den B8 ganz im Sinne seiner Erfinder auch für längere Reiseetappen empfiehlt. Der Hartge federt dagegen etwas härter, was ja gut zu seiner rauen Optik passt.

Beide Tuner können auf eine langjährige Rennsporterfahrung bauen. Herbert Hartge saß ab 1971 selbst am Steuer seiner Renntourenwagen und baute im saarländischen Merzig seinen Tuning-Betrieb auf. Heute veredelt die Firma in Beckingen BMW-Modelle, seit 1985 mit Hersteller-Status. Den besitzt Alpina seit 1978. Burkhard Bovensiepen gründete bereits 1965 seinen Tuning-Betrieb und machte auch auf der Rennstrecke Furore. Zuletzt 2011 beim Titelgewinn in der ADAC GT-Masters mit dem exotischen 6er-Coupé gegen eine Armada von Audi R8, Mercedes SLS AMG und Porsche 911.

Was nur wenige wissen: Auch der BMW 5er E12 erkämpfte für BMW einen wichtigen Motorsport-Titel. Umberto Grano und Helmut Kelleners gewannen 1982 in einem 528i von Eggenberger die Tourenwagen-Europameisterschaft. Damit darf auch die in zweiter Auflage (E 28) bis 1987 gebaute Familienlimousine neben den legendären BMW-Renntourenwagen in der Halle des Ruhms parken.