Citroën CX 25

Schimanskis Einsatzwagen

Schauspieler Götz George ist am 19. Juni 2016 im Alter von 77 Jahren gestorben. Wenn er als Kriminal-Hauptkommissar Horst Schimanski ein Auto durch den Pott fliegen ließ, dann am liebsten sein eigenes – den Citroën CX Turbo 2. Wir haben den Tatort Duisburg erkundet – mit Jacke, Schnauzer und CX.

Foto: Mutschler, Hardy 12 Bilder

Langsam wird er zu alt für diesen ganzen Mist. Ständig durch Duisburg hetzen, von einem Tatort zum anderen, sich die Nächte um die Ohren schlagen. Bei jedem Wetter, zu jeder Zeit raus auf die Straße müssen – und nie kümmert sich wirklich jemand um ihn. Aber der Citroën CX 25 GTI Turbo 2 Kat kann Schimanski doch nicht im Stich lassen.

Er ist ein Markenzeichen des Duisburger Tatort- Kommissars – wie der Schnauzer, die sandfarbene Feldjacke M 65 von Alpha Industries und die Cowboystiefel.

Schmuddel-Bulle aus’m Pott fährt französische Eleganz

Der damals 43-jährige Götz George übernimmt 1981 als Kommissar Horst Schimanski das Revier von Hansjörg Felmy. Felmy spielte den distinguierten Essener Tatort-Ermittler Heinz Haferkamp. Schimanskis Rolle grenzt sich von der seines Vorgängers komplett ab. Schimanski lebt junggesellig in einer angeschmuddelten Hochhauswohnung, ernährt sich von Dosenbier, Eiern im Glas und Currywurst. Schimanski prügelt sich viel, nimmt die meisten Fälle persönlich, streift ständig am Rande einer Suspendierung. Oft kann ihn nicht einmal sein treuer Freund und Kollege Christian Thanner in seiner wütenden Raserei einbremsen.

Schimanski nimmt keine Rücksicht auf Vorschriften und erst recht keine auf Autos. In den frühen Folgen drangsaliert er meist Ford-Modelle, dienstlich Taunus oder Granada. Auch sein eigener 17 M erlebt nur wenige glückliche Momente. Später kommt Schimi an einen Citroën CX. Eigentlich würde zu ihm ein Geländewagen, eher noch ein Leopard-II-Panzer passen – eben etwas Unverwüstliches, mit dem er schadlos in ein Schaufenster donnern oder eine Gartenlaube niederstrecken kann.

Nicht aber eine extravagante, leicht zickige und vor allem französische Limousine, zu deren Talenten unerschütterliche Zuverlässigkeit und Unverwundbarkeit niemals zählten. Der Citroën CX verliert schnell seine Neuwageneleganz. Schimanski unterstützt diesen Vorgang dadurch, dass er jegliche Form der Wagenpflege und -wartung nicht einmal annährend in Betracht zieht. Wenn dem Wagen was fehlt, wird er sich schon melden. Geputzt wird er nicht, den groben Dreck wäscht der Regen fort. Erst mit dieser herben Patina passt der Citroën CX überhaupt zu Schimanski. So, wie ihm auch seine Jacke erst dann steht, wenn sie aussieht, als habe er sie einmal quer durch Duisburg hinter dem Auto hergeschleift.

Keine Rücksicht auf Verluste: Der Citroën CX ist ein Einsatzwagen – basta!

Dass die Jahre mit ihm keineswegs spurlos am Auto vorübergehen, liegt an Schimis Fahrweise: Er pflügt mit dem Citroën CX durch Maisfelder, schlägt durch Schranken, donnert durch Glastüren ins Foyer von Bürohäusern oder bügelt auf Gartenpartys meterlange Buffets platt – wo ein Schimanski und ein Citroën CX sind, ist auch ein Weg. 

Keine andereren Dienstwagen spielen in den Tatorten eine solch prominente Rolle wie Schimanskis Citroën CX-Modelle. Ein roter stirbt bei einer Schießerei durch einen Tankanschuss mit anschließender Explosion. Seinen silbernen Citroën CX Turbo 2 dagegen behält Schimi viele Jahre, auch als er 1991 nach über zehn Jahren, 29 Tatorten und zwei Kinofilmen den Dienst quittiert. Als er 1997 wiederkommt, kehrt er im Turbo 2 nach Duisburg zurück. Schimi ist nun nicht mehr Kriminal-Hauptkommissar, sondern in bisher 14 Fällen freischaffender Gelegenheits-Sonderermittler der Kripo.

Kuscheliger Innenraum als Notunterkunft – Schimi-erprobt

Duisburg, wo der Rhein die Ruhr verschluckt: Das ist der größte Binnenhafen Europas, umkringelt von einer Halbmillionen- Stadt. Am frühen Abend zieht der Citroën CX in sein Revier ein. Die große Strecke hierher hat ihm gelegen. Sein weiter Radstand, die schwer zu übertreffende Hydropneumatik-Federung und der souveräne Antrieb prädestinieren den Citroën CX für die Autobahn. Der kuschelig möblierte Innenraum taugt für stundenlanges Fahren. Oder für tagelanges Observieren. Oder für wochenlanges Übernachten. Schimi weiß und nutzt das alles.

Lange Aufenthalte im Auto lassen sich prächtig damit überbrücken, sich die Bedienelemente und ihre Funktionen einzuprägen. Citroën hat ja nichts mehr zu beweisen, wenn es darum geht, möglichst kryptische Cockpit-Landschaften zu entwerfen, die nicht nur jeder Konvention, sondern auch jeder intuitiven Bedienung widersprechen.

Zum Modelljahr 1986, als der Turbo 2 ins Programm aufgenommen wird, überarbeitet Citroën den Citroën CX, verbreitert seine Kotflügel, schneidert ihm modische Front- und Heckschürzen aus Plastik und versucht sich an einer weniger herausfordernden Innenarchitektur. So begegnet der späte Citroën CX dem unvorbelasteten Fahrer zwar mit leichter Altersmilde. Doch auch er eröffnet ein breites Repertoire an Fehlgriffen: Zündschloss links, Radio zwischen den Sitzen, Blinker-Wippschalter am Bediensatelliten, eine Hochdruckbremse, die schon voll verzögert, wenn der Fahrer nur in Richtung des Pedals pustet und das Einspeichen-Lenkrad, das immer von selbst in Geradeausstellung zurückwirbelt.

Mit 160 PS-Turbomotor rast Schimanski zu Hilfe

Im Maschinenraum des CX 25 GTI Turbo 2 Kat bilden das Reserverad und der 2,5-Liter-Turbo-Ottomotor eine Wohngemeinschaft. Die geht das Rad in der Version Turbo 2 übrigens auch mit einem 120-PS-Zweieinhalbliter-Turbodiesel ein. Aber fürs Vorglühen hätte Schimanski sicher nie den Nerv. Und 160 PS dürfen es für Schimi schon sein. Der aufgeladene Benziner presst die Limousine ohne Turboloch druckvoll voran. Wer wie Schimanski fährt – also wild beschleunigt und abrupt bremst -, braucht einen starken Magen. Obwohl der GTI in seiner stärksten Version straff federt und kurze Stöße durchwinkt, wogt er schiffig auf und ab. Dazu reagiert die leichtgängige Lenkung sehr zackig. Aber weil der Turbomotor so schön wummst und die Duisburger Straßen so breit sind, wird immer gefahren, als sei man hinter dem Teufel her. Die Sonne steht jetzt tief im Westen, ab und zu wird sie von einer fahlbraunen Wolke verdunkelt, die einer der Schornsteine ausspeit.

Der Citroën CX streift mit offenen Fenstern durch Duisburgs Dämmerung, vorbei an Trinkhallen und Dönerbuden, an New- Economy-Glaspalästen und stillgelegten Zechen. Duisburg schläft nicht. Als der Tag im Morgendunst erwacht, steht der CX am Rheinufer. Gegenüber angeln seit Stunden zwei Männer, stehen starr wie Pfähle bis zu den Knien im Fluss, auf dem sich Containerschiffe stromaufwärts kämpfen. Der Citroën CX knistert noch von der durchfahrenen Nacht. Doch er muss schon wieder los: eine Leiche im Landschaftspark. „Scheiße Mann, Menschmenschmensch“, Horst Schimanski schüttelt den Kopf, steigt ein, lässt die Räder beim Losfahren durchdrehen, „ich bin zu alt für diesen ganzen Mist.“