BMW M635 CSi, Ferrari 412 und Porsche 928 S

Dynamisches Gran Turismo-Trio

Klar, ein 286 PS starker BMW M3 hätte dieses Gran Turismo-Trio aus BMW M635 CSi, Ferrari 412 und Porsche 928 S voll im Würgegriff. Doch Eleganz und Ambiente sind nicht nur eine Frage schierer Kraft.

BMW M 635 CSi Typ E 24, Ferrari 412, Porsche 928 S Foto: Frank Herzog 30 Bilder

Der Reiz liegt auch im Preis. Neben mitreißender Dynamik und raffiniertem Design ist die relative Erschwinglichkeit die dritte philosophische Dimension unseres Gran-Tourisme-Trios mit sechs, acht und zwölf Zylindern.

Ungleiches Trio mit gleichem Ansatz: Sportliches Reisen

Der BMW M 635 CSi holte den legendären Vierventil-Sechszylinder aus dem M1 erstmals hinter die böse blickenden Doppelscheinwerfer des zuvor harmlosen Sechser-Coupés. Notwendiges Neuland betrat 1977 der technisch wie stilistisch geradezu terroristische Porsche-Pionier 928 mit Frontmotor-V8 und Transaxle-Antrieb. Der Ferrari 412, handgemachtes Manufaktur-Erzeugnis der wahrhaft hochadligen Colombo-Zwölfzylinder-Linie, thront in Nimbus und Exklusivität weit über den beiden deutschen Großserien-GT. Allen gemeinsam ist, dass sie, einst 90.000 bis 180.000 Mark teuer, in ihrem zweiten Leben als charismatische Youngtimer in die finanzielle Reichweite mittlerer Karrieren rücken.

So um die 50, Kinder aus dem eigenen Haus, beruflich etabliert – in solch entspanntem Umfeld reifen Wünsche nach faszinierenden Autos. Ein Ferrari 400 GT mit Automatik, hochgezüchtetes Zwölfzylinder-Sechsvergaser-Vollblut unter den Gran Tourisme, kostet ohne allzu großen Wartungsstau um die 30.000 Euro, etwas mehr als ein sehr, sehr guter BMW M 635 CSi unter 100.000 Kilometer, der in gepflegtem Zustand bei rund 23.000 Euro notiert.

Porsche zum Discount-Preis

Zugegeben, unser Kandidat, der gereifte, graumelierte, späte Ferrari 412 mit ABS und perfektionistischer Einspritztechnik, ist unter 50.000 Euro nicht zu haben. Mit Ferrari-eigenem, aber etwas störrischem Fünfganggetriebe, wohlgemerkt. Ausgerechnet ein Porsche gibt in diesem Trio den Discounter, ein Porsche 928 S mit 300 oder 310 PS, ob vor oder nach 1983 gebaut, mit K- oder LH-Jetronic, reell gewartet und garagenbehütet, schon für knapp über 15.000 Euro zu haben.

Das Angebot ist groß, die Nachfrage wächst. Der Schatten des Elfers fällt längst nicht mehr so lang auf den Porsche 928, endlich hat man den radikalen Avantgarde-V8 verstanden, seine lässige Cruiser-Philosophie vom entspannten Ankommen nach Dauertempo 180 ohne virtuose Korrekturkünste am Volant. Ein Porsche, der stoisch seine Autobahn zieht, auch durch die Jahrzehnte. Sein futuristisches Design trotzt der Zeit ebenso wie seine feuerverzinkte Karosserie mit ihren dünnen Aluminiumhäuten auf Türen und Hauben. Nur die Angst vor horrenden Folgekosten mitten im Reparaturstau leerer Wartungsheftseiten legt sich mitunter düster über die Freude am 928. Aber sie ist oft unbegründet. Vielmehr hält sie die 928- Preise schön bedeckt im Parterre des Porsche-Elfenbeinturms.

Der Reihensechser des BMW M1 ist ein Gedicht

Folgekosten und Wartungsstau heißen auch die apokalyptischen Reiter von BMW M 635 CSi und erst recht vom Ferrari 412. Derart aufwendig gebaute Hochleistungsautomobile fordern selbst im Alters- Schongang vorsichtig angewärmter Öltemperaturen und subtil herangetasteter 5.000er-Höchstdrehzahlen ihren Tribut.

Der Doppelnockenwellen-Vierventil-Sechszylinder aus dem M1, der übrigens bereits als M49 im Batmobile Renn-Coupé 3.0 CSL von 1974 debütierte, wurde für den Einsatz im M 635 CSi trotz milder Mehrleistung von 9 PS leicht gezähmt: Statt der mechanischen Kugelfischer-Einspritzung kommt eine moderne Bosch Motronic zum Einsatz, die Zündung und Gemischaufbereitung zugleich optimal managt. Auch die Trockensumpfschmierung, beim 490 PS starken Renn-M1 bei Drehzahlen jenseits von 8.500/min wegen schäumenden Öls noch bitter nötig, konnte beim zivilen M6 locker entfallen.

Schön, dass dieser König der Saugmotoren mit seinen appetitlich angerichteten Einzeldrossenklappen, seinem schrumpflackierten Zylinderkopf mit gefräster „M Power“- Signatur in den Motorräumen des BMW-Großserienwagen M 635 CSi und in zwei M5-Generationen bis 1995 ein neues Zuhause gefunden hat. Zuletzt mit 340 PS bei 6.900/min, aber immer noch auf dem alten 68er-Sechszylinder-Gussblock mit extremem Potenzial basierend, mit dem die Bayern sich wieder in die Oberklasse zurückmeldeten.

Ferrari-V12 nach Colombo-Machart

Der BMW M-Motor liegt konstruktiv auf Ferrari-Niveau, er ist quasi die fiktive Hälfte vom Zwölfzylinder. Parallelen sind die ausgeprägte Kurzhub-Charakteristik, die optimierte, halbkugelige Brennraumform und zwei obenliegende Nockenwellen, welche die Ventile über Tassenstößel direkt betätigen. Nur setzt Ferrari auf einen Leichtmetallblock mit nassen Zylinderlaufbuchsen. Vier Nockenwellen hat die epochale Konstruktion von Gioacchino Colombo erst seit dem Ferrari 365 GTB4 Daytona von 1968, vier Ventile pro Zylinder gab es erst beim 412-Nachfolger 456.

Sportwagen dieses Kalibers leben vom Motor, das beweist vor allem klanglich eindrucksvoll der 4,7-Liter-V8 im grandprixweißen 928 S. Auch in der frühen Variante mit nur 300 PS zeigt er den Fortschritt zum phlegmatischen Ur-928-Normalbenziner. Endlich greift die hoffnungsvolle Konstruktion nach ihrem Talent, obwohl der wassergekühlte Porsche-Leichtmetall-V8, im Vergleich zu den Brandstiftern von BMW und Ferrari, ein rechter schwäbischer Biedermann ohne Rennsport-Stammbaum ist.

Der Porsche-V8 versinkt in seinen Nebenaggregaten

Dank speziell beschichteter Zylinderlaufbahnen kommt der Porsche-V8 wie die Mercedes- Alu-V8 ohne Laufbuchsen aus. In seinem Aufbau mit parallel angeordneten Ventilen und insgesamt nur zwei auch noch zahnriemengetriebenen Nockenwellen zeigt er sich wenig brillant, aber dank hydraulischer Tassenstößel zumindest in einem Punkt recht wartungsfreundlich.

Unter der schmalen, langen Alu-Motorhaube versteckt er sich geradezu, versinkt in Nebenaggregaten. Lediglich das Sammelrohr-Eightpack der K-Jetronic markiert das prachtvolle Geweih des einstigen Platzhirschs von Porsche. Spätestens beim Fahren wird deutlich, dass der Porsche mit dem hubraummäßig gut eingeschenkten ungeschliffenen Standard- V8 gut bei der Musik ist. Bärenstark sein Antritt aus dem Drehzahlkeller, wunderbar die Abstufung der für verwinkelte Transaxle-Verhältnisse erstaunlich exakt schaltbaren fünf Gänge (der Erste – wie es sich gehört – in sportlicher Lage links hinten). Über 4.500/min packt er noch einmal gierig zu. Er zeigt, dass 300 PS kein leichtsinniges Versprechen sind und bringt die beiden Konkurrenten auf der bis zum Horizont reichenden Startbahn in große Bedrängnis.

Dabei klingt er so betörend gut, so bassig-düster, so bluesig-finster, obenraus so lustvoll heiser brüllend, dass selbst die virtuosen Brillant-Motoriker BMW M 635 CSi und Ferrari 412 Mühe haben, stimmlich mitzuhalten. Vor allem der großformatige Ferrari klingt, normal bewegt, erstaunlich sanft. In diesem unaufgeregten Klangbild, das sich erst über 4.000/min zum erwartenden Zwölfzylinder-Furioso steigert, spiegelt sich seine Zurückhaltung wie schon zuvor in seiner schlichten Form und seinem gediegenen Connolly-Clubsessel-Ambiente.

Ferrari-Interieur erinnert an einen Business-Jet

Hätte er nicht diesen wunderbaren Zwölfzylinder, dieses ultimative Verbrennungsmotor- Vermächtnis unter der langen Haube, er könnte einen Rolls-Royce Camargue oder gar einen Bristol, der auch noch 412 heißt, mimen. Sein schwarzes Interieur riecht wie ein Schuhsalon, die breite, sanft geschwungene Mittelkonsole erinnert an einen Business-Jet. Ähnlich wie ein Jensen Interceptor vermittelt ein Ferrari der 400er-Reihe hohes Understatement mit dem luxuriösen Vollwertgefühl des schweren Wagens.

Spielerisches Handling ist nicht die Stärke des knapp zwei Tonnen schweren Wagens, trotz behänder Doppelquerlenker- Hinterachse und präziser ZF-Servolenkung kämpft er in schnell gefahrenen Kurven deutlich untersteuernd mit seinen beiden Handicaps Gewicht und Größe. Wer sportlich fahren will, soll gefälligst einen Testarossa wählen. Dafür erfreut der 412 mit gediegenem Komfort und entschädigt den Mann hinter dem zu flachen Lenkrad mit einer Disziplin, die er selbst inmitten dieses ausgeschlafenen Trios so gut beherrscht wie kein anderer.

Geradezu beiläufig beschleunigt er ab 1.500/min im fünften Gang unaufhaltsam und eindrucksvoll ohne jede Schaltpause bis in die nächste Bewusstseinssphäre über 200 km/h. Eine lässige Übung, die der große GT sich aus dem Labyrinth seiner Fächerkrümmer schüttelt.

Der 6er-BMW ist der dynamische Newcomer aus der Mittelschicht

Gefühlt ist der BMW M 635 CSi der Gegenentwurf zum silbernen Ferrari 412, ein dynamischer Newcomer aus der Mittelschicht. Der Großserien-Fünfer stiftete schließlich die Basis, sehr talentiert, sehr sportlich – dennoch mit Manieren. Auch sein Stil gefällt, das Interieur ist hinreichend luxuriös. Der Sechser hat ein ausdrucksstarkes hübsches Gesicht, gibt sich in Details feminin verspielt, ist von lichtem Aufbau.

Die zierlichen Linien von Paul Bracq kommen weit eleganter rüber als der skulpturhafte Monolith namens 928, für den Zierleisten und Stoßstangen reaktionäre Relikte sind. Designer Anatole Lapine hat für den Pacer GT vieles über Bord geworfen, er parodiert förmlich das Thema Klappscheinwerfer. Der Königs-Sechser zelebriert die für BMW typischen Tugenden feinen ausgewogenen Handlings, ohne das süße Laster zarten Übersteuerns aufgegeben zu haben.

Der Schüchterne, der Cosmopolit oder die laszive Rubens-Figur?

Seine stete Überschussleistung macht es herrlich leicht, nette kleine Drifts zu inszenieren, die sich beim würdevollen Ferrari schon aus Anstand verbieten und beim stoisch neutralen Porsche deutlich mehr Anstrengung kosten. Dessen Weissacher Multilink-Hinterachse ist als Antithese zu den Elfer-Heckschleudern mindestens so auf Neutralität getrimmt wie die Gewichtsverteilung mit dem hinten am Differenzial angeflanschten Getriebe.

Der BMW wirkt trotz Breitreifen und eindrucksvollem Frontspoiler eher schüchtern. Der Betrachter zuckt fast ein wenig zusammen, wenn sich die Motorhaube öffnet und ihn der giftig-brachiale M-Motor anspringt wie eine Königskobra.

Der Porsche mit seiner Rubens-Figur verführt mit laszivem Klang. Er hat etwas Animalisches, dem man schwer widerstehen kann. Und der kühle, edle Ferrari ist ein intellektueller Cosmopolit, der früher einmal Rennen gefahren ist. Daran erinnert er sich lebhaft, wenn die Nadel des Drehzahlmessers zügig den Halbkreis überschreitet.