Waittimer Dacia Logan 1.4 MPI

Arm, aber glücklich!

Der Dacia Logan ist ein Fressen für Klischees: Mitleid auf Rädern, Billig-Auto mit dem Charme eines Kühlschranks? Dabei lebt er die verdrängte Tugend der Bescheidenheit. Das macht ihn zukunftssicher und zum Youngtimer von morgen.

Dacia Logan 1.4 MPI, Seitenansicht Foto: Arturo Rivas 9 Bilder

Der Dacia Logan schafft es. Da bin ich mir ganz sicher. Er läuft sich als Waittimer schon mal für eine coole Youngtimer-Zukunft warm. Der krasse Außenseiter Dacia Logan wird der Jetta - nein, besser noch, der Golf II von morgen. Das Kassengestell aus Transsylvanien entwickelt sich zum Kultmobil.

Ab 2.000 Euro gibt es heute gebrauchte Dacia Logan

Ich wittere den Trend, schaue jetzt schon ständig bei mobile, die Billigsten Dacia Logan liegen so um die 2.000 Euro. Soll ich mir schon mal einen sichern? Die Form, einfach klassisch, eine Stufenheck-Limousine mit Charakter. Vielleicht lerne ich noch, sie selbst zu reparieren, sie wird der Triumph Spitfire der Zukunft sein, das schrauberfreundlichste Auto der Neuzeit. In zehn Jahren wird die Jugend diese Spießerkarre lieben, sie den Opas und Hausfrauen aus den Händen reißen, für 1.000 Euro, mit etwas TÜV.

Abiturienten werden die 510 Liter große Endstufe des Dacia Logan vollpacken und zu viert an die Atlantikküste reisen. Wie wir damals im Audi 80 oder im Opel Ascona. Die unbeholfen gestylte rumänische Kompakt-Limousine mit französischen Renault-Genen trägt locker 485 Kilo Zuladung, und verbraucht 6,5 Liter auf 100 Kilometer, bei gemächlicher Route Nationale-Gangart. Und wenn es unterwegs mal eine Panne geben sollte, wird den Dacia Logan jeder Dorfschmied reparieren können – wie einst Ente und Renault 4.

Weitgehend elektronikfreie Zone

Der Dacia Logan lebt selbst als "Luxusmodell" Lauréate mit der Technik von gestern auch wertvolle Tugenden. Er ist - abgesehen vom ABS und vom reinlichen Lambdasonden-Motormanagement -, elektronikfrei, beide Steuergeräte passen jeweils in eine Zigarettenschachtel. Seine Servolenkung funktioniert noch rein hydraulisch, ohne dieses gefühllose Elektromotor-Gezampel.

Sein cW -Wert von 0,34 ist trotz stattlicher Hutträger-Höhe im separierten Fahrgastraum gar nicht so schlecht. Der brave Vierzylinder des Dacia Logan verzichtet gänzlich auf komplizierte Details. Acht Ventile reichen, Hydrostößel - beim Golf II ab 1985 obligat -, gibt es noch keine. Die obenliegende Nockenwelle wird per Zahnriemen angetrieben, wie es seit 1970 bei preiswerten Konfektionsmotoren üblich ist. Vier Zylinder sind beim Dacia Logan jedoch Ehrensache. Selbst in der Kaste des automobilen Existenzminimums darf man anfangs zwischen einem 1400er mit 75 PS und einem agilen 1600er mit 87 PS wählen.

Revolutionärer Verzicht auf Status

Von der akustischen Kakophonie eines rumorenden Dreizylinders bleibt man im kantigen Gehäuse des Dacia Logan verschont. Die Dramatik liegt bei der Logan-Limo nicht im Antrieb, sondern anderswo. Es ist der mutige, ja beinahe revolutionäre Verzicht auf Status und Ausstattung. Der Dacia Logan fährt ganz unten in der Hierarchie der Automobile, ohne sich zu schämen. Die Umwelt ignoriert ihn meist, belächelt ihn allenfalls. Aber er ist kein trauriger Clown auf den die Leute mit Fingern zeigen.

Der Dacia Logan ist arm, aber glücklich. Jeglicher Neid auf Lifestyle-Kombis oder Premium-Limousinen ist im fremd. Er setzt auf handfeste Werte wie Raumangebot, Nutzlast, Sparsamkeit und Einfachheit, ohne primitiv zu sein Beim Fahren vermittelt er die Freude am guten Gewissen: Meine bescheidene Mobilität tut keinem weh - ja, sie gibt mir große Zufriedenheit.

Unser Dacia Logan Lauréate, mit der wir im Laufe eines Tages innige Freundschaft schließen, leistet sich sogar Servolenkung, elektrische Fensterheber vorn und den fast glamourösen Metallic-Farbton "Ozean-Blau", der stark an die monochromen Alpine-Berlinetten erinnert.

Baumdicker Rotstift der Controller ist sichtbar

Solche dekadenten Zutaten bringen den asketischen Geist des Dacia Logan aber nicht wirklich ins Wanken. Die hellgraue Resopal-Einrichtung mit unzerstörbarem PVC-Flor macht einen schon leicht frösteln, wenn man plüschiges Velours mag. Gerade beim Logan-Interieur zeigt sich der baumdicke Rotstift der Controller. Hartplastik fasst sich nicht wirklich schön an, und die drei verloren wirkenden Kopfstützen hinten sehen echt peinlich aus.

Aber man wird im Dacia Logan funktionell entschädigt. Es gibt noch einen richtigen Autoschlüssel mit Bart, und ein richtiges Fernthermometer, das die Befindlichkeit des Motors sensibel anzeigt. Und sogar Nebelscheinwerfer, die im Verbund mit der großen Bodenfreiheit auch unwirtliches Karparten-Terrain erkunden helfen.

Kurzum, alles was ein praktisches Auto braucht, hat die Logan-Limousine: vier Türen, vier Zylinder, fünf Gänge und eine brauchbare Leistung von 75 PS. Dieses kleine Einmal- eins der Mobilität beherrschte schon ein Golf II vor 25 Jahren - kaum verwunderlich, dass sich der Dacia Logan wie ein typischer, unsportlicher Frontantriebs-Youngtimer fährt.

Sprödes Fahrverhalten mit kleinen Unzulänglichkeiten

Kleine Unzulänglichkeiten wie starkes Untersteuern bei schneller Kurvenfahrt, nicht gerade giftige Bremsen, ein großer Wendekreis oder ein etwas indifferentes Schaltgefühl machen den Dacia Logan beinahe menschlich. Meckern gehört sich schon aus Mitleid nicht. Sein sprödes Fahrverhalten erinnert sehr an den 89er Nasenbär-Passat, den ich letzten Winter fuhr.

Satt, solide, schnell und souverän, das kann der Dacia Logan einfach nicht. Er hat es versucht, sogar in seiner eigenen Rennserie ist er gestartet und hat sich als aufgebrezeltes Cup-Auto selbst verleugnet, nur weil es vermeintlich dem Image gut tut. Welchem Image? Ließ sich gutmütig, wie er nun mal ist, sogar tunen, vom Renault-Hausfriseur Elia aus Langenzenn. Trotz kostengünstigen Leichtbaus strengt er sich an, nicht zu rosten und lange zu halten. Was ihm schwer fällt, da muss man ihm helfen.

Der Dacia Logan benimmt sich wie ein fleißiger, aber nicht sehr begabter Schüler, dem man ein paar Patzer verzeiht. Sein Lieblingsfach ist der Fahrkomfort, dank langer Federwege und weicher Abstimmung fühlt er sich gut an. Das simple Fahrwerk mit McPherson-Federbeinen vorn und einer leichten Verbundlenkerachse hinten, die auch gern als halbstarr bezeichnet wird, entspricht dem Golf II-Rezept. Es stammt aber vom alten Renault Clio, mit Ausverkaufartikeln vom Nissan Micra K11. Unser ozeanblauer Dacia Logan Lauréate ist sechs Jahre alt, teilte sein Leben mit nur zwei Besitzern und hat 165.000 Kilometer Fernweh abgespult.

Sofortige Hohlraumversiegelung ist angeraten

Aber der Dacia Logan ist noch gut bei Kräften, fühlt sich keineswegs ausgenudelt an und sucht lebensfroh nach einem neuen Partner. Der hell und heiser klingende 1,4-Liter zieht von unten heraus gut durch, er dreht auch munter hoch. Doch ab 4.500/min verfällt er in ein unwilliges Brummen, er hat dann genug. "Leute, denkt an den Verbrauch", knurrt er dann. Er, der Nachhaltige, der nur eine runde Tonne Material bindet und beschleunigt.

Gibt es in der heilen Dacia Logan-Welt nicht doch einen wunden Punkt ohne Mitleidsbonus? Ja, er altert schneller als andere. Er braucht, jetzt gekauft, genau wie unsere Youngtimer, sofort eine Hohlraumkonservierung, als akute Rostschutz-Maßnahme. Sonst wird das nichts mit der Nachhaltigkeit und dem guten Basis-Gewissen.

Die Preisentwicklung des Dacia Logan

Der Großraum-Kombi Dacia Logan MCV und der schicke Hatchback Sandero haben die Limousine völlig abgewürgt. Schon im Juli 2010 verschwand die Stufenheck-Version aus dem deutschen Dacia-Lieferprogramm.

Ein Jahr zuvor kam sie noch in den Genuss eines leichten Facelifts. Leider nahm es ihr die trotzige Prägnanz, mit der sie das Außenseitertum so überzeugend zelebrierte. Nun, die Preis stürzen ins Bodenlose, Unverstandene haben es auf dem Gebrauchtwagenmarkt schwer. Sechs Jahre alte Dacia Logan-Limos kosten knapp 3.000 Euro.