BMW V8 3200 Super Autenrieth

Das gibt's nur einmal - viertüriges BMW-Cabrio

Der BMW V8 3200 Super Autenrieth, ein viertürige BMW-Cabriolet auf Basis des Typs 502, entstand 1959/60 bei Autenrieth in Darmstadt und gehörte damals zu den drei teuersten Autos - neben BMW 507 und Mercedes-Benz 300 SL. Motor Klassik probierte das Einzelstück am Gaisberg nahe Salzburg aus. 

BMWV8 3200 Super Autenrieth Foto: Oliver Rieger 18 Bilder

Nur eine Hand voll von Klassikern erlaubt es, ähnlich genussreich zu parken wie zu fahren. Der in einem tiefen, fast schon braunen Dunkelrot lackierte BMW mit der einmaligen Karosserie gehört definitiv dazu. Herrlich, wie er selbst Experten ins Grübeln bringt.

Absolutes Einzelstück im Auftrag eines Hamburger Anwalts

"Ein viertüriges Cabrio mit sechs Sitzplätzen? Und geraden Seitenwänden? Von BMW? Ja, was ist denn das?" fragt beim Abstellen des Autos oben am Gaisberg ein Spaziergänger, den das aufgestickte Firmenlogo am dunkelblauen Anorak als bekennenden Liebhaber der Münchener Marke ausweist. Der Besitzer klärt ihn auf: "Das ist ein 502 in Super-Ausführung, also mit 3,2-Liter-V8-Motor und zwei Vergasern für 140 PS bei 4.800/min. Den hat ein Hamburger Rechtsanwalt 1959 mit einer viertürigen Cabrio-Karosserie bei Autenrieth in Darmstadt bestellt und am 25. Februar 1960 zugelassen. Es ist ein absolutes Einzelstück, nur einmal gebaut und lückenlos dokumentiert." So weit die nüchternen Fakten.

Mit allem ernsthaften deutschen Luxus der Fünfziger Jahre bittet uns der BMW auf die vordere Sitzbank. Um sie voll nutzen zu können, ist die Schaltung einst nach oben ans Lenkrad gewandert, dem H-Schema aber treu geblieben. Schalten kein Problem, nur der Rückwärtsgang sträubt sich beim ganz nach vorne Ziehen ein bisschen. Entstanden sind nach USVorbild neben dem Fahrer noch zwei Sitzplätze - so lange die mittlere Armlehne eingeklappt bleibt.

Problemlos springt der V8 an, der Choke-Knopf wandert schon nach ein paar Sekunden wieder in die Ausgangsposition, weich schmiegt sich die Reibscheibe der Kupplung in die Schwungscheibe, und mit dem gloriosen Auftritt einer sportlichen Majestät gleitet der BMW souverän bergan. Zweiter Gang, dann der dritte... wo, bitte, bleibt der Berg? Der V8 jongliert seine 1.550 Kilogramm Leergewicht plus vollem Tank und zwei Passagieren leichtfüßig in den wolkenlos blauen Himmel über Salzburg. Das ist das große Kino der späten Fünfziger bis hinein in die Swinging Sixties - irgendwie mutet es seltsam an, dass hinter der nächsten Kehre nicht Marika Rökk auf uns wartet, mit strahlendem Lächeln und steil in die milde Luft gestrecktem Tanzbein.

Georg Autenrieth gründet 1912 die Karosseriewerke Weinsberg

Die Lenkkräfte halten sich in Grenzen, die serienmäßigen Tommelbremsen - Scheiben gab es nur als Sonderausstattung - bleiben beim Verzögern manierlich in der Spur. Bianca genießt den Tag im Autenrieth. Sie erlebt die Ausfahrt genau in dem Sinn, für den das Cabriolet einst gebaut wurde. In Rechtskurven rutscht sie auf den grauen Lederpolstern mit einem kleinen gequiekten "Huch!" automatisch in Richtung des Fahrers; in Linkskurven stützt sie die Tür, mit einem problemlos zuhaltenden Schloss.

Der verwindungssteife Rechteck-Rahmen des 502 wurde auch bei Autenrieth mit der Karosserie verschweißt; an Torsionsfestigkeit scheint es dem BMW nicht zu fehlen. Klappern, Knarren oder Schließschwächen sind dem Unikat offenbar so fremd wie ein Papua auf der Wies'n. Dieses Spüren von Qualität lenkt den Blick nach Darmstadt, auf das einstige Gelände der Karosseriewerke. Georg Autenrieth wird 1881 im schwäbischen Gerhausen geboren. 1895 absolviert er eine Lehre als Stellmacher: Karosseriebau für die ausgehende Kutschen-Ära. Ab 1905 arbeitet er für NSU in Neckarsulm - und gründet 1912 zusammen mit Franz Eisenlohr die Karosseriewerke Weinsberg. Großaufträge für NSU und später auch für Fiat folgen. Ab 1918 geht Autenrieth jedoch neue Wege und gründet eine eigene Karosseriebau-Firma. Erste Kunden sind NSU und Daimler. 1922 siedelt der ge- lernte Stellmacher nach Darmstadt um. Der Firmenname: "Erste Darmstädter Karosseriewerke Georg Autenrieth".

Autenrieth-502 - einst so teuer wie BMW 507 und Mercedes-Benz 300 SL

Interessant wie die Autenrieth-Geschichte ist auch das Lebensschicksal des hier vorgestellten BMW-502-Cabrios. In Auftrag gegeben von einem Hamburger Rechtsanwalt namens Walter Hoepffner, ging der einmalige BMW am 1. Juli 1966 in den Besitz des Automechanikers Michael Jungnickel über. Dann versandet die Spur - allerdings nur bis 1968. In jenem Jahr, das Begriff einer Generation geworden ist samt Apo und Studenten-Bewegung, trifft der schon arg mitgenommene BMW auf den jungen Automobil-Historiker Erik Eckermann. Der erfährt: "Das 3,2-Liter-Super-Chassis bekam auf Wunsch eine Sonderkarosserie. Ergebnis: vier Türen in einer Ponton-Karosserie, ein viertüriger 503 sozusagen." Der einmalige BMW bewegte sich damals in den Preisregionen von BMW 507 und Mercedes-Benz 300 SL; er zählte seinerzeit mit einem Gesamtpreis von mehr als 31.000 Mark zu den drei teuersten deutschen Fahrzeugen.


Nur im Paket abzugeben - inklusive Sportflugzeuge

Und wie kam sein heutiger Besitzer an das Schmuckstück? Der Salzburger entdeckte die Rarität vor mehr als zwei Jahren bei einem Steuerberater, der mit dem Motor-Hobby quitt war. Dessen Bedingung: Den Autenrieth gibt's nur, wenn der Rest der Sammlung gleich mit entsorgt wird. "Klar", sagt Peter Wiesner, "machen wir". Die Hoffnung, es handle sich um weitere automobile Raritäten, trägt nur zur Hälfte. Im Paket erwirbt Wiesner immerhin ein BMW 327 Cabriolet, dazu einen Ferrari Mondial Spider sowie - eine Piper Tomahawk. Hochfliegende Träume fliegen eben manchmal hoch. Wiener will sich von dem Unikat wieder trennen - für ein Gebot, das im Bereich sehr guter BMW 507 oder Mercedes-Benz 300 SL liegt. Eher ungerührt nimmt das Bianca zur Kenntnis. Sie genießt den Fahrtwind: Der macht aus ihrem blonden, langen Haar einen wirbelnden Reflex aus Sonnensturm und reifem Weizenfeld. Bei der nächsten Boutique werden wir halten und nach einem neuen Kleid für Bianca Ausschau halten. Weiße Seide soll es ein, mit großen dunkelroten Punkten. Wahrscheinlich hat Rechtsanwalt Hoepffner schon 1960 genau davon geträumt.