BMW Alpina B7 Turbo im Fahrbericht

Deutschlands stärkstes Auto

Mit dem BMW Alpina B7 Turbo Coupé stellte die Firma aus Buchloe Mitte der 80er Jahre Deutschlands stärkstes Serienauto auf die Räder. Leistungssorgen waren ab diesem Zeitpunkt für BMW Alpina-Piloten ein Fremdwort. Heute erst recht, denn die 330 PS katapultieren immer noch schlagartig nach vorne.

Frontansicht BMW Alpina B7 - Froschperspektive Foto: Jörg Künstle 13 Bilder

In 17 Sekunden von null auf 180. Respekt. Im nächsten Moment fällt die 200er-Marke, ohne dass aus dem Motorraum des BMW Alpina B7 Turbo Coupé auch nur ein Anzeichen von Schwäche zu spüren wäre. Im Gegenteil: Der Sechszylinder scheint sich erst jetzt absolut wohlzufühlen – denn er schiebt davon wie ein Düsenjet kurz vorm Abheben und degradiert gleichzeitig all diejenigen zu bemitleidenswerten Opfern im Straßenverkehr, die mangels Leistung bereits bei Tempo 250 am Luftwiderstand scheitern.
 

Deutschlands stärkstes Serienauto rennt 270 km/h

Mit knisterndem Motor rollt das BMW Alpina B7 Turbo Coupé wenig später auf einem Parkplatz aus. Gut 20 Sachen mehr wären noch drin gewesen. Doch wesentlich beeindruckender als das maximale Tempo ist die Art und Weise, mit der das Auto in diese Geschwindigkeitsregionen vordringt. Mit herkömmlicher Beschleunigung hat das nichts mehr zu tun. Optisch traut man dem Fahrzeug so einen Kraftakt allerdings selbst auf den zweiten Blick nicht zu. Dieses fein gezeichnete Coupé mit dem sanft verlaufenden Stufenheck erinnert viel mehr an einen Familienwagen als an ein Rennauto. Ein klassischer Gran Turismo, nicht mehr und nicht weniger. 

Darüber können nicht einmal Spoiler und ein Satz Breitreifen am BMW Alpina B7 Turbo Coupé hinwegtäuschen. Immerhin schauen die leicht versetzt montierten Doppelscheinwerfer ein wenig grimmig drein, und der schräg in den Fahrtwind gestellten BMW-Niere lässt sich eine Portion Angrifflust unterstellen. Doch ein Vollstrecker kommt definitiv anders daher. Das schnellste Serienauto aus Deutschland Mitte der 80er Jahre tritt unter einer Tarnkappe auf und ist als solches nur an den Schriftzügen des Herstellers zu erkennen – Alpina.

In der Firma im bayerischen Buchloe werden seit 1964 ausschließlich BMW-Modelle mit dem Segen aus München massiv in ihrer Leistung gesteigert, zunächst mit Doppelvergasern, später mit Turboaufladung, wie auch im BMW Alpina B7 Turbo Coupé. Damit die Autos auf der Straße haften bleiben, optimieren die Allgäuer unter der Regie von Burkhard Bovensiepen gleichzeitig auch noch die Fahrwerke. Die zahlreichen Umbaumaßnahmen hatten schließlich zur Folge, dass die Firma seit 1983 in den Kfz-Papieren als eigener Hersteller firmiert.

Sechszylinder mit 330 PS und 512 Nm

Das BMW Alpina B7 Turbo Coupé gehört zu den ersten kompletten Eigenentwicklungen des Hauses Alpina. Von 1978 bis 1982 auf Basis des BMW 630 CS, ab 1984 bis 1988 auf der des 635 CSi. Dessen 3,5 Liter großes Triebwerk leistete ab Werk 286 PS – zu wenig für einen Mann wie Bovensiepen, der als ausgesprochener Turbo- und Leistungsfan gilt. Mit der BMW-eigenen Turbo-Version im 745 i brauchte man ihm ebenfalls nicht zu kommen – „nur“ 252 PS. Kein ernsthafter Wert für einen Visionär. Also baut man bei Alpina den Lader und den Ladeluftkühler besser gleich selbst, und zwar ein paar Nummern größer, als man sich das in München getraut hatte. Doch dabei belassen es die Ingenieure aus Buchloe nicht. 

Eine schärfere Nockenwelle (300 statt 264 Grad Öffnungswinkel) gilt neben leichteren Kolben und überarbeiteten Brennräumen in diesen Kreisen als selbstverständlich, wenn man ernsthaftes Motortuning betreiben will. Zusätzlich soll ein neu entwickeltes Resonanz-Ansaugsystem die für Motoren mit großen Ladern typische Antrittsschwäche im unteren Drehzahlbereich kaschieren. Mit anderen Worten: Das BMW Alpina B7 Turbo Coupé hatte ganz einfach schnell zu sein, und zwar vom Stand weg.

Die technischen Eckdaten des BMW Alpina B7 Turbo Coupé ließen keinen Zweifel daran, dass in Bovensiepens Technikabteilung die richtigen Zutaten verwendet und perfekt arrangiert wurden: 330 PS. Mitte der Achtziger fand sich hier zu Lande kein stärkeres Serienfahrzeug – und weltweit keines, das in dieser Klasse über ähnlich viel Drehmoment verfügte: 512 Newtonmeter bei relativ bescheidenen 3.000 Umdrehungen pro Minute. Da konnten – neben Schiffsdieseln – allenfalls ein paar Sieben-Liter- V8 aus den USA mithalten.

Seltene Spezies – nur 110 Exemplare

Fahrbericht: Der Puls steigt automatisch, wenn einem jemand dann den Schlüssel für diesen Wagen in die Hand drückt. Jetzt bloß keinen Mist bauen und gegen die nächste Wand fahren. Mehr als insgesamt 110 BMW Alpina B7 Turbo Coupé sind nicht gebaut worden. Der Erhalt des ohnehin stark geschrumpften Bestandes hat in der Szene höchste Priorität. Also, erst einmal auf den Stoffsitzen mit dem blau-grünen Alpina-Längsstreifen Platz nehmen. Die Sitzposition hinter dem BMW-typischen Instrumententräger aus hochwertigen Kunststoff – perfekt. Raumgefühl und Rundumsicht ebenfalls.

Die Kopfstützen in der zweiten Sitzreihe sind ein Extra für seinerzeit 263,16 Mark Aufpreis. Die Klimaanlage des im April 1986 erstmals zugelassenen Wagens kostete weitere 4342,11 Mark und auch für den beheizten Seitenspiegel mussten zusätzliche 236,84 Mark abgedrückt werden. Durch Deutschlands ehemals schärfste automobile Waffe weht ein Hauch von Luxus und Bequemlichkeit. Einziges offensichtliches Zugeständnis an den Sport: In der Mittelkonsole des BMW Alpina B7 Turbo Coupé musste die linke der beiden Lüftungsöffnungen für ein von Alpina entwickeltes Zusatzinstrument Raum bieten. Dort finden sich jeweils eine Anzeige für den Lade- und Öldruck sowie für die Öltemperatur im Motor und im Hinterachsgetriebe.

Das – logisch – wichtigste Detail für Turbo-Fans versteckt sich zwischen den beiden Vordersitzen: Ein Rädchen, mit dem sich der Ladedruck regeln lässt, sozusagen der Schlüssel zum Glück. Maximal 1,8 bar sind beim BMW Alpina B7 Turbo Coupé drin. Bei regennasser Straße dürfen es sicherlich gern auch weniger sein. Doch dazu später.

Für Kenner und Könner: Die Turbofalle

Langsam rollt der blau-schwarze Wagen nach dem Fahrerwechsel wieder an. Ohne zu zicken und – untypisch für Leistungssportler – ohne viel Getöse. Die fünf Gänge des Sportgetriebes (erste Stufe links unten) lassen sich in unserem Fahrbericht sauber hochschalten, und knapp über Leerlaufdrehzahl steht bereits genügend Kraft zur Verfügung, um im BMW Alpina B7 Turbo Coupé auf Landstraßen schon mal das Revier zu markieren. Dieser ungewöhnlich stille und bekanntermaßen laufruhige Sechszylinder würde sich ganz bestimmt auch in einem Familienkombi gut machen. Daran haben die von Alpina durchgeführten Tuningmaßnahmen nichts geändert.

Allmählich kommt Schwung in die Sache, weil der Kessel selbstverständlich voll unter Druck steht. Der Fahrer übrigens auch. Wenn er nicht aufpasst, ist der Spaß in der nächsten Ecke dann aber schon wieder vorbei. Der Leser ahnt es schon – die Turbofalle: Erst kommt nichts, dann alles.

Nun, ganz so schlimm ist es beim BMW Alpina B7 Turbo Coupé jedoch nicht. Dennoch bietet es sich an, erst kurz vor Kurvenausgang wieder voll aufs Gas zu steigen. Auf jeden Fall sollte man sich auf ein gerades Stück Straße gerettet haben, bis der Lader nach kurzer Verzögerung wieder richtig Druck aufgebaut hat. Und selbst dann soll es guten Fahrern schon passiert sein, dass sie für den Heimweg ein Taxi brauchten, weil der Wagen mit dem Heck voran im Graben parkte. Trotzdem – jeder, der auch nur über einen Tropfen Benzin im Blut verfügt, würde es nun endlich wissen wollen. Wie das denn so ist, wenn ein 1,5 Tonnen schweres Fahrzeug plötzlich wie von einem Katapult in die Umlaufbahn geschossen wird und anschließend mit kaum für möglich gehaltener Leichtigkeit über den Asphalt fliegt. Die Antwort: Es gibt wenig, was da mithalten kann.