BMW 750 iL und Mercedes-Benz 600 SEL

Luxuriöse Zwölfzylinder-Youngtimer im Duell

Als BMW 1987 einen Zwölfzylinder im Understatement-Design des 750i präsentiert, fällt die Daimler-Konkurrenz in Schockstarre. Erst 1991 gibt es mit dem Luxusliner W 140 wieder einen 600 mit V12. Auf zum Duell!

BMW 750 iL, Mercedes-Benz 600 SEL, Frontansicht Foto: Jörg Künstler 22 Bilder

Er ist kein Kumpeltyp wie sein zahmer, kuscheliger Vorgänger W 126, der seine Rente im Mittelstand genießt, ohne dass ihm ein Zacken aus dem Stern fällt. Der fühlt sich auch in einer Normgarage wohl – Hauptsache, er wird im Alter gut behandelt, was die tun, die ihn sich erst jetzt leisten können.

Manchmal träumt der 126er von den goldenen Zeiten, als er Bedeutung inszenierte und ihm die linke Spur gehörte. Aber er trauert ihnen nicht nach. Den 126er mögen sie alle, die kalte Arroganz der Macht war nicht seins.

Mammut, Traum und Himmelsschaukel – die größte S-Klasse aller Zeiten

Ganz anders sein Nachfolger, der S-Klasse- Gigant W 140. „Mammut, Traum und Himmelsschaukel“, so nannte ihn Mercedes selbst in einer Art Rechtfertigungs-Broschüre nach seinem Fehlstart. Wie alle Mächtigen hatte der Mercedes-Benz W 140 seine Affären, über die sich das autointeressierte Volk das Maul zerriss. Die größte S-Klasse aller Zeiten passte nur knapp in Parkhäuser und auf Autoreisezüge, ihre Zuladung wurde aus Versehen mit 340 Kilo viel zu gering angegeben. Hemdsärmelig anmutende Peilstäbe, die bei Rückwaärtsfahrt für Orientierung sorgen, galten als peinliche Lösung im Elektronikzeitalter. Schnell verwandelte sich die S-Klasse in eine hämische Karikatur. Ein ungelenker Elefant, für seinen Lebensraum zu groß , gefräßig nach Ressourcen greifend.

BMW 750 iL – Understatement statt Angabe

BMW wäre das nicht passiert, die haben ihren Zwölfzylinder 1987 leise und ohne Skandale triumphieren lassen. Eckige Endrohre, eine breitere Niere vorn, geschmiedete Alu-Räder im Vollscheibenlook, mehr unterscheidet ihn nicht von einem BMW 730i. Understatement statt Angabe, dieses 130.000 Mark teure Auto spaltet nicht, es versöhnt. Damals haben sich alle gefreut über den neuen Königs-Siebener in seiner betonten Zurückhaltung und stilistischen Eleganz, auch die Audi 100-Fahrer und der Golf II-Diesel-Pilot.

Sie waren wieder stolz auf ihre große Auto-Nation, die alles hatte – Porsche 911 und 928, den SL, einen M635 CSi, den Audi Quattro, aber eben keinen Zwölfzylinder. Dieses Patent besaßen traditionell nur die Italiener bei Ferrari und Lamborghini und die Briten bei den vornehmen Jaguar- und Daimler-Limousinen. Okay, vor dem Krieg gab es hier zu Lande den Maybach Zeppelin, den Horch 670 sowie als Prototyp den Mercedes-Benz 600 K mit 6-Liter-V12 und 240 PS.

Mercedes legt mit Sechsliter-V12 nach

Daimler-Benz hätte man in der nach Superlativen gierenden Neuzeit den V12 nach dem spektakulären 450 SEL 6.9 noch am ehesten zugetraut. Doch die Nachfolge-S-Klasse W 126 wurde, durch die Ölkrise geschockt, mit einem Fünfliter-Alu-V8 auf Diät gesetzt. Sechs Jahre nachdem BMW dem Zwölfzylinder öffentlich in Anzeigen abschwor, zogen die listigen Bayern mit ihrem ultraleisen V12 rechts vorbei.

Der Daimler-Vorstand beschloss daraufhin, die Entwicklungszeit des Projekts W 140 um zwei Jahre zu verlängern. Das musste für einen Zwölfzylinder reichen, der den Bayern-Motor in all seinen Lebensäußerungen toppt. Vier Ventile und zwei Paar obenliegende Nockenwellen sollte er haben, sechs Liter Hubraum, um die 400 PS – das schafft genügend Abstand.

Die eine Hälfte des neuen, von der Konkurrenz erzwungenen Zwölfzylinders lief in Stuttgart-Untertürkheim schon längst auf dem Prüfstand: der irrsinnig progressiv konstruierte M 104, ein Dreiliter-DOHC-Sechszylinder mit verstellbarer Einlassnockenwelle und direkter Ventilbetätigung über Tassenstößel. Daimer-Motorenchef Dr. Kurt Obländer musste die beiden Sechszylinder „nur noch“ verheiraten, indem er ein neues Alu-Kurbelgehäuse konstruierte.

Allerdings kamen keine 440 PS dabei heraus, sondern mit politisch völlig unkorrekter Volllastanreicherung 408 – genug, um den Zweitonner in ein Geschoss zu verwandeln. Bei Tempo 250 wird abgeriegelt, vorher stürmt der leise Riese mit der unaufhaltsamen Vehemenz eines Porsche 911 auf Tempo 100 und dann auf 200, während der zahme 750 iL zwar auch abgeriegelte 250 schafft, aber Mühe hat, dem Urahn 3.0 Si bis 120 km/h davonzufahren.

W140-S-Klasse – blechgewordener Elefant

Beim Erscheinen des W 140 im Jahre 1991 wurde das erste Mal der Begriff „sozialverträglich“ in Zusammenhang mit einem Auto diskutiert. Schnell war sich eine Mehrheit einig, dieser blechgewordene Elefant ist es nicht. Gerade im Vergleich mit seinem freundlich lächelnden, zwölf Jahre lang gebauten Vorgänger wirkte der W 140 schon durch seine schiere Größe und vor allem als gigantischer Zwölfzylinder 600 SEL kalt und abweisend. Der Innenraum, fein mit Velours oder Raffleder ausgeschlagen wie eine V.I.P Lounge, die dicke Doppelverglasung schirmt wie eine Sonnenbrille alle Widrigkeiten ab.

Diese himmlische Geborgenheit kommt im Fond des BMW nicht auf. Federung, Raumgefühl und Sitzkomfort sind eine Klasse schlechter. Doch auch ein Mercedes W 140 will geliebt werden. Mit etwas Mühe und der richtigen Ausstattung schafft er es sogar als 600 SEL, verbindlich zu wirken. Der Maybach hat ihn als abgehobenen Repräsentanten der Reichen und Mächtigen abgelöst. In der Tat steckt viel vom W 140 unter dem Blech vom Maybach.

W140 zeigte das technisch Machbare

Kein Wunder, denn der W 140 befand sich vor 20 Jahren trotz der Peinlichkeiten auf dem Höhepunkt des technisch Machbaren. In der Qualität, im Fahrkomfort und in der Sicherheit. Das schafft der BMW 750 iL nicht. Von dieser Überlegenheit blieb noch eine Menge übrig. Der W 140 konserviert den alten Mercedes-Geist, auf den der neue Slogan „Das beste oder nichts“ perfekt zutrifft. Wer ihn mit Leben erfüllen will, muss Mercedes W 140 fahren.

Früher schossen die Daimler-Benz-Ingenieure in ihrem Hang zur Perfektion oft ein wenig übers Ziel hinaus. Zuziehhilfen für die Türen, Doppelverglasung, Außenspiegel, die man per Knopfdruck anwinkeln kann, ein Kofferraumgriff, der sich servil andient, um danach wieder diskret zu verschwinden. Oder die Raumlenkerachse, die mit fünf Zug- und Schubstreben pro Rad operiert und im Verbund mit einer hydropneumatischen Niveauregulierung für ein Optimum an Fahrkomfort sorgt.

Auch die Peilstäbe gehören zu dieser Philosophie. Weil die Autos um ihn herum korpulenter geworden sind, fällt er im Straßenbild nicht mehr als Dicker auf, ein neuer Ford Mondeo ist ebenso 1,87 Meter bereit. Im Fliederfarbton Bornit-Metallic, kombiniert mit Velours in der Farbe Champignon, gelingt es dem W 140 sogar, sich als feinsinniger Bohemien zu inszenieren. Haben wir ihn wirklich falsch verstanden?

Mercedes beim Preis klar vor dem BMW – 233.815 zu 143.370 Mark

Der zurückhaltende BMW 750 iL kennt dieses Problem nicht, sein feines Understatement macht ihn eher zur verkannten Größe. Ignoranten würden ihn eiskalt zum 5er erklären. Leuchtendes Calypsorot ist eine Fehlfarbe, die ebenso gegen das Protokoll verstößt wie Bornit, aber der Kosmetikfarbton intensiviert den Reiz der Luthe-Linien auf subtile Weise. Das Nappaleder im Innenraum heißt silber, nicht schwarz, beim langen Siebener ist es sogar serienmäßig. Überhaupt lässt sich beim BMW 750 iL wenig außer der Reihe ankreuzen, die Preisliste setzt bei fast jeder Option einen hellen, durchsichtigen Punkt für serienmäßig.

Mercedes spielt dagegen beim 600 SEL perfekt auf der Sonderausstattungs-Klaviatur. Sein Listenpreis von 204.231 Mark lässt sich mit nur 19 Kleinigkeiten auf 233.815,50 DM steigern. Der BMW gibt sich auch in dieser Disziplin bescheidener. Sieben Sonderposten pushen ihn auf 143.370 Mark. Generell zelebriert er, der erste deutsche Zwölfzylinder, maßvollen Exzess in allen Belangen. Seine Basis ist der Block des 2,5-Liter-Sechszylinder M20 aus dem 525i. Bohrung mal Hub beträgt bei beiden Motoren 84 x 75 mm. 300 PS genügen dem M70, zwei Ventile pro Zylinder und nur eine Nockenwelle pro Bank reichen für ein fülliges Drehmoment und verhindern exzessiven Verbrauch. 13 bis 15 Liter konsumiert der 750 iL, im Schnitt braucht der Mercedes drei bis vier Liter mehr.

BMW-V12 ist leiser als hochgezüchtetes Mercedes-Triebwerk

Fahrwerkstechnisch gibt sich der große BMW mit der traditionellen Schräglenkerachse nach Art des Hauses zufrieden. Die dem Mercedes 600 SEL adäquate Rolle des Technologieträgers übernahm bei BMW der Gran Turismo 850 CSi mit komplexer Integral-Hinterachse. Sein 5,4-Liter-V12 leistet 380 PS. Dieser Siebener hat vor allem die Sehnsüchte seines Vorgängers erfüllt, endlich kamen die lange geplanten Acht- und Zwölfzylinder zum Einsatz, endlich kam das zeitlos-elegante Design mit einem Schuss Jaguar beim Publikum bestens an. Gegen den hochgezüchteten Mercedes 600 SEL kann der 750 iL nicht bestehen, nur Verbrauch und Handling sind besser. Eine Genugtuung bleibt, sein V12 ist noch leiser.

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