Fahrbericht BMW Isetta 300 und Goggomobil T 25

Weiß-Blaue Geschichten

Welches Konzept ist mit mehr als fünf Jahrzehnten Betrachtungsabstand das bessere? Der Motorroller mit Kabine oder die Miniatur eines Automobils, Einzylinder-Viertakt oder Zweizylinder-Zweitakt, Zwei- oder 2+2-Sitzer - kurz: BMW Isetta 300 oder Goggomobil TS 250?

BMW Isetta 300 und Goggomobil T 250 Foto: Jacek Bilski 18 Bilder

Das erste, was gesagt werden muss: Fahren mit dem Flügeltürer ist dagegen ein Kinderspiel. Das niedliche Aussehen der kleinen Biester Goggomobil und Isetta täuscht. Sie fordern auf den ersten 20 Kilometern den ganzen Mann, wenn er als Novize nacheinander ihre beiden winzigen elfenbeinfarbigen Lenkräder in die Hand nimmt.

Die BMW Isetta – viel zickiger als ein Mercedes Flügeltürer

Vor allem die Isetta zeigt sich anfangs zickig. Ihr Klauengetriebe mit filigranem Schalthebel und umgedrehter, seitenverkehrter Kulisse ist zunächst nicht jedermanns Sache. Gern nimmt sie zum geschmeidigen Herunterschalten eine Portion Zwischengas, um Zähneknirschen oder das typische Klackgeräusch, das man von den BMW-Motorrädern kennt, zu vermeiden. Die Isetta ist schließlich ein Motorrad mit Dach - eine BMW R 25, die sich in einem Kuckucksei aus Italien versteckt hat, und der zwei Extraräder wuchsen. 

Der Flügeltürer braucht kein Zwischengas beim Schalten, seine normale Viergang-Schaltkulisse gibt dem Fahrer keinerlei Rätsel auf. Sie ist prinzipiell genauso leichtgängig und exakt wie im Export-Käfer. Die 215 PS und 280 Newtonmeter des Mercedes-Benz 300 SL haben selbst im TDI-Zeitalter der proletarisierten 200 km/h noch so viel Schlagkraft, dass man vorn im Verkehr mitmischen kann. Jede Hausfrau mit ein bisschen Fahrpraxis kann den W 198 bändigen, wenn sie den Grenzbereich der Doppelgelenk-Pendelachse weiträumig umfährt.

Goggomobil und Isetta brauchen dagegen die starke Hand eines erfahrenen Dompteurs. Die minimale Spannkraft von 13 und 13,6 PS, gepaart mit asthmatischen 18 bis 22 Newtonmeter weit jenseits von 4.000/min, fordern den Piloten vor allem im Überlebenskampf des heutigen Großstadtverkehrs.

Erste Regel für BMW Isetta-Fahrer: Kein Schwung verlieren

Gerade hinter der schweren Kühlschranktür der Isetta hat er alle Hände voll zu tun, sein Rollermobil am laufen und auf Drehzahl zu halten. Er schaltet mit links, erwischt dabei im Eifer des Spurwechselgefechts manchmal die falsche Schaltgasse. Um den rückwärtigen Verkehr nicht vollends gegen sich aufzubringen, erspart er sich eine langwierige Korrektur mit ungewissem Ausgang. Der dritte Gang bleibt drin, die große Schwungmasse des Einzylinder-Viertaktmotors täuscht sogar eine gewisse Elastizität vor. Langsam und ruckfrei, aber unter subtilem Protest kitzliger Vibrationen gewinnt das Wägelchen an Fahrt.

Immerhin lärmt hinten rechts der 300er-Big Block, ein tapferer Solitär, der sich sehnlichst einen Zylinder-Partner wünscht, um sich mit ihm im Liegen das schwere Los der vier -Arbeitstakte zu teilen. Diesen Wunsch erfüllte BMW ihm erst mit dem Boxermotor im 600 und im 700. Letzter war ohne die Kühlschranktür von ISO bereits ein richtiges Automobil.

Doch schnell vertreibt elementare Freude an der Fortbewegung den verbissenen Kampfgeist. Dann wird Isetta Fahren zur originellen Abwechslung im Auto-Einerlei. Es ist zweifellos ein beglückendes Erfolgserlebnis, durch geschicktes Hantieren hinter dem aufklappbaren Lenkrad im Stadtverkehr mitzuschwimmen. Die Schaltpausen möglichst kurz zu halten, um keinen Schwung zu verlieren, früh zurückzuschalten und spät hoch, um den bullernden, dickköpfigen Einzelgänger bei Laune zu halten. Presst man ihn aber zu sehr aus, dann mag er nicht mehr. Schreit einen vorwurfsvoll an, ohne dass der Zeiger des Moped-Tachos auch nur ein Jota vorankommt.

Das Goggomobil TS 250 ist agiler - und eine Parodie auf erwachsene Autos

Der andere Kleinwagen aus Bayern, zeigt sich in seinem Naturell deutlich lebhafter. Vertraute Instinkte wie das Schalten mit rechts, das Rühren in bekannter, jedoch offener H-Kulisse oder das seitliche Nähern von links um einzusteigen, müssen nicht mühsam neu erlernt werden.

Die Goggomobil-Limousine, konzeptionell genauso Rollermobil wie die Isetta, parodiert geschickt die erwachsenen Automobile, versucht sie mit den Argumenten Wendigkeit, geringes Gewicht und geringe Unterhaltskosten zu schlagen. Tarnt sich dabei mit modischer Pontonform und vier Rädern, die wegen eines ausgeprägt positiven Sturzes etwas ungelenk aus dem Plattformrahmen baumeln.

Das Goggomobil wirkt wie ein verspielter Hund, der viel Auslauf braucht. Schon beim Anfahren heult der kleine Zweitakt-Twin unternehmungslustig auf. Es geht rascher vorwärts als erwartet, und die blaue Fahne im Rückspiegel signalisiert hedonistische Lebensfreude nach dem Motto: "Ich rauche gern." Das Hantieren mit dem kurzen kleinen Schalthebel, der vorwitzig aus der offenen Kulisse eines winzigen Mitteltunnels ragt, will geübt sein, das Klauen-getriebe ist auf rasche Schaltwechsel programmiert.

Entschlossenes Ziehen in die richtige Schaltebene und anschließendes schnelles Loslassen werden mit geräuschlosem Fahrstufenwechsel und guten Anschlüssen belohnt. Ergebnis ist eine erstaunlich zügige Fortbewegung. Wer sich beim Schalten zu lange Zeit lässt, verliert Schwung. Wird der höhere Gang zu zaghaft eingelegt, brechen Füllung und Drehmoment des winzigen Motorradmotors zusammen. An ders als bei der Isetta hilft dann auch kein stoisches Gasgeben.

Bitte drehen: Der Zweitakter im Goggomobil giert nach Drehzahlen

Der Zweitakter hat keine ausreichende Schwungmasse. Er will gedreht werden, lieber zu viel als zu wenig und verhungert, wenn man ihn untertourig fährt. Das Schaltgefühl im Goggomobil ist geschmeidiger als bei der Isetta, vielleicht liegt es an der Zweischeibenkupplung im Ölbad. Das Motocoupé aus München hat ja bekanntlich die Einscheiben-Trockenkupplung der BMW-Motorräder, jedoch nicht deren Kardanantrieb, sondern nach Rollermanier eine gekapselte, im Ölbad laufende Antriebskette.

Siegfried Zitzelsberger aus Pfaffenhofen bei Ingolstadt, der Besitzer der kanariengelben Limousine, ist ein Könner am Goggo-Volant. Eindrucksvoll demonstriert er auf einer kurvenreichen hügeligen Landstraße, was man aus 13,6 PS herausholen kann, wenn man sie dirigiert wie ein Maestro des Mangels, wie ein Virtuose der virtuellen Drehmomentkurve, die es bei nur 22 Newtonmeter bei 4.700 Touren eigentlich gar nicht gibt. Sogar kontrollierte Drifts sind in engen Kurven möglich, die Pendelachse unter dem Hecktriebblock lässt sich leicht provozieren. Die mehr als direkte Zahnstangenlenkung erlaubt präzise Korrekturen.

Spurbreite etwa sgrößer als H0: Die Isetta spurt hinten mit 520 mm Abstand

Trotz schmaler hinterer Spur von nur 520 mm und einer Hinterachse ohne Differenzial, spürt man bei zügiger Kurvenfahrt mit der Isetta nichts von diesen Handicaps. Die breite Vorderachse wirkt sich wohl stabilisierend aus, die Gewichtsverteilung ist ausgewogen, die an Viertel-Blattfedern aufgehängte Starrachse hinten spurkonstant. Trotz superkurzem Radstand von nur 1,50 Meter (Goggo 2,00 Meter), wirkt die Isetta unhandlicher als das Goggomobil. Vielleicht liegt es auch an der etwas eigentümlichen Spindellenkung oder der breiten vorderen Spur, dass sie das Auf-der-Stelle-Wenden des agilen Dingolfinger Zwergs nicht ganz so pirouettenhaft hinkriegt.

Andererseits sammelt der satte Sound des Einzylinder-Viertakters Pluspunkte. Der Goggo-Twin ist dagegen eine zornige Heulsuse, die als Belohnung ihrer temperamentvollen Sangeskünste nach Zweitakt-Gemisch 1:25 verlangt.

Goggomobil und Isetta wurden vor 55 Jahren aus der Not geboren

Motorradmüde Kraftfahrer wollten ein Dach über dem Kopf, zum Preis und den Unterhaltskosten einer Horex Regina oder einer BMW R 50. BMW, geschwächt vom zähen Verkauf und den hohen Produktionskosten der großen Sechs- und Achtzylinder-Barockengel, griff hoffnungsvoll nach der ISO-Lizenz und verfeinerte das Konzept, so weit es ging.

Der Motorradmotor lag im Regal, und die Karosserie bekam ab dem Modelljahr 1957 jenen Feinschliff und jene stilistische Ausgewogenheit, welche die selbstbewusste Bezeichnung "Motocoupé" rechtfertigte. Außerdem erhielt die Isetta mit dem BMW 600 einen erwachsenen Ableger.

Der improvisiert anmutende Verzicht aufs Differenzial wich einem konstruktiven Meilenstein. Die Schräglenker-Hinterachse machte im BMW 600 Furore und begründete den Vorsprung an Fahrsicherheit gegenüber dem Erzrivalen Mercedes-Benz. 

Die BMW Isetta ist Liebhaberobjekt, das Goggomobil darf sich erfolgreichster Kleinwagen nennen

Heute ist die Isetta als Liebhaberstück fest etabliert. Sie avancierte zum Kultmobil und verlor damit das Stigma eines Image mordenden Arme-Leute-Vehikels. Anders das Goggomobil. Es wurde zum Symbol des Aufstiegs der Isaria Landmaschinenfabrik von Hans Glas zum Automobilhersteller. Trotz bescheiden anmutender Konstruktion beeindruckte das Goggo durch Gebrauchstüchtigkeit und Zähigkeit. Geschickt der Schachzug des Firmenpatriarchen, der frugalen Limousine ein elegantes, kleines Coupé mit modischen Heckflossen und Panoramascheibe zur Seite zu stellen. Heute würde man wohl Design-Edition dazu sagen. Mit dem Vorwählgetriebe Selectromat und besserer Ausstattung ließ sich auch der rund 700 Mark höhere Kaufpreis rechtfertigen.

Die hohe Stückzahl von insgesamt 277.041 Exemplaren und die lange Bauzeit sogar noch unter BMW-Regie bis 1969 machten das Goggo zum erfolgreichsten Kleinstwagen und zum Liebling der Führerschein-Klasse-IV-Inhaber. Das einst belächelte "Prüfungsangst-Auto" verlangt mehr fahrerisches Geschick als VW Käfer oder Opel Rekord.

Sein Verkaufserfolg ermöglichte Glas die Ausweitung der Modellpalette mit den hübschen GT-Coupés, der 1700 Limousine bis hin zum faszinierenden Gran Turismo Glas 2600 V8, der seine Krönung noch mit dem BMW-Glas 3000 V8 erfuhr. "Glas-Automobile nunmehr von 13,6 bis 160 PS", hieß es 1968 in der Werbung.

Schon das Goggomobil ist ein richtiges Auto mit zwei Türen, vier Rädern, einem Differenzial und Motorhaube.