BMW M5 und Mercedes-Benz E 500 im Fahrbericht

Brachiale Sportlimousinen für Familienväter

Alles nur Tarnung? Entfesselte Mittelklasse, viertürige Sportwagen, über 300 PS im Straßenanzug: BMW M5 und Mercedes E 500 verblüffen selbst Kenner. Und sie wecken geheime Wünsche von Familienvätern. Plötzlich sind E 320 oder 535i nicht mehr gut genug. Darf es noch viel mehr sein?

BMW M5, Mercedes-Benz E 500, Frontansicht Foto: Arturo Rivas 25 Bilder

Wenn man drin sitzt, merkt man beim Mercedes E 500 nichts. Anders der BMW M5, der outet sich schon über den Drehzahlmesser. Roter Bereich ab 7.000/min, das kann kein 520i sein, auch dann nicht, wenn das beliebteste Extra, der M-Schaltknauf, beim Lageristen des lokalen BMW-Dealers geordert wurde.

Leder, Sportsitze, großer Bordcomputer, das alles gab die Aufpreisliste selbst für den BMW 518 her. Aber Moment, da ist noch was, etwas ganz Unauffälliges, das es nur beim M5 gibt. Die Nähte des Airbag-Lederlenkrads sind in den M-Farben Blau und Rot gestichelt. Und der Schalter EDC, der rechts vom Lenkrad verdeckt wird. Electronic Dynamic Control, das gab es 1992 nur für den Königs-5er mit M-Power-gekröntem Doppelnockenwellen-Sechszylinder.

Mercedes mit funktionellem Taxi-Look

Hinter dem Lenkrad eines Mercedes E 500 ahnt man nur, dass dies kein spießiger 230 E ist. Zunächst dominiert der funktionelle Taxi-Look. Alles ist wie immer an seinem Platz, warmes Coming-Home-Gefühl, orangene Zeiger auf schwarzem Grund. Lederbezogene Sportsitze trägt gegen Aufpreis absurderweise sogar ein 200 D, wenn es dem Neuwagenkäufer einst gefiel. Okay, der eng skalierte Tacho bis 260 km/h lässt aufhorchen, jetzt haben wir ihn endlich entlarvt, den E 500, nachdem wir mit verbundenen Augen eingestiegen sind.

Doch mit dem Tacho prahlt bereits ein im Vergleich zum Mercedes E 500 halbstarker 300 E-24, obwohl der gerade mal 235 km/h schafft, mit Fünfgang-Schaltgetriebe versteht sich. Einen roten Bereich im Drehzahlmesser, der schon bei 6.000/min beginnt, leistet sich bereits ein 200 Vergaser, wenn er denn als Extra für 262,20 Mark geordert wurde. Die Mittelkonsole füllen Ausstattungsfanatiker bei einem nur 113 PS starken 300 D 4-Matic genauso randvoll mit Schaltern auf. Ebenso deutet das verräterische Fenster für die Funktionsleuchte des automatischen Sperrdifferenzials ASD nicht zwangsläufig auf einen besonders leistungsfähigen W 124 hin. Für 2156,25 Mark verhilft es sogar einem Bauerndiesel in Arcticweiß, Stoff Dattel und natürlich ohne Colorglas, zu mehr Traktion auf schlammigen Feldwegen.

Dicke Backen beim Mercedes E 500

Aber die kleine unauffällige Taste mit dem Reifensymbol da rechts oben, neben dem Schalter für die Fondleuchte, die ist es. Die entlarvt ihn als leistungsstarken Achtzylinder. Antriebs-Schlupfregelung bleibt ihr Privileg, gegen Aufpreis beim 400er, Serie beim Mercedes 500 E. Sie toppt das ASD, mit dem Reifensymbol schaltet man sie ab. Reagiert sie, leuchtet das Warndreieck im Tacho.

Ein Mercedes E 500 Limited outet sich innen rasch. Spätestens wenn der Blick auf das onyxfarbene Vogelaugenahorn in der Mittelkonsole oder auf das colorierte Leder der Sportsitze fällt, wahlweise in Rot, Grün oder Grau wie das Lenkrad.

Mercedes macht auf Muskeln, BMW auf Understatement

Draußen outet sich das Topmodell des 2,7 Millionen Mal gebauten Mittelklasse-Mercedes sofort, gerade beim E 500 Limited wich gepflegtes Understatement einem starken Auftritt.

Da sehnt man sich plötzlich nach der ergreifenden Schlichtheit eines BMW M5, der extravagant daytonaviolett in natürlicher Schönheit glänzt. Anders als ein E 500 hat ein M5 beim Schönheitschirurgen nicht viel machen lassen. Gut, der Spoiler entschlossener im Ausdruck als beim 525i, die aus dem Vollen gefrästen Schmiederäder vom Supercar-Boliden 850 CSi geliehen, eine M5-Anstecknadel im Grill – fertig ist der Tarnanzug für die feurige Limousine mit dem legendären M1-Renntriebwerk.

Der Mercedes E 500 Limited treibt es optisch viel greller. Ironischerweise übernimmt der Mercedes die Rolle, die BMW früher immer spielte, die des jungen Wilden auf dem schmalen Grat zwischen sportlich und aufdringlich. Die Sonderlackierung Saphirschwarz mit glamourösem dunkelblauem Schimmer auf den Lichtkanten hat ebenso halbseidenen V.I.P.-Charakter wie die sechs- statt normalerweise viersprossige Kühlermaske, die vom W 140-Zwölfzylinder S 600 stammt.

Nach vier Jahren war Schluss mit dem stärksten W124

Der Limited setzt nach nur vier Jahren, aber immerhin 10.479 Exemplaren den illustren Schlussstrich unter das anfangs gewagte Experiment Mercedes 500 E. Der Porsche-Entwicklungsauftrag wurde in Stuttgart-Zuffenhausen auch zwecks besserer Auslastung gebaut. Die Autos entstanden in liebevoller Manufakturarbeit, nachdem die fertig lackierten Rohkarosserien aus Sindelfingen, und Motoren, Getriebe und Achsen aus Stuttgart-Untertürkheim geliefert wurden.

Weiße Blinker machen die ohnehin riesigen Scheinwerfer des W 124 optisch noch größer. Statt Nebelleuchten wohnen, exklusiv beim 500er, grelle Fernscheinwerfer nebenan. Das Nebellicht wanderte nach unten in den Frontspoiler, dort wird es mit einer Sammellinse in der Streuscheibe gebündelt. Breit ausgestellte Kotflügel und ein um 23 Millimeter tiefer gelegtes Fahrwerk verleihen dem ursprünglich dezenten Karosserieentwurf das Bullige einer Lokomotive. Keine Frage, Überholprestige genießt ein Mercedes E 500 auch heute noch reichlich. 

Unser saphirschwarzer Limited verzichtete obendrein auf die Allerwelts-Achtlochfelgen, mit denen sich schon ein milder E 200 Sportline gleich viel draufgängerischer fühlt. Nein, geschmiedete Sechsstern-EVO-II-Räder müssen es sein – die vom brachial beflügelten Mercedes 190 E 2.5-16 Evolution II. Er ist quasi der jüngere Bruder des E 500 Limited, fürwahr ein Bruder im Geiste, auch extrem, auch er ein Vierventiler mit zwei obenliegenden Nockenwellen. Doch mit hochgezüchteten 235 PS bei 7.200/min aus einem effizienten Vierzylinder von ganz anderem Naturell. Wild, spitz, atemlos, von null auf Landstraßentempo nur eine Nuance langsamer als das saphirschwarze Dickschiff. 

Der BMW M5 gibt den stillen Star

Der BMW M5 nimmt sich dagegen nicht so furchtbar wichtig, er gibt den stillen Star. Noch ist er in der Youngtimerszene ein Geheimtipp, während alle Welt vom 500 E oder E 500 raunt. Ohne die Wert steigernden Porsche-Gene kostet er heute selbst in der optimierten 3,8-Liter-Version nur wenig mehr als die Hälfte eines vom Zustand her vergleichbaren Mercedes E 500. Dabei genießt auch ein M5 gepflegten Manufakturstatus. Er wurde bei der Motorsport GmbH in Garching in behüteter Kleinserie gebaut, nur die Rohkarosserie entstand in der großen 5er-Legebatterie in Dingolfing.

Die nun 20 PS Mehrleistung gegenüber dem E 500 waren für die BMW M-Ingenieure unter Leitung von Thomas Ammerschläger eine Frage der Ehre. Schließlich sollte die letzte Ausbaustufe des legendären M1-Vierventilmotors mit sechs Einzeldrosselklappen und Resonanzaufladung im Saugrohr auch in einem seriös designten Viertürer zünden. Der erste BMW M5 mit 3,6 Liter Hubraum und 315 PS gab sich im Alltagsbetrieb zwar extrem handzahm, man konnte ruckfrei im fünften Gang ab 1.500/min beschleunigen.

BMW M5: brachiale Leistungsentfaltung im kultivierten Auto

Doch die brachiale Leistungsentfaltunng des hochgezüchteten Doppelnockenwellen-Sechszylinders im BMW M5 setzte erst ab 3.500/min ein, zuvor verläuft die Drehmomentkurve zu spitz. Der 3,8-Liter begeistert. Er ist ein wahrer Alleskönner, sein Klangspektrum reicht von mildem Säuseln bis zum hochfrequenten Trompeten, sein lineares Hochdrehen aus dem Drehzahlkeller fasziniert. Ein Saugmotor vom Feinsten, dazu auch noch vorbildlich abgasentgiftet und relativ sparsam. 12 Liter sind drin, ohne dass man sich quält. Motorsport hat also doch seinen tieferen Sinn, denkt man sich hinter dem M-Lenkrad, wenn er solch hinreißende Verbrennungsmotoren hervorbringt, ganz ohne die Drehmoment-Prothese Turbolader.

So kultiviert wie der Motor ist das ganze Auto. Der 1.700 Kilo schwere BMW M5 liegt satt auf der Straße, 25 mm Tieferlegung bei dezent sportlicher Fahrwerksabstimmung haben noch sehr viel Fahrkomfort übrig gelassen, die Dämpferhärte lässt sich vom Fahrer in drei Stufen verstellen. In sehr schnellen Kurven verhält sich der M5 neutral, erst spät schwenkt er leicht mit dem Heck nach außen, stets gut kontrollierbar. 

Die Bremsen wirken bei normaler Fahrweise giftig, man spürt, dass sie enorme Reserven haben. Das später optionale Sechsganggetriebe ist beim BMW M5 gar nicht nötig. Stets ist Kraft im Überfluss da, ab 2.000/min ersetzt das Gaspedal den Schalthebel, zügig stürmt der Wagen auch im dritten und vierten Gang nach vorn. Dabei scharrt er stets mit den Hufen. Ungern gibt der M5 den lässig bewegten 525i, entspanntes Cruisen ist zwar möglich, verlangt aber selbst von einem ruhigen Fahrer eine Portion Disziplin.

Mercedes E 500: Außen laut, innen luxuriös

Ganz anders der Mercedes E 500 Limited. Sobald die Fahrertür satt ins Schloss fällt, ist der laute Auftritt vergessen. Er könnte die bessere S-Klasse sein, alles wirkt ungeheuer solide, satt und wertvoll. Nach dem Start bleibt der Achtzylinder unhörbar, die Viergangautomatik schaltet weich, beinahe zärtlich zieht sie am üppigen Fünfliter aus Leichtmetall. Eine trotz hohen Bauaufwands – die Steuerung der 32 Ventile funktioniert genauso wie beim BMW-Triebwerk -, für die Großserie konfektionierte Maschine, die vom Drehmoment und nicht von der Drehzahl lebt und bestens in den 500 SEC passt.

Je nach Tagesform kann der Fahrer auch den Mercedes 230 E in ihm zum Klingen bringen, sanftes Gleiten mit Tempo 120 bei 3.000 Touren macht durchaus Vergnügen, nur dann braucht er weniger als 13 Liter.

Räubern auf Landstraßen geht auch. Mit Sportprogramm und auf Wählhebelstellung 3 dreht der Achtzylinder fauchend in respektable Höhen. Laut wird der Mercedes E 500 nie, bestensfalls energisch. Schnelle Kurven nimmt er gelassen, der ausgewogene, auch bei Langsamfahrt erstaunliche Fahrkomfort lässt sich selbst von den extremen Breitreifen nicht vergraulen. 

Legitimer Nachfolger des 300 SEL 6.9

Der Mercedes E 500, übrigens war unser mit Extras hoch dekoriertes Limited-Exemplar der Dienstwagen des einstigen Mercedes-Vorstands Jürgen Hubbert, ist der legitime Nachfolger des 300 SEL 6.3. Ein Auto eben für alle Fälle: temperamentvoll, lässig, komfortabel und sogar geräumig. Der Mercedes E 500 ist trotz aller Exaltiertheit der colorierten Ledersitze und des manierierten Vogelaugenahorns ein Held des Alltags. Er gibt einem selbst bei strömendem Regen die Geborgenheit eines 300er Diesel.

Den lebensfrohen BMW M5 holt man nur dann aus der Garage, wenn man sich gut fühlt, die Sonne scheint und die Straße trocken ist. Es darf auch ein 3,6-Liter sein, der ist billiger und noch dezenter. Dessen schüchterne Alu-Räder sehen aus wie die Plastikradkappen an einem 520i.

 

Über 300 PS wird die Luft dünn

Im Leistungswettlauf sportlicher Limousinen und reisetauglicher Sportwagen haben die deutschen Hersteller BMW, Mercedes-Benz und Porsche traditionell die Nase vorn. In der Gran-Turismo-Klasse der 90er Jahre punkten vor allem die beiden V12 BMW 850 CSi mit 381 PS und Mercedes 600 SL mit 394 PS, es folgt der Porsche 928 GTS mit 350 PS.

Audis böser Avant RS 2 holt aus den knappen 2,2 Litern des 20V-Fünfzylinders immense 315 PS. Jaguar lancierte 1994 auf Basis des X 300 eine eindrucksvolle Kompressor-Limousine mit 320 PS. Doch der stärkste Frontmotor-Bolide der Neunziger bleibt der Ferrari 456 GT mit 440 PS. Er verweist damit seinen Rivalen Maserati 3200 GT mit „nur“ 370 PS auf die Plätze.